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Führende Köpfe aus Politik und Wissenschaft haben am Montag, 10. Januar 2011, in der Akademie für Politische Bildung Tutzing über die Zukunft der deutschen Sprache in Forschung und Lehre diskutiert. Eröffnet wurde die Tagung "Deutsch in der Wissenschaft" von Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert (CDU). In seinem Vortrag über "Sprache. Und Politik" forderte er erneut, Deutsch als Landessprache im Grundgesetz zu verankern.
"Bei den 58 Änderungen des Grundgesetzes, die es seit 1949 gegeben hat, fallen mir keine fünf Änderungen ein, die es an Bedeutung und Rang mit der Sprache als Mittel der Selbstverständigung und der Identität eines Landes aufnehmen können", betonte Lammert. "Wenn die Politik mitverantwortlich sein will für die Förderung der Sprache des Landes, muss sie das im Grundgesetz klarstellen."
Deutsch als Landessprache ist Bestandteil der Verfassungen Österreichs und der Schweiz. Die Parteien könnten sich an diesem Beispiel orientieren und so die gesamte Gesellschaft stabilisieren. Ein Zeichen fehlenden Selbstbewusstseins sei die Aufnahme der Landessprache Deutsch ins Grundgesetz jedenfalls nicht.
Was den Schutz und die Pflege der deutschen Sprache in der Europäischen Union angeht - dort gelten 23 Amtssprachen, die Geschäftssprachen Englisch, Französisch und nur unter ferner liefen auch Deutsch -, so hofft Lammert "auf eine ähnliche Hartnäckigkeit unserer Politiker wie die der französischen Administration".
Er meint damit: Sollten EU-Gesetze dem Bundestag nicht in deutscher Sprache vorliegen, könne man deren Behandlung auch einmal aussetzen. Geschehen war das bereits bei der Ratifikation des EU-Beitritts von Bulgarien und Rumänien mit der Begründung, die Politiker könnten solche komplexen Sachverhalte nur dann beraten, wenn sie in ihrer eigenen Muttersprache vorliegen.
Lammert geht es nicht darum, die Vielsprachigkeit einzugrenzen - vielmehr möchte er die Statusminderung der deutschen Sprache aufhalten. Dabei nimmt der Bundestagspräsident auch die Wissenschaft in die Pflicht: "Nicht jeder Forscher spricht und versteht fließend Englisch und publiziert trotzdem in vorauseilendem Gehorsam in der Fremdsprache."
Dabei gehe eine Menge Präzision verloren. "Dass selbst für die Evaluierung germanistischer Forschungsprojekte sich zunehmend Englisch als scheinbar naheliegendes Verständigungsmittel durchsetzt, gehört zu der begrenzt skurrilen Ausprägung dieses allgemeinen Trends. Für keine andere Sprache haben wir eine ähnliche, eine auch nur vergleichbare Verpflichtung wie für die eigene. Wer eigentlich sonst, wenn nicht wir, soll sich um Deutsch als Sprache und die Zukunftsperspektiven dieser Sprache kümmern?", fragte Lammert.
Die Anregungen des Bundestagspräsidenten fanden sich auch in der Podiumsdiskussion am Dienstag, 11. Januar, wieder. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte, es sei nicht nötig, Deutsch als Landessprache ins Grundgesetz aufzunehmen.
Die Verwendung der Sprache sei rechtlich klar geregelt, auch wenn man in der praktischen Politik - vor allem der europäischen - täglich um sie kämpfen müsse. Gesetzesvorlagen nicht zu bearbeiten, wenn sie nicht in der Landessprache vorgelegt werden, hält sie zwar im Bundestag für möglich, in einem Ministerium aber nicht: "Denn gerade hier müssen wir schnell reagieren“, erklärte Leutheusser-Schnarrenberger.
Über den Zusammenhang von Sprache und Kultur sprach die Berliner Bundestagsabgeordnete Monika Grütters (CDU). Das Staatsziel Kultur und die Landessprache Deutsch ins Grundgesetz aufzunehmen sei weit mehr als "ein Verfassungsschnörkel“. Mehrsprachigkeit sei auf der anderen Seite das "Gegengift“ gegen nationales Schubladendenken.
Die Vorsitzende des Kultur- und Medienausschusses im Deutschen Bundestag plädiert dafür, in Kultur und Wissenschaft keine Sprachflucht zu betreiben. "Da haben wir einiges zu verlieren“, sagte Grütters und erinnerte an die Vorreiterrolle deutscher Forschung in den Bereichen Philosophie, Jura oder Kunstgeschichte.
Die frühere Bundestagsvizepräsidentin Dr. Antje Vollmer (Bündnis 90/Die Grünen) erwartet in diesem Zusammenhang konkrete Forderungen aus der Wissenschaft, um die Zukunft der Sprache in die öffentliche Diskussion zu bringen.
Bundestagsvizepräsident Dr. Wolfgang Thierse (SPD) machte auf einen krassen Widerspruch aufmerksam: "Einerseits verachtet die Wissenschaft geradezu unsere Sprache, andererseits redet die Politik ständig von der Notwendigkeit, Deutsch zu lernen. Das ist keine Einladung zu einer funktionierenden Integration.“ Internationalität in der Wissenschaft bedeute nicht Einsprachigkeit auf Englisch, sondern intensiven Austausch, egal in welcher Sprache.
Für Thierse soll das auch praktische Folgen haben, denn er fordert: "Wo unsere Steuergelder zum Beispiel für die Forschung verwendet werden, sollten die Anträge auch nur noch in deutscher Sprache eingereicht werden.“ Außerdem plädiert Thierse dafür, die Sprachpolitik nicht weiter zu tabuisieren. Denn sie finde trotz allem Gerede von "Zwangsgermanisierung“ ständig statt. (ch/sh)