Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2010 > Aktuelle Stunde: Gesundheitsreform
Einen heftigen Schlagabtausch haben sich Opposition und Koalition während einer von der Linksfraktion beantragten Aktuellen Stunde zur Gesundheitspolitik am Donnerstag, 8. Juli 2010, geliefert. Während Dr. Martina Bunge (Die Linke) von einer "konzeptlosen und unsozialen" Gesundheitspolitik der Bundesregierung sprach und der Gesundheitsexperte der SPD-Fraktion, Prof. Dr. Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) den Rücktritt nahelegte, verteidigten Redner der Koalitionsfraktionen die geplanten Maßnahmen. Jens Spahn (CDU/CSU) sprach von einem "fairen Paket". Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) machte deutlich, dass "zur Stabilisierung der Finanzsituation alle beitragen müssen". Aus Sicht der parlamentarischen Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz (CDU), hat es "keine Alternative zu den beschlossenen Maßnahmen" gegeben.
Durch Beitragserhöhungen und Zusatzbeiträgen mute die Bundesregierung allein den Versicherten mit 10,2 Prozent, die sich aus 8,2 Prozent Betragssatz und zwei Prozent Zusatzbeitrag ergeben würden, "den höchsten Beitragssatz aller Zeiten" zu, kritisierte Martina Bunge, Gesundheitspolitikerin der Linken. Für die Jahre ab 2012 sei zudem mit weiteren "Milliardendefiziten" zu rechnen, sagte sie. "Das sollen allein die Versicherten schultern?"
Da zudem "Geringverdiener" noch überproportional belastet würden und Arbeitgeber, wie auch "Bestverdienenende" außen vor blieben, könne man nur von einem "zutiefst unsozialen" Vorgehen sprechen. Dabei gäbe es Alternativen, sagte Bunge mit Verweis auf die auch von den anderen Oppositionsfraktionen bevorzugte "solidarischen Bürgerversicherung", in die "alle mit allen Einkommen" einzahlen müssten.
"Wir haben ein faires Paket geschnürt, das für die Zukunft eine Perspektive bietet", sagte hingegen der Gesundheitsexperte der Union, Jens Spahn. Angesichts eines prognostizierten Defizits bei den Krankenkassen für das nächste Jahr in Höhe von zehn Milliarden Euro sei es um die "Begrenzung der Zuwächse" gegangen. Dabei habe man den Bereich der niedergelassenen Ärzte, die Krankenhäuser und die Verwaltungskosten der Kassen im Blick gehabt.
Wenn nun die SPD behaupte, dass reiche nicht aus und sei nur ein "Kleckerbetrag", sei das ein "Schlag ins Gesicht der Menschen", die dort beschäftigt seien. Als eine weitere Maßnahme werde der Beitragssatz wieder auf 15,5 Prozent und damit auf den Stand vor der Krise angehoben, sagte Spahn. Zudem habe die Koalition den "auch von der SPD eingeführten Zusatzbeitrag weiterentwickelt". Er sei nun in seiner Wirkung gerechter, da der soziale Ausgleich aus Steuermitteln finanziert werde und damit "auf breiteren Schulter verteilt wird".
Gesundheitsminister Rösler habe zu Beginn seiner Amtszeit eine Strukturreform angekündigt, sagte Karl Lauterbach (SPD). Wenn diese misslinge, habe Rösler gesagt, wolle ihn keiner mehr als Minister haben. "Dieser Fall ist jetzt eingetreten, da die Reform misslungen ist", sagte Lauterbach.
Statt der vom Minister angekündigten "Reform aus einem Guss" habe man es mit "Beitragserhöhungen, unwirksamen Sparvorschlägen, einer Kopfpauschale durch die Hintertür und einem Alibi-Sozialausgleich" zu tun, kritisierte der SPD-Politiker. Daher sei klar: "Der Bürger will Sie als Minister nicht mehr sehen."
Die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus sagte, angesichts der Tatsache, dass die Menschen immer älter würden und es einen zu begrüßenden medizinischen Fortschritt gebe, der aber teuer sei, müsse man ehrlich zu den Menschen sein. "Ja, die Menschen werden in Zukunft mehr bezahlen müssen. Ja, es wird in absehbarer Zeit teurer werden", sagte Aschenberg-Dugnus. Dafür behalte man aber auch weiterhin das "beste und weltweit anerkannteste Gesundheitssystem".
Die Alternative dazu wäre die Rationierung. Das könne jedoch niemand wollen. Zur Stabilisierung der Gesundheitsfinanzen "müssen und werden" alle beitragen, sagte sie. Wenn dies die "Leistungserbringer" wie Ärzte, Kassen und Pharmaindustrie tun würden, müssten das auch die "Leistungsempfänger" tun. Das sei "fair und einleuchtend".
Daher werde der allgemeine Beitragssatz auf 15,5 Prozent erhöht und die "auf Pump finanzierte Senkung der Beiträge" würden zurückgenommen. Bei den Zusatzbeiträgen komme man zudem weg von der "beschäftigungsfeindlichen Kopplung" der Gesundheitskosten an die Einkommen der Arbeitnehmer. Damit werde mehr Beitragsautonomie und somit auch mehr Wettbewerb unter den Krankenkassen erreicht, sagte die FDP-Politikerin.
Dagegen wandte sich die Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink. Die FDP wolle die gesundheitspolitische Steuerung dem Wettbewerb überlassen. Das würden die Grünen, aber auch "ein Großteil der Bevölkerung nicht mitmachen".
Nur durch den Wettbewerb werde man die Probleme nicht los, so Klein-Schmeink. Zudem erschließe sich ihr nicht, wieso die Union von einem "fairen Paket" rede, wenn die Kostensteigerungen der Zukunft "nur von den Versicherten allein" aufgefangen werden müssten, sagte Klein-Schmeink. Das zeige vielmehr, dass der Koalition für eine solidarische Gesundheitspolitik jedes Konzept fehle.
Als "alternativlos" bezeichnete die parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz die Änderungen. Damit verhindere man, dass die Kassen unter ihrem finanziellen Defizit "zusammenbrechen".