Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2010 > Etat Kanzleramt
In einem harten Schlagabtausch haben die Oppositionsfraktionen am Mittwoch, 24. November 2010, der Regierungskoalition in der Generalaussprache zum Kanzleretat für 2011 eine soziale Spaltung der Gesellschaft und Klientelpolitik vorgeworfen. "So viel Durcheinander, Orientierungslosigkeit, so viel Unernst war noch nie“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Frank Walter Steinmeier, der als erster Redner in der rund dreieinhalbstündigen Debatte sprach. Die Regierung bediene schamlos die eigene Klientel, statt sich um das Allgemeinwohl zu kümmern. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) hob in ihrer Rede die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt und im Kampf gegen die Finanzkrise hervor. "Wir haben ein starkes Deutschland, und unser Auftrag ist: Wir wollen, dass Deutschland stark bleibt“, sagte sie unter Beifall der Fraktionen von CDU/CSU und FDP. Die Vorwürfe der SPD wies sie zurück und bezeichnet diese als abenteuerlich.
Höhepunkt der viertägigen Haushaltsberatungen ist traditionell die Generalaussprache zum Haushalt des Bundeskanzleramtes (17/2500, 17/2502, 17/3504, 17/3523), in dem die Opposition mit der Regierungspolitik abrechnet. Mit 314 von 588 abgegebenen Stimmen wurde der Einzelplan 04 angenommen. 274 Abgeordnete votierten dagegen. Es gab keine Enthaltungen.
Die Bundeskanzlerin betonte: "Wir sind für eine starke Wirtschaft, einen starken Staat und ein starkes Gemeinwesen.“ Der SPD hielt sie vor, in einem "affenartigen Tempo“ Abschied von zukunftsweisenden Entscheidungen wie der Rente mit 67 und der Agenda 2010 genommen zu haben.
Die Bundeskanzlerin betonte, Deutschland sei auf einem Wachstumspfad und die Arbeitslosigkeit sei auf unter drei Millionen gesunken sei. "Das darf uns nicht ruhen lassen“, sagte sie. Jedoch hätten jetzt mehr Menschen eine Arbeit als vor der Wirtschaftskrise.
Merkel verteidigte zugleich die Haushaltskonsolidierung und die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse. "Deutschland ist ein Beispiel, was Stabilität anbelangt“, sagte sie. Der SPD hielt sie mangelnde Solidarität innerhalb Europas vor. Zweimal habe sich die SPD-Fraktion enthalten, als in einer zentralen Stunde Europas über die Griechenlandhilfe beraten worden sei. "Darüber wird die Geschichte richten“, sagte Merkel.
Die Kanzlerin betonte, jetzt müssten alle Vorkehrungen getroffen werden, damit die Fehler, die zu der Finanzkrise geführt hätten, nicht noch einmal passierten. Bei der Neugestaltung der Finanzmarktarchitektur sei schon viel erreicht worden.
SPD-Fraktionschef Steinmeier hielt dagegen, dass in einem Jahr schwarz-gelbe Koalition das Vertrauen der Wähler restlos verschleudert worden sei. Der Bundesregierung warf er kleinkarierten Profilierungsstreit statt ernsthafter Politik vor. Besonders scharf griff Steinmeier die Gesundheitsreform an.
"Das ist die Aufkündigung des Solidarprinzips“, sagte er. Alle steigenden Kosten würden einseitig den Versicherten aufgebürdet. "Dieses Land wird weit unter seinen Möglichkeiten regiert. Das ist Ihre Verantwortung“, sagte er an die Adresse der Bundeskanzlerin.
Mit scharfen Worten griff auch die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, die Gesundheitsreform an. "Das ist Spaltung der Gesellschaft“, sagte sie. Die Regierungskoalition betreibe eine gnadenlose Klientelpolitik für die Pharmaindustrie und die Atomlobby.
„Ihr Haushaltsentwurf ist der soziale und ökologische Offenbarungseid“, kritisierte Künast. Sie wehrte sich gegen den Vorwurf, die Grünen würden keine Verhandlungsbereitschaft bei dem im Rahmen der Neuregelung der Hartz-IV-Sätze verabschiedeten Bildungspaket für Kinder zeigen. Das Bildungspaket sei eine reine Sachleistung und keine Reform, sagte Künast.
Die Vorsitzende der Partei Die Linke, Dr. Gesine Lötzsch, hielt der Regierungskoalition vor, sie bremse mit dem Bundeshaushalt die wirtschaftliche Entwicklung aus und treibe die Spaltung in Deutschland voran. Zuvor gemachte Versprechen seien gebrochen und den Menschen Sand in die Augen gestreut worden, sagte sie. Tatsächlich gebe es in Deutschland rund 4,8 Millionen Arbeitslose.
Lötzsch sprach von einer "schändlichen und verlogenen Politik“ und bekräftigte die Forderung, den Regelsatz von Hartz IV auf mindestens 416 Euro monatlich zu erhöhen. Löhne müssten zum Leben reichen. "Deshalb brauchen wir endlich den Beschluss über die Einführung von Mindestlöhnen“, sagte Lötzsch.
Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger verteidigte die Sparanstrengungen im Bundeshaushalt als notwendig und angemessen. Der Konjunkturmotor sei in Deutschland angesprungen, sagte sie. Zudem habe die Bundesregierung große Anstrengungen beim Euro-Stabilitätspakt unternommen, um eine harte Gemeinschaftswährung zu sichern.
Den Grünen hielt sie vor, immer nur gegen alle Entscheidungen zu sein. "Es geht Ihnen nicht um die Sache. Es geht Ihnen nur um Protest“, sagte Homburger.
Auch der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder sagte, die Grünen seien die "Dagegen-Partei“. Die Opposition habe bislang keine zukunftsführenden Vorschläge gemacht.
Kauder verwies auf die soziale Ausgewogenheit des Bundeshaushalts. Jeder zweite Euro werde für soziale Maßnahmen ausgegeben, sagte er. (sn)