Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2011 > Fachkräfteeinwanderung
Kontrovers diskutiert hat der Bundestag am Donnerstag, 27. Januar 2011, in erster Lesung einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/3862), die Fachkräfte-Einwanderung künftig durch ein Punktesystem zu regeln. Während SPD und FDP in der zweistündigen Debatte grundsätzliche Zustimmung zu dem Antrag signalisierten, der zur weiteren Beratung federführend an den Innenausschuss überwiesen wurde, lehnten ihn die Unions- und die Linksfraktion ab.
Für die Bündnisgrünen führte Memet Kilic aus, dass nur die gezielte Einwanderung von qualifizierten Arbeitskräften dazu beitragen könne, die Folgen des absehbaren Alterungsprozesses der Gesellschaft abzumildern. Schon jetzt gebe es in einigen Branchen wie etwa dem Pflegebereich Personalnot.
Ein geeignetes Instrument, um die Zuwanderung von Fachkräften zu steuern, sei ein Auswahlverfahren mit Punktesystem, wie es sich in Ländern wie Kanada und den USA bewährt habe.
Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) hingegen lehnte die Einführung eines solchen Punktesystems ab. Nicht mehr Zuwanderung, sondern mehr Integration sei das Gebot der Stunde, meinte der Vorsitzende des Innenausschusses.
Der Unionsabgeordnete wies auch auf die problematischen Folgen der gezielten Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte für die Herkunftsländer vor allem in der Dritten Welt hin.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sei es wichtig, mehr in eine gute Bildungspolitik und in die berufliche Bildung der hier lebenden Menschen zu investieren. Auch dürften ältere Arbeitnehmer nicht länger systematisch aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden.
"Das beste Mittel gegen den Fachkräftemangel ist die Qualifikation und Vermittlung inländischer Arbeitskräfte“, so Bosbach.
Rüdiger Veit (SPD) hingegen sieht seine Fraktion "in der Tendenz“ beim früheren Koalitionspartner. "Wo die Grünen nun einmal recht haben, haben sie recht“, so der Sozialdemokrat.
"Wir werden älter, wir werden weniger, der Wanderungssaldo ist negativ.“ Auch die Auffassung, die Fachkräftezuwanderung durch ein Punktesystem zu regeln, halte seine Fraktion für richtig.
Dennoch gebe es in der Position der SPD auch "gewisse Unterschiede zu den Grünen“. Bevor man jetzt in großer Zahl Zuwanderung organisiere, müsse zunächst alles getan werden, um den drei Millionen Arbeitslosen - darunter 300.000 bis 600.000 Ausländer, die ohne Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse in Deutschland lebten - zu einem Job zu verhelfen.
"Wir brauchen eine Allianz für inländische Fachkräfte“, rief Veit und forderte die Unternehmen auf, flexiblere Arbeitszeitmodelle zu schaffen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern und für attraktive Löhne zu sorgen.
Große Übereinstimmung mit den grünen Positionen gab es auf Seiten der Liberalen. "Der Auftrag ist klar: Wir brauchen mehr qualifizierte Zuwanderung“, sagte etwa Johannes Vogel (FDP) und verwies unter anderem auf die demografische Entwicklung. Auch die gezielte Steuerung durch ein Punktesystem fand der Parlamentarier überzeugend.
Letztlich aber, so Vogel, sei nicht entscheidend, für welches System man sich entscheide, sondern ob es funktioniere. Klar sei, dass Deutschland im Wettbewerb um die besten Köpfe nicht gut genug sei. Das liege auch daran, dass das bisher geltende deutsche System zu kompliziert sei. "Wir brauchen mehr Transparenz und Klarheit“, forderte der Abgeordnete.
Rundum abgelehnt wurde das Punktesystem von der Linksfraktion. Deren Abgeordnete Sevim Dagdelen warf Kilic und seinen Fraktionskollegen vor, sie würden Einwanderer lediglich als Ware verstehen, die es ausschließlich nach ihrem ökonomischen Nutzen zu bewerten gelte.
Dass es einen Fachkräftemangel gebe, sei zudem ein Mythos, so Dagdelen. Wenn dem so wäre, müsste sich das in der Lohnentwicklung zeigen. "Doch die Löhne sinken, also gibt es keinen Fachkräftemangel“, schlussfolgerte die Parlamentarierin.
Deutschland habe genügend Fachkräfte, aber sie verließen zunehmend Deutschland, fügte die Abgeordnete hinzu. Das sei die bittere Erkenntnis aus dem am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedeten Migrationsbericht: "Deutschland ist ein Auswanderungsland“.
Um die Ausbildung von Fachkräften in ausreichender Zahl sicherzustellen und zu verhindern, dass sie ins Ausland abwandern, seien eine gesetzliche Ausbildungsplatzumlage und ein gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von zehn Euro notwendig. (nal)