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Sebastian Blumenthal (FDP) war die Verstimmung anzumerken. "Wir hatten auch Vertreter von Facebook eingeladen, aber leider ist das Unternehmen unserer Einladung nicht gefolgt. Darüber möchte ich nun auch ganz öffentlich stellvertretend für den Ausschusses das allgemeine Befremden kundtun.“ Der Vorsitzende des Unterausschusses Neue Medien des Ausschusses für Kultur und Medien reagierte damit deutlich auf die Abwesenheit des mächtigen amerikanischen Unternehmens zu Beginn des öffentlichen Expertengesprächs am Montag, 7. Juni 2010, im Berliner Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages. In der Tat wäre es nach eigenem Bekunden einiger weiterer Ausschussmitglieder von Interesse gewesen, neben der deutschen "VZ net"-Gruppe einen zweiten Vertreter der sozialen Netzwerkunternehmen anzuhören.
Immerhin stand das Thema "Datenschutz und Privatssphäre in sozialen Netzwerken“ im Mittelpunkt der zweiten Sitzung des Gremiums, eines Unterausschusses des Ausschusses für Kultur und Medien. Darin bemühten sich die versammelten Mitglieder um eine Verbesserung des Datenschutzes innerhalb der rasant wachsenden sozialen Netzwerkgemeinde in Deutschland. Durch die Abwesenheit des kalifornischen Marktführers waren in der Expertenanhörung des Ausschusses lediglich Dr. Clemens Riedl, geschäftsführender Vorstand der VZ net, Dr. Alexander Dix, Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit und Peter Zoche vom Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung vertreten.
Dr. Alexander Dix betonte mit Blick auf die Entwicklung sozialer Netzwerke in Deutschland: "Solche Netzwerke haben auch hierzulande rasant an Bedeutung gewonnen. Nur leider entmündigen viele unter ihnen ihre Nutzer und betreiben das exakte Gegenteil der proklamierten informationellen Selbstbestimmung.“
Für die sozialen Netzwerke gebe es zwei Hauptaufgaben, so Dix. "Zum einen ihre Seiten sicher gegen Angriffe von außen zu machen und zum anderen - gerade aus Sicht der ausländischen Unternehmen - ein Geschäftsmodell zu entwickeln, dass sich an den rechtlichen Anforderungen in Deutschland orientiert.“
Dr. Clemens Riedl, Vorsitzender der VZ-Netzwerke, betonte, genau dies geschehe derzeit nicht. "Für Player am deutschen Markt ist dies ein entscheidender Nachteil, der nicht zu kompensieren ist, wenn deutsches Recht nicht auch für ausländische Mitbewerber gilt.“ Daher poche er als Vertreter der deutschen Netzwerkunternehmen auf gleiche Bedingungen für alle.
Gerade angesichts der unterschiedlichen Gesetzesauslegung durch deutsche und amerikanische Unternehmen entstehe die Notwendigkeit, das deutsche Telemediengesetz anzupassen und darin die Gültigkeit deutscher Datenschutzstandards auch auf ausländische Unternehmen zu präzisieren.
Brigitte Zypries (SPD) regte an, angesichts des oftmals sehr unbekümmerten Umgangs der Jugendlichen mit ihren persönlichen Daten eine gezielte Aufmerksamkeitskampagne für den Datenschutz an Schulen zu initiieren. "Es reicht nicht aus, wenn Politiker ihre Konten in Netzwerken wie Facebook löschen“, sagte Zypries und spielte damit auf Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) an, die eben diesen Schritt vollzogen hatte - aus Protest gegen die aus ihrer Sicht mangelhafte Gewährleistung des Datenschutzes.
Konstantin von Notz (Bündnis 90/Grüne) nannte dieses Verhalten "populistisch“. Es sei zudem auch nicht zielführend. Die Frage sei vielmehr, wie der Gesetzgeber gegenüber mächtigen Unternehmen wie Facebook aus der Bittstellerrolle herauskomme und eine rechtliche Handhabe herstellen könne.
Riedl betonte abschließend: "Dem Nutzer ist zumeist nicht bewusst, ob das Netzwerk, in dem er Mitglied ist, eine deutsche oder eine amerikanische Website ist. 90 Prozent der genutzten Netzwerke in Deutschland sind rechtsfreier Raum, da ihre Betreiber im Ausland sitzen. Viele Nutzer wissen dies nur nicht.“