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Für eine Intensivierung des Dialogs zwischen der Nato und Russland plädiert Dr. Karl A. Lamers. Eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit erwartet der CDU-Bundestagsabgeordnete etwa bei der Bekämpfung der Weiterverbreitung von Atomwaffen. Das Verhältnis zu Moskau gehört zu den Themen der Parlamentarischen Versammlung der Nato, deren Jahrestagung von Freitag, 12. November, bis Dienstag, 16. November 2010, in Warschau stattfindet. Mehr als 350 Parlamentarier aus über 40 Ländern werden über aktuelle Fragestellungen der Nato diskutieren und Entschließungen und Berichte verabschieden. Im Zentrum der Debatten steht das neue strategische Konzept der Nato, das am 19. und 20. November beim Nato-Gipfel in Lissabon verabschiedet werden soll. Lamers leitet die zwölfköpfige Delegation des Deutschen Bundestages, die zusammen mit der sechsköpfigen Delegation des Bundesrates die deutsche Delegation bildet. Er wird als voraussichtlich einziger Kandidat bei der Wahl des neuen Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung am 16. November antreten. Im Interview nimmt er zu den Themen der Versammlung Stellung.
Mit der Annäherung zwischen der Nato und Russland geht es trotz jahrelanger Bemühungen nur schleppend voran. Kann die Parlamentarische Versammlung einen Beitrag zur Verbesserung der Beziehungen erbringen?
Schon seit Jahren führt unsere Versammlung einen intensiven Dialog mit russischen Abgeordneten. Nicht zu vergessen ist auch unser Ständiger Parlamentarischer Nato-Russland-Ausschuss, der in Warschau erneut tagen wird. In diesem Gremium kann offen über Themen diskutiert werden, die die Beziehungen des Bündnisses mit Moskau betreffen und auch belasten. Über diesen offenen Austausch konnten bereits öfters schwelende Konflikte frühzeitig entschärft werden.
Einer der Ausschüsse der Versammlung fordert für die Tagung in Polen eine "neue Partnerschaft" mit Russland zur Bekämpfung der Weiterverbreitung von Atomwaffen. Tut Moskau auf diesem Gebiet nicht genug?
Russland ist ein wichtiger Partner für die Allianz. Der internationale Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sind Gefahren, denen sowohl das Bündnis als auch Moskau ausgesetzt sind. Diesen Bedrohungen können wir nur gemeinsam wirksam begegnen. Wir erwarten von Russland die Bereitschaft zur Kooperation bei Themen, die von beiderseitigem Interesse sind. Die Zusage von Präsident Dimitri Medwedew, zum Nato-Gipfel nach Lissabon zu reisen, halte ich vor diesem Hintergrund für ein wichtiges Signal.
Ein Dauerthema der Versammlung ist Afghanistan. In Warschau wird über die Zusammenarbeit der Nato-Truppen mit den einheimischen Sicherheitskräften debattiert. Mit deren Kampffähigkeit scheint es aber nicht zum Besten bestellt zu sein. Ist es nicht eine Fiktion, die internationalen Kräfte auf Sicht vom Hindukusch abziehen zu können?
Der Einsatz in Afghanistan kann erst dann beendet werden, wenn im Land stabile Strukturen geschaffen sind, die aus eigener Kraft eine von Afghanistan ausgehende Gefährdung der internationalen Gemeinschaft ausschließen und den Bewohnern des Landes eine tragfähige Perspektive eröffnen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Allianz den Aufbau der afghanischen Sicherheitsorgane und die zivile Hilfe verstärken. Bis Oktober 2012 sollen statt derzeit knapp 200.000 gut 300.000 einheimische Sicherheitskräfte bereitstehen. Gelingt die Umsetzung dieser Londoner Strategie, dann können wir die Verantwortung für einzelne Distrikte ab Ende 2011 nach und nach in afghanische Hände legen.
Der Kongress in Warschau befasst sich auch mit den Problemen der Regierungstätigkeit unter Präsident Karzai, die nicht unbedingt als vorbildlich gelten kann und Teile der Bevölkerung verärgert.
Trotz gewisser Fortschritte bedarf es noch großer Anstrengungen, um demokratische Strukturen am Hindukusch zu verbessern. Das größte Problem, das einer guten Regierungsführung im Wege steht, ist die Korruption. Die internationale Gemeinschaft muss die Regierung in Kabul drängen, ihren Verpflichtungen nachzukommen und effektiv gegen die Korruption vorzugehen.
In Warschau wird auch über die Auswirkung der wirtschaftlichen Entwicklung auf das weltweite Kräftegleichgewicht diskutiert. Sorgen sich die Nato-Parlamentarier, dass China der Nato militärisch den Rang abläuft? Sollte man Peking wie Moskau zum Partner des Bündnisses machen?
Eine Partnerschaft mit Peking nach dem Muster des Sonderverhältnisses der Allianz zu Russland ist meiner Meinung nach nicht praktikabel. Allerdings existieren durchaus gemeinsame Sicherheitsinteressen wie etwa der Kampf gegen die Piraterie oder den internationalen Terrorismus. Einen offenen Dialog mit China halte ich daher für machbar und auch wünschenswert. Im Übrigen sehe ich im Moment nicht, dass Peking der Nato militärisch den Rang abläuft. Allerdings muss das Bündnis seine Kräfte stärker bündeln, nicht zuletzt finanziell.
Ein Bericht thematisiert den Zusammenhang zwischen Armut und Unsicherheit in der Dritten Welt. Inwiefern ist dies ein Thema für die Nato-Abgeordneten? Diese Länder stellen doch keine Bedrohung für das Bündnis dar.
Für mich ist die Nato keine reine Militärallianz, sondern ein politisches Bündnis mit militärischen Fähigkeiten. Unsere Versammlung befasst sich deshalb auch mit wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Problemen, die für die Sicherheit der Nato-Staaten von Belang sind. In dem erwähnten Bericht werden die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf Entwicklungsländer skizziert. Erörtert werden dabei auch möglicherweise schwerwiegende Folgen wie der Zusammenbruch staatlicher Strukturen oder das Entstehen von regionaler Instabilität. "Gescheiterte Staaten" können durchaus zu einer Bedrohung der internationalen Sicherheit werden. Unsere Versammlung will auf diese Probleme aufmerksam machen und Empfehlungen für die Nato-Politik erarbeiten.
(kos)