Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2010 > Entscheidungen 2010
Im Jahr 2010 hat der Bundestag unter anderem Gesetze zur Griechenland- und zur Irlandhilfe sowie zum Euro-Rettungsschirm und Haushaltsgesetze für 2010 und 2011 beschlossen. Weitere wichtige Beschlüsse betrafen das Haushaltsbegleitgesetz 2011 mit wesentlichen Bestandteilen des sogenannten Sparpakets, die Gesundheitsreform und die Reform der Hartz-IV-Regelsätze, die nach dem Scheitern im Bundesrat Gegenstand eines laufenden Vermittlungsverfahrens ist. Darüber hinaus hat das Parlament Bundeswehrmandate im Ausland verlängert.
Weil die Bundestagswahl im Herbst 2009 in die Zeit der Haushaltsberatungen für 2010 gefallen war, holte der Bundestag die Etatberatungen für das dann schon laufende Jahr in den Wintermonaten nach. Am 19. März verabschiedete er das Haushaltsgesetz 2010, das Ausgaben von 319,5 Milliarden Euro und eine Nettoneuverschuldung von 80,2 Milliarden Euro vorsah. Ein gutes halbes Jahr später hatte sich die Situation bereits entspannt. Das am 26. November verabschiedete Haushaltsgesetz 2011 wies nur noch eine Neuverschuldung von 48,4 Milliarden Euro aus und umfasste Ausgaben des Bundes von 305,8 Milliarden Euro (17/623, 17/624, 17/625; 17/3523, 17/3524, 17/3525).
Mehrere Sparmaßnahmen enthält das Haushaltsbegleitgesetz 2011, das der Bundestag im Oktober auf den Weg gebracht hat, nachdem der Haushaltsausschuss den Regierungsentwurf an einigen Stellen geändert hatte. Beschlossen ist damit unter anderem eine Luftverkehrssteuer pro Passagier für Abflüge in Deutschland sowie die Streichung der Rentenversicherungspflicht von Hartz-IV-Empfängern sowie des Elterngeldes für Bestverdiener ab 250.000 Euro Jahreseinkommen (17/3030, 17/3361) (17/3406, 17/3452).
Künftig können Pharmaunternehmen den Preis für neue Arzneimittel nur noch für ein Jahr selbst festlegen und nur, wenn das Medikament nachweislich einen Zusatznutzen gegenüber bereits eingeführten Präparaten hat. Nur dann übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen bei Verschreibung die Kosten. Diesem ersten Teil der Gesundheitsreform stimmte der Bundestag am 11. November 2010 zu. So soll die gesetzliche Krankenversicherung künftig rund zwei Milliarden Euro einsparen. Im Juni wurden bereits die Preise für Medikamente bis Ende 2013 auf dem Stand vom 1. August 2009 eingefroren, um die Krankenkassen zu entlasten (17/2413, 17/3116, 17/3211, 17/3698).
Einen Tag später, am 12. November, beschloss der Bundestag das Gesetz zur "nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung" der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit steigt zum 1. Januar 2011 der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung von 14,9 auf 15,5 Prozent. Arbeitnehmer zahlen künftig 8,2 und Arbeitgeber 7,3 Prozent des Beitrags. Künftige Beitragssatzerhöhungen müssen die Arbeitnehmer allein finanzieren (17/3040, 17/3696).
40 Einsprüche gegen die Bundestagswahl 2009 lehnte der Bundestag am 7. Oktober wegen Unbegründetheit oder Unzulässigkeit zurück. Insgesamt sind 163 Wahleinsprüche eingegangen.
73 Wahlprüfungsverfahren hat der Bundestag bereits abgeschlossen, weitere Einsprüche wird der Wahlausschuss noch prüfen (17/3100).
Das Verbot von Werbung für Tabak in den Medien wurde ausgeweitet. Seit dem 13. Juli 2010 dürfen auch audiovisuelle Mediendienste und Sendungen nicht mehr von Tabakunternehmen gesponsert werden.
Zudem ist die Platzierung von Tabakerzeugnissen in einer Fernsehsendung gegen Entgelt oder Gegenleistung verboten (17/719, 17/996, 17/1257).
Der Bundestag will Finanzmarktspekulationen eindämmen und verbietet Finanztransaktionen, die eine Bedrohung für die Stabilität der Märkte darstellen. Mit dem Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivatgeschäfte sind ungedeckte Leerverkäufe von Schuldtiteln von Staaten der Eurozone ebenso untersagt wie der Handel mit Kreditausfallversicherungen.
Intraday-Geschäfte, die innerhalb eines Tages abgeschlossen werden, sind vom Verbot ausgenommen. Bestimmte schädliche Finanzinstrumente kann das Parlament per Verordnung verbieten (17/1952, 17/2336).
Nach den Bankenpleiten der Finanzkrise beschloss der Bundestag ein Verfahren zur Sanierung von Banken, um Schieflagen vor Insolvenzen zu beseitigen. Um bei Risiken das Finanzsystem zu stabilisieren, schreibt der Gesetzgeber auch einen Fonds vor, womit angeschlagene, relevante Banken restrukturiert und abgewickelt werden können. Sämtliche Kreditinstitute müssen dafür eine Abgabe leisten (17/3024, 17/3362) (17/3240, 17/3547).
Bonuszahlungen an Manager von Banken und Versicherungen werden gesetzlich begrenzt. Das beschloss der Bundestag noch vor der parlamentarischen Sommerpause (17/1291, 17/1457).
Mit der BAföG-Novelle, die vom Parlament im Juni verabschiedet wurde, erhöhen sich die Bedarfssätze um zwei Prozent und die Freibeträge um drei Prozent (17/1551).
Eingeführt wurde auch ein Stipendienprogramm, das bis zu acht Prozent der Studierenden an deutschen Hochschulen ein Stipendium von 300 Euro im Monat ermöglichen soll (17/1552).
Im Oktober ermächtigte der Bundestag einstimmig per Gesetz den deutschen Vertreter im Rat der EU, dass er dem Vorschlag für die Verordnung über Finanzbeiträge der EU zum Internationalen Fonds für Irland zustimmen darf (17/2629).
Deutschland beteiligt sich auch an Finanzhilfen der Euro-Länder für Griechenland. Am 8. Mai ist das Währungsunion-Stabilisierungsgesetz in Kraft getreten. Das dreijährige Hilfsprogramm umfasst 110 Milliarden Euro. Der deutsche Anteil beträgt rund 22,4 Milliarden Euro, davon 8,4 Milliarden im ersten Jahr. Es handelt sich um Bürgschaften für Kredite durch die bundeseigene KfW-Bankengruppe an Griechenland. Griechenland muss dieses Geld mit Zinsen an die KfW-Bankengruppe zurückzahlen (17/1544).
Die Europäische Union und Euroländer wollen zusammen Finanzhilfen in Höhe von 500 Milliarden Euro mobilisieren, um den Euro umfassend zu stabilisieren. Deutschland wird sich an dem Euro-Schutzschirm mit einem Bürgschaftsanteil von bis zu 123 Milliarden Euro beteiligen.
Das genehmigte der Bundestag am 21. Mai 2010. Bei unvorhergesehenem oder unabweisbarem Bedarf könnte die Garantieermächtigung mit Einwilligung des Haushaltsausschusses um 20 Prozent überschritten werden (17/1685) 17/1740, 17/1741).
Nach monatelangem Streit über das Energiekonzept der Bundesregierung stimmte der Bundestag am 28.Oktober 2010 über die Gesetzesvorlagen der Regierungskoalition namentlich ab. Mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit wurde die Novelle des Atomgesetzes angenommen. Damit wurden die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert. Neue Kernkraftwerke werden nicht mehr genehmigt. Die 27 Änderungsanträge der Grünen lehnte das Parlament ab.
Beschlossen wurde auch die Kernbrennstoffsteuer, die den Verbrauch von Kernbrennstoffen besteuert und dem Bundeshaushalt jährlich 2,3 Milliarden Euro einbringen soll. Nach dem Energiekonzept sollen bis 2050 etwa 80 Prozent des Stroms aus Öko-Energien erzeugt werden.
Zur Stromerzeugung aus flüssiger Biomasse darf ab 2011 nur solche aus nachhaltiger Herstellung verwendet werden, wenn der erzeugte Strom nach den Maßgaben des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vergütet werden soll. Das beschloss der Bundestag am 17. Juni (17/1750, 17/2182).
Die Förderung der Stromgewinnung aus Sonnenenergie wurde per Gesetz reduziert. Die Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beendet eine "Überförderung" von Solarstrom. Darüber hinaus wird der Direktverbrauch von Strom aus Solarenergie künftig stärker gefördert (17/1147, 17/1604).
In einer Verordnung werden erstmals Luftqualitätswerte für besonders gesundheitsschädliche Feinstäube festgelegt. Wenn der Zielwert künftig überschritten ist, wird ein Luftreinhalteplan erforderlich.
Natürliche Emissionen wie das Salz in der Luft bei Seebändern sollen in die Berechnung der Emissionshöchstmengen nicht einfließen (17/508) 17/768).
Besonders kontrovers wurden im Herbst die neuen Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger beraten. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 war die Bundesregierung gezwungen, einen Gesetzentwurf (17/3404) über die Neuberechnung der Leistungen vorzulegen. Am 3. Dezember wurde ein neues Verfahren der Ermittlung der Hartz-IV-Regelsätze beschlossen, wonach Alleinstehende ab dem 1. Januar 2011 fünf Euro monatlich erhalten und damit 364 statt 359 Euro erhalten.
Zudem wurde für Kinder und Jugendliche ein Bildungspaket in Höhe von 620 Millionen Euro geschnürt, damit diese eine angemessene Lernförderung erhalten sowie an Vereinsaktivitäten teilnehmen können. Zum Gesetz läuft ein Vermittlungsverfahren im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, nachdem der Bundesrat seine Zustimmung verweigert hatte.
Bereits am 22. April hatte der Bundestag beschlossen, eine Härtefallregelung bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende in das Sozialgesetzbuch aufzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht hatte am 9. Februar 2010 eine solche Regelung gefordert.
Danach erhalten "erwerbsfähige Hilfebedürftige" einen Mehrbedarf zugestanden, wenn im Einzelfall ein "unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf" besteht (17/983, 17/1465).
Zum Ausgleich krisenbedingter Mindereinnahmen der gesetzlichen Krankenkassen zahlt der Bund 2010 insgesamt 3,9 Milliarden als Zuschuss an den Gesundheitsfonds. Das ist eine Maßnahme des am 5. März verabschiedeten Gesetzes zur Stabilisierung der Finanzlage der Sozialversicherungssysteme.
Zudem gibt es Zuschüsse für die Arbeitsagenturen, um den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung stabil zu halten. Für Arbeitslose in der Grundsicherung wurden die Freibeträge für Altersvorsorgevermögen erhöht (17/507, 17/814).
Der Bundestag beschloss im Februar 2010 mit 429 Ja-Stimmen bei 111 Nein-Stimmen und 46 Enthaltungen die einjährige Aufstockung des Isaf-Truppenkontingents der Bundeswehr in Afghanistan bis zum 28. Februar 2011. Statt bisher 4.500 gehören 5.350 Soldaten zum Kontingent, von denen 350 als "flexible Reserve" gelten.
Der Bundestag hat zudem die Bundeswehrmandate im Libanon (17/1905), im Sudan (17/1901, 17/1902), im Mittelmeer (17/3690) und vor Somalia (17/3691)sowie in Bosnien-Herzegowina (17/3692) und im Kosovo (17/1683) verlängert.
Der Bundestag hat am 25. März den FDP-Abgeordneten Hellmut Königshaus zum neuen Wehrbeauftragten des Bundestages und Nachfolger von Reinhold Robbe gewählt. Von 579 Abgeordneten stimmten in geheimer Wahl 375 für Königshaus, 163 gegen ihn. 41 Abgeordnete enthielten sich der Stimme.
Die Wehrpflicht dauert seit dem 1. Juli 2010 nur noch sechs statt neun Monate. Das beschloss der Bundestag am 17. Juni (17/1953, 17/2174).
Der Bundestag forderte im März die Bundesregierung auf, für allgemeine und weltweite Abrüstung einzutreten und dazu eine neue Dynamik bei Rüstungskontroll- und Abrüstungsvereinbarungen in Gang zu setzen (17/1159). Mit einem anderen Antrag fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, die Initiativen für die weltweite Ächtung der Todesstrafe voranzutreiben und sich für die Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen (17/2331,17/3181).
Am 17. Dezember nahm das Parlament gegen das Votum der Opposition einen Koalitionsantrag an, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, sich weltweit für Religions- und Glaubensfreiheit einzusetzen (17/2334).
Der Bundestag setzte auf Antrag der Oppositionsfraktionen einen Untersuchungsausschuss zum geplanten Atomendlager Gorleben ein. Das Gremium soll klären, auf welcher Grundlage das Bundeskabinett 1983 beschlossen hatte, sich bei der Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle aus der Kernenergie auf Gorleben zu beschränken und keine alternativen Standorte zu prüfen.
Im März hatte der Bundestag eine neue Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" eingesetzt (17/950), im Dezember die Einsetzung einer zweiten Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" beschlossen (17/3853). (sq)