Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2010 > Unterausschuss "Gesundheit in Entwicklungsländern"
Zwölf Unterausschüsse gibt es in dieser Wahlperiode im Bundestag. Sie arbeiten ihrem jeweiligen Ausschuss zu und beraten intensiv über besonders wichtige Themen, die im Hauptausschuss nicht erschöpfend behandelt werden können. Einer davon ist der Unterausschuss "Gesundheit in Entwicklungsländern", der vom Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eingesetzt wurde. Im Interview äußert sich der Vorsitzende Uwe Kekeritz (Bündnis90/Die Grünen) über den Handel mit Generika, die Forschung zu vernachlässigten Krankheiten und die Chancen, die Millenniumsentwicklungsziele doch noch zu erreichen.
Herr Kekeritz, im April 2010 hat sich der Unterausschuss "Gesundheit in Entwicklungsländern" konstituiert. Eine Premiere…
… und eine längst überfällige. Immerhin drehen sich drei von acht Millenniumsentwicklungszielen…
... das sind die entwicklungspolitischen Ziele, die die Weltgemeinschaft bis 2015 erreicht haben will, …
… um das Thema Gesundheit. So sollen Aids, Malaria und andere schwere Krankheiten bekämpft, die gesundheitliche Versorgung von Müttern verbessert und die Kindersterblichkeit gesenkt werden. Es gab zwar schon vorher Arbeitsgruppen der Fraktionen, die sich mit diesen Themen beschäftigt haben. Aber mit dem Unterausschuss haben wir ganz andere Möglichkeiten, sie in die parlamentarische Debatte und in die Öffentlichkeit zu bringen.
Inwiefern?
Nun, unser Ziel ist es, gemeinsame Initiativen zum Thema "Gesundheit in Entwicklungsländern" zu starten und über den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ins Plenum oder die Öffentlichkeit zu bringen. Dabei suchen wir uns unsere Arbeitsschwerpunkte selbst, können dazu Fachgespräche und Anhörungen organisieren.
Das heißt, Parteipolitik wird in diesem Gremium nicht dominieren?
Genau, wobei es schon einen gewissen Richtungsstreit gibt. Viele sehen ja in der Privatisierung, der Stärkung der Marktfaktoren, eine positive Funktion. Meiner Meinung nach sollte aber im Bereich der Grundversorgung der Staat die Verantwortung übernehmen, etwa bei der Wasserversorgung, bei der Bildung oder eben auch im Gesundheitsbereich. Grundsätzlich ziehen aber alle neun Mitglieder des Unterausschusses an einem Strang. Daher bin ich optimistisch, dass es uns gelingen wird, zu vielen Themen eine gemeinsame Position zu finden und damit an die Öffentlichkeit zu gehen.
Womit hat sich denn der Unterausschuss seit seiner Konstituierung beschäftigt?
Ein wichtiges Thema war die Verschärfung des Patentrechts. Das so genannte TRIPS-Abkommen, das Patentvorschriften im internationalen Handel regelt, räumt Generikaherstellern weitreichende Rechte ein. Bekräftigt wird dies durch die von der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO verabschiedete Doha-Erklärung von 2001, die die öffentliche Gesundheit klar über das Patentrecht stellt. Nun will die EU vor allem gegenüber Indien, einem der wichtigsten Generika-Produzenten, die Patentregelungen bilateral verschärfen - im Interesse der westlichen Pharma-Industrie. Wir setzen uns dafür ein, dass die Regierung dies verhindert. Denn Leidtragende wären die Empfänger der günstigen und zugleich hochwertigen Generika, die in Indien für die Versorgung von Menschen in Entwicklungsländern produziert werden.
Mit der Pharma-Industrie haben Sie da aber eine mächtige Lobbygruppe gegen sich. Dabei hat gerade der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller im Vorfeld sehr dafür geworben, diesen Unterausschuss einzurichten.
Ja, warum auch nicht? Auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern ist ja ein gewisses Marktpotenzial da. Natürlich lassen sich dort nicht solche Gewinnmargen erzielen wie bei uns. Aber die Pharma-Industrie überlegt sich natürlich schon, ob sie dort aktiv werden und mit attraktiven Angeboten auf den Markt gehen oder ob sie sich diese Marktchancen einfach entgehen lassen will. Aufgabe der Politik dabei ist es, darauf zu achten, dass nicht nur die Arzneimittelhersteller, sondern vor allem die Menschen in den Entwicklungsländern davon profitieren. Womit wir bei einem weiteren wichtigen Thema sind…
… das da wäre?
Das Problem der vernachlässigten Krankheiten. Die Forschung zu vielen Krankheiten, die nur in Entwicklungsländern auftreten, steckt noch in den Kinderschuhen, weil sich damit eben nicht viel Geld verdienen lässt. Ich denke, der Unterausschuss sollte alles tun, damit diese Forschungslücke geschlossen wird. Außerdem werden wir uns intensiv mit der Reform der Weltgesundheitsorganisation auseinandersetzen.
Sehen Sie denn noch eine Chance, dass die Millenniumsentwicklungsziele im Bereich Gesundheit bis 2015 erreicht werden?
Nein, ganz knallhart nein. Es kann leider nur noch darum gehen, dass wir uns ihnen ein wenig annähern - zumal sich die G20, die führenden Industrie- und Schwellenländer, auf ihrem Gipfel in Toronto im Juni nicht auf die Einführung einer internationalen Finanztransaktionsteuer, die als Finanzierungsinstrument für das Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele unabdingbar wäre, einigen konnten. Mit dieser Transaktionsteuer, die niemandem in den Industrieländern wirklich wehtun würde, könnten genügend Mittel gewonnen werden, um die Entwicklungsziele doch noch zu erreichen. Dass sie höchstwahrscheinlich nicht kommt, ist für Hunderttausende Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern ein Todesurteil.
(nal)