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Die Erwartungen an die deutsche Landwirtschaft sind hoch. Sie soll einen Beitrag zur Welternährung leisten, klimaverträgliche Energie produzieren und im internationalen Wettbewerb bestehen. Umso bedeutender war die Debatte am Freitag, 26. November 2010, im Bundestag um den vergleichsweise kleinen Etat 2011 des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen von SPD, Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen wurde das 5,49 Milliarden Euro schwere Budget von Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) in der vom Ausschuss geänderten Fassung angenommen(17/2500, 17/2502, 17/3510, 17/3523). Der Bundestag lehnte je einen Änderungsantrag der SPD (17/3846), der Linksfraktion (17/3874) und von Bündnis 90/Die Grünen (17/3858) zum Etat ab.
Im Vergleich zum Haushalt des Agrarministeriums für das Jahr 2010 kam es zu Kürzungen um 344,5 Millionen Euro. "Wir haben kürzen müssen", sagte die Ministerin. "Aber wir haben es mit Maß und Ziel gemacht." Das sei der Teil, den auch der Landwirtschaftshaushalt zu den Sparbemühungen der Regierung beitragen müsse.
Mit dem neuen Haushalt hat nach Ansicht Aigners die Koalition Verlässlichkeit bewiesen. Den größten Posten, der fast zwei Drittel der Ausgaben verschlingt, bildet die Agrarsozialpolitik. "Das ist eine wichtige Strukturmaßnahme für kleine und mittlere Betriebe, die in unveränderter Höhe aufrechterhalten wurde", sagte die Ministerin.
Als "Subventionshaushalt" bezeichnete Rolf Schwanitz (SPD) den Etat. So steigere die Regierungskoalition die Subventionen um 300 Millionen Euro in den Jahren von 2009 bis 2011 auf insgesamt 700 Millionen Euro. "Mit einer Schlagseite für süddeutsche Landwirte", kritisierte er. Waltraud Wolff (SPD) nahm die "Verlässlichkeit" ins Visier, denn nachdem im vergangenen Haushaltsjahr die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes noch erhöht worden war, wurde sie im neuen Haushalt wieder gekürzt. "Heute so und morgen anders", sagte sie und lehnte die Kürzung des Bundesanteils um rund 100 Millionen Euro auf damit 600 Millionen ab.
Ulrich Kelber (SPD) bezeichnete Ministerin Aigner als "Ankündigungsministerin". Sie vermittle, dass sie gegen die grüne Gentechnik sei, aber "in Wirklichkeit wollen Sie Deutschland zum Freilandversuch für nicht getestete gentechnisch veränderte Organismen machen". Zusammen mit dem Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung würden insgesamt 2,4 Milliarden Euro in den nächsten sechs Jahren für die Bioökonomieforschung ausgeben.
"Schaut man hinter die Kulissen, geht es um nichts anderes als um Förderung für die Forschung der grünen Gentechnik", monierte Kelber. Dagegen falle der Haushaltstitel Ökolandbau mit nur 16 Millionen Euro pro Jahr mager aus. "Und dieses Miniprogramm öffnen Sie nun auch für alle anderen.", kritisierte der SPD-Abgeordnete. Nun könne sich daraus auch die "Pestizidforschung" oder die "Genforschung" bedienen.
"Wir wollen unseren Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgase leisten, und das geht nur über Forschung und Innovation", entgegnete Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) auf den Vorwurf Kelbers. Von den zehn Prozent erneuerbaren Energien, die derzeit in das Stromnetz eingespeist werden, würden bereits 70 Prozent durch Biomasse produziert. Dem seien Grenzen gesetzt, wenn nicht weiter geforscht werde.
Außerdem habe die deutsche Landwirtschaft bewiesen, dass sie wettbewerbsfähig sei. Sie verfüge über eine Wirtschaftsleistung von rund 270 Milliarden Euro und beschäftige rund 1,3 Millionen Menschen in bäuerlichen Betrieben. Das sei eindrucksvoll und Ergebnis davon, wenn auf Wettbewerbsfähigkeit und Innovationen gesetzt werde.
Weniger positiv bewertete die Fraktion Die Linke die Situation der Landwirte. Als "Märchenstunde" bezeichnete Alexander Süßmeir die Vorträge der Redner der Koalitionsfraktionen. "Viele Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand", sagte der Abgeordnete. Im Geschäftsjahr 2007 bis 2008 habe der durchschnittliche Gewinn pro Familienarbeitskraft noch 32.200 Euro betragen. "Ein Jahr später nur noch 24.400 Euro." Ein Viertel weniger. "Und davon müssen Investitionen und Beiträge in die Sozialversicherung bezahlt werden", sagte er. "Wer hier von einer guten Situation redet, hat den Bezug zur Realität verloren."
Hauptgrund für die schlechte Situation seien die zu niedrigen Erzeugerpreise. Zusätzlich belaste die Landwirte die Spekulation mit Grund und Boden. Immer mehr Ackerland werde von Kapitalanlegern als von Landwirten erworben. Dadurch stiegen die Pachten und die Preise. "Doch Schwarz-Gelb redet sich die Entwicklung schön und sieht tatenlos zu."
"Kein Land in der Welt kann im Vergleich mit den deutschen Landwirten mithalten", sagte Hans-Michael Goldmann (FDP): "Vor diesem Hintergrund sollte man die Kirche im Dorf lassen." Experten würden eine Boomphase in der Landwirtschaft ausmachen, von der im Bereich der Milch-, Fleisch- und Eierwirtschaft 2,5 Millionen Arbeitsplätze profitieren. Den Vorwurf,den Ökolandbau zu vernachlässigen, wollte Goldmann nicht akzeptieren: "Wir stehen dafür, dass jeder saubere Ökoantrag, der gestellt wird, auch zukünftig bedient wird." Nur seien die 16 Millionen Euro, die bisher bereitgestellt worden waren regelmäßig nicht ausgeschöpft worden.
Den Haushaltsposten auszuweiten, sei die richtige Entscheidung gewesen, sonst wäre er vom Haushaltsausschuss zusammengestrichen worden. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) sekundierte in ihrer Rede: "Es stehen ja nicht nur die 16 Millionen Euro für den Ökolandbau im Mittelpunkt, sondern alle anderen Sozialleistungen können von den Ökolandwirten auch in Anspruch genommen werden." Die Programme stünden allen Landwirten offen.
Cornelia Behm (Bündnis 90/Die Grünen) sah das anders: "Es wurden schon Förderanträge abgelehnt mit der Begründung, es stehen keine Finanzmittel bereit." Der Ökolandbau leiste, was Verbraucher und Umweltschutz fordern würden. Doch die Regierungskoalition entziehe lieber die Mittel, weil die Industrie daran nicht ausreichend verdienen könne.
Ihr Fraktionskollege Alexander Bonde sieht die Mittel durch die "Hintertür zweckentfremdet" zum Schaden nachhaltiger Formen der Landwirtschaft. Damit begehe die Regierungskoalition einen "Anschlag" auf den Ökolandbau und lasse die Bauern im Regen stehen.
Die Debatte um den Verbraucherschutz fiel relativ kurz aus. Karin Binder (Die Linke) attestierte Ministerin Ilse Aigner unzureichende Bemühungen: "Nur ein Prozent des Etats fließt in den Verbraucherschutz." Dem Missbrauch von Daten im Internet lediglich mit der Kündigung ihres Facebook-Accounts öffentlichkeitswirksam zu vermarkten, reiche nicht aus.
Nach Ansicht von Alexander Bonde von den Grünen gibt es nichts, "was sich vorzeigen lässt". Georg Schirmbeck (CDU/CSU) unterstrich dagegen, dass mit der Aufstockung des Stiftungskapitals für die Deutsche Stiftung Verbraucherschutz um zehn Millionen Euro ein wesentlicher Beitrag geleistet werde, der auch in Zukunft die unabhängige Verbraucherinformation in Deutschland garantiere. (eis)