Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2011 > Aktuelle Stunde Adolf Eichmann
Eine Aktuelle Stunde auf Verlangen der Linksfraktion hat am Mittwoch, 19. Januar 2011, für Streit unter den Bundestagsfraktionen über die richtige Aufarbeitung der Vergangenheit des Bundesnachrichtendienstes (BND) und seines Vorläufers, der "Organisation Gehlen“, gesorgt. Die Fraktion hatte die Aktuelle Stunde beantragt, weil sie unzufrieden war mit den Antworten der Bundesregierung auf zwei Fragen des Abgeordneten Jan Korte (Die Linke).
Korte hatte gefragt, wer nach Auffassung der Bundesregierung die politische Verantwortung dafür trägt, dass die bei der "Organisation Gehlen“ schon 1952 vorhandenen Informationen zum Aufenthaltsort des NS-Verbrechers Adolf Eichmann in Argentinien seitens der Bundesregierung nicht genutzt beziehungsweise an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden des Bundes oder befreundeter Staaten weitergegeben wurden.
Korte nahm dabei Bezug auf verschiedene Medienberichte der vergangenen Wochen sowohl über den Aufenthalt von Adolf Eichmann und die Tatsache, dass mit Klaus Barbie einer der wichtigsten Verbrecher des Nationalsozialismus in Diensten des BND gestanden hat, und fragte, wo die "Empörung“ der Bundesregierung über diese "unfassbaren Vorgänge“ bleibe.
Sie müsse darauf mit der "schonungslosen Offenlegung der Akten“ reagieren; darauf hätten nicht zuletzt die Opfer des Holocaust und ihre Angehörigen ein Recht. Es müsse auch diskutiert werden, wer für diese Vorgänge die politische Verantwortung trage.
Abgeordnete der schwarz-gelben Koalition warfen Korte vor, eine "unnötige“ Aktuelle Stunde einberufen zu haben. Für den Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Manfred Grund, versucht die Linksfraktion, den BND ins "Zwielicht zu rücken".
Die Vorgänge um Eichmann seien gerade im Innenausschuss diskutiert worden und stünden in der kommenden Woche auf der Tagesordnung des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das für das Thema zunächst zuständig sei. Grund betonte, Nachrichtendienste könnten naturgemäß nicht alle ihre Quellen offenlegen.
Für die Liberalen warf der innenpolitische Experte der Fraktion, Stefan Ruppert, Korte vor, die Vergangenheitsbewältigung seiner eigenen Fraktion sei "so defizitär“, dass sie sich "schämen“ müsse.
Sie sei "nicht an ernsthafter historischer Vergangenheitsbewältigung“ interessiert, sondern führe einen "Entlastungsangriff“, weil sie mit ihrem Nachdenken über "Wege zum Kommunismus“ in die Kritik geraten sei. Nachrichtendienste hätten ein legitimes Geheimhaltungsinteresse, deshalb könnten nicht alle Dokumente offengelegt werden.
Auch Michael Hartmann, Obmann der SPD-Fraktion im ehemaligen BND-Untersuchungsausschuss, sagte, es sei zwar gut, wenn es im Bundestag zu "spontanen Debatten“ komme, er frage sich aber, ob dieser Anlass gerechtfertigt sei.
An die Adresse der Linksfraktion empfahl Hartmann, die Biografien einzelner Abgeordneter in ähnlicher Weise aufzuarbeiten, wie es jetzt mit den Akten des BND gefordert werde. Seine Fraktion werde sich nicht an einem "BND-Bashing beteiligen“; der Nachrichtendienst erfülle "unerlässliche Aufgaben“ und arbeite ebenso wenig wie andere Geheimdienste "im luftleeren Raum“.
Es sei eine Historikerkommission zur Aufarbeitung der BND-Vergangenheit eingesetzt worden und nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts müsse genau begründet werden, "was nicht vorgelegt wird“. Man dürfe aber nicht vergessen, dass der BND für seine Arbeit auf die Arbeit mit Partnerdiensten und damit auf Geheimhaltung angewiesen sei.
Hartmann rief die anderen Abgeordneten dazu auf, "nicht vorauseilend ungehorsam“ zu sein. Er sei davon überzeugt, dass die Aufarbeitung der BND-Vergangenheit "gründlich und solide“ erfolgen werde.
Für Bündnis 90/Die Grünen sagte deren rechtspolitischer Sprecher Jerzy Montag, er würde sich wünschen, dass der BND "von sich aus“ ein Symposium organisiere und selbst offenlege, welche Informationen er "im Keller“ habe. Solange dies nicht geschehe, müsse man befürchten, dass es weitere Fälle wie den Eichmanns gebe. Er wolle "von der Exekutive mit Material“ ausgestattet werden und nicht von der Presse.
Montag plädierte mit Blick auf die Linksfraktion auch dafür, die Debatte um die NS-Vergangenheit nicht "im gleichen Atemzug“ mit der Aufarbeitung des DDR-Unrechts zu führen. (suk)