Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2010 > Zwölfter Deutscher Bundestag (1990-1994)
Die Bundestagswahl am 27. September 2009 folgte auf ein Jubiläum: Vor 60 Jahren, am 7. September 1949, trat die Volksvertretung in der provisorischen Hauptstadt Bonn zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Anlass für einen Rückblick auf 16 Wahlperioden, auf Meilensteine, Wendemarken, Personen und Entscheidungen.
Im Jahr 1990 hat sich die Welt von Grund auf verändert. Die Sowjetunion befindet sich in Auflösung, der Eiserne Vorhang ist gefallen, die SED-Diktatur zusammengebrochen. Die erste frei gewählte Volkskammer und das Bonner Parlament beschließen einen Wahlvertrag für gesamtdeutsche Wahlen. Am 3. Oktober tritt die DDR der Bundesrepublik bei.
Am 2. Dezember 1990 wählen die Deutschen den ersten gesamtdeutschen Bundestag. Die Union erleidet leichte Verluste, wird aber wieder stärkste Fraktion (43,8 Prozent). Die Sozialdemokraten kommen auf 33,5 Prozent und die Liberalen auf elf Prozent.
Die westdeutschen Grünen scheitern mit 4,4 Prozent an der Fünf-Prozent Hürde. Obwohl die PDS/Linke Liste nur 2,4 Prozent und die Partei Bündnis 90/Die Grünen nur 1,2 Prozent der Stimmen im gesamten Bundesgebiet erhalten, ziehen sie in den Bundestag ein.
Das ist möglich, weil bei dieser Wahl die Fünf-Prozent-Klausel auf Ost- und Westdeutschland getrennt angewendet wird. So reicht es, dass die kleinen Parteien in den neuen Bundesländern die Hürde überspringen. Bündnis 90/Die Grünen (acht Mandate) und PDS/Linke Liste (17 Mandate) erhalten jedoch keinen Fraktions-, sondern nur einen Gruppenstatus.
Der Deutsche Bundestag wählt Dr. Helmut Kohl (CDU) abermals zum Bundeskanzler. Ein schwarz-gelbes Kabinett, dem auch Minister aus den neuen Bundesländern angehören, nimmt seine Arbeit auf. Prof. Dr. Rita Süssmuth (CDU) wird als Bundestagspräsidentin wiedergewählt.
Das Parlament ist intensiv mit dem Aufbau Ost beschäftigt. Die Probleme reichen von der desolaten Wirtschaft über verfallene Innenstädte bis hin zu verheerenden Umweltproblemen. Erst nach und nach kommt zum Vorschein, wie ruiniert die Wirtschaft der DDR tatsächlich war.
Schon in den ersten Haushaltberatungen räumen die Regierungsfraktionen ein, dass die Mittel für den Aufbau Ost nicht ohne Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen aufzubringen sind. Nach langem Ringen einigen sich Bund und Länder auf den Solidarpakt.
Das Versprechen des Bundeskanzlers Kohl, dass die Übernahme der westlichen Wirtschaftsordnung in wenigen Jahren "blühende Landschaften" hervorbringen würde, scheint sich in dieser Wahlperiode noch nicht einzulösen. Es kommt im Osten Deutschlands zu Stilllegungen und Deindustrialisierung, die Arbeitslosigkeit steigt rapide.
Die Globalisierung der Märkte und der zunehmende internationale Konkurrenzdruck verstärken das Problem. Auf der anderen Seite werden Stadtzentren, Bahnhöfe und Wohngebiete saniert sowie Umweltverschmutzungen bereinigt.
In seiner Regierungserklärung benennt Helmut Kohl Anfang 1991 die wirtschaftliche, soziale, geistige und kulturelle Einheit Deutschlands und die Angleichung der Lebensverhältnisse zu einem Hauptziel seiner Regierung. Damit zusammenwächst, was zusammengehört, sind auch immaterielle Leistungen vonnöten. Der Bundestag setzt eine Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ein.
Einige Änderungen und Ergänzungen im Grundgesetz werden vorgenommen, wie etwa Bestimmungen zur Förderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau, zum Verbot der Diskriminierung Behinderter und zu Aufnahme des Umweltschutzes als Staatsziel. Im Wesentlichen bleibt die Verfassung jedoch erhalten.
Auch die umstrittene Frage nach dem zukünftigen Parlamentssitz muss geklärt werden. Ein Antrag mit dem Titel "Vollendung der Einheit Deutschlands" fordert einen Standortwechsel des Deutschen Bundestages nach Berlin.
Nach intensiver Debatte - mehr als zehn Stunden Redezeit wurden beantragt - gibt Bundestagspräsidentin Süssmuth am 20. Juni 1991 um 21.49 Uhr das Ergebnis bekannt: 320 Stimmen für den "Bundesstaatslösung Bonn-Antrag", 338 Stimmen für den Berlin-Antrag, bei einer Enthaltung und einer ungültigen Stimme. Im Sommer 1999 wird der Bundestag nach Berlin umziehen.
Neue Entwicklungen auf der Weltbühne beanspruchen die deutsche Außen- und Innenpolitik. Zwar ist die Bundeswehr an dem Golfkrieg von 1990/1991 nicht beteiligt. Doch trägt Deutschland einen Teil der Kriegskosten. Die Mitwirkung deutscher Soldaten an NATO-Einsätzen ist auch in den nächsten Jahren umstritten.
Schließlich beschließt das Parlament in einer Sondersitzung am 22. Juli 1994 die Beteiligung deutscher Soldaten an den Maßnahmen von NATO und Westeuropäischer Union zur Durchsetzung des Adria-Embargos und des Flugverbotes über Bosnien-Herzegowina. (sq)