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Kritisch hat sich am Donnerstag, 27. Januar 2011, die Kernkraftgegnerin Marianne Fritzen im Gorleben-Untersuchungsausschuss über die Informationspolitik bei der Erkundung des Standorts Gorleben geäußert. „Die Öffentlichkeit wurde nie richtig informiert“, sagte die frühere Mitgründerin und Sprecherin der Bürgerinitiative Umweltschutz e.V. Lüchow-Dannenberg.
Der Gorleben-Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung aus dem Jahr 1983, sich bei der Suche nach einem Endlager für radioaktiven Müll auf den Standort Gorleben zu beschränken, zu Manipulationen und politischen Einflussnahmen auf Wissenschaftler kam.
"Schon vor der Entscheidung der Bundesregierung im Juli 1983 erfuhren wir, dass die Aufträge für die Schachtvorbohrungen bereits vergeben gewesen waren“, sagte Fritzen. Daraufhin habe die Bürgerinitiative ihre Teilnahme an Informationsveranstaltungen mit den Behörden abgesagt.
Die 86-Jährige sagte: "Die Probebohrungen waren geheim, aber wir wollten informiert sein.“ Teilweise sei dies indirekt geschehen. So habe zum Beispiel der Hamburger Geschichtsprofessor Helmut Bley während einer Zugfahrt im Intercity zufällig einer Diskussion im Speisewagen zugehört, in dem Vertreter der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und Ministeriumsvertreter die Breite der geplanten Erkundungsschachte diskutiert hätten.
"Die sollten gleich so gestaltet werden, dass man sie später auch nutzen kann“, sagte Fritzen. Ferner berichtete sie von Beschattungen, derer sie und andere Aktivisten der Bürgerinitiative ausgesetzt gewesen seien. "Es gab eine regelrechte Spurendokumentation“, sagte Fritzen. Ihr Vertrauen in Politiker habe sie durch den Jahrzehnte währenden Konflikt rund um das Erkundungswerk in Gorleben verloren.
Niedersachsens langjähriger Sozialminister Hermann Schnipkoweit (CDU) hatte zuvor vor dem Ausschuss die Entscheidung der damaligen Landesregierung für Gorleben als Kandidat einer atomaren Endlagerstätte verteidigt. "Ich habe bis heute noch niemanden kennengelernt, der einen anderen Standort vorschlägt“, sagte er. "Wir haben für Gorleben entschieden, weil wir den Standpunkt hatten, dort sei der beste Salzstock.“ Und Wissensstand sei gewesen, dass Salz sich am besten als Wirtsgestein für radioaktiven Müll eigne.
Das niedersächsische Kabinett unter Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) hatte Ende der siebziger Jahre für Gorleben als möglichen Standort plädiert.
Der Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestags untersucht, ob die Bundesregierung bei ihrer späteren Entscheidung im Jahr 1983 für Gorleben als einziger zu untersuchender möglicher Standort für radioaktiven Müll politischen Einfluss auf Wissenschaftler genommen hat und ob es zu Manipulationen gekommen ist.
Schnipkoweit, in dessen Ministerressort die Atomaufsicht Ende der siebziger Jahre fiel, sagte vor dem Ausschuss, für ihn als ehemaligen Bergmann sei es immer wichtig gewesen, einen "unverritzten“ Salzstock vorzuziehen; so heißt untertägiges Gelände, in dem noch kein Bergbau betrieben worden ist.
"Eine interessante Geschichte war auch, dass mit einer möglichen Anlage viele Jobs geschaffen worden wären“, sagte er. Gorleben lag in einem an Infrastruktur armen Zonenrandgebiet. "Das ist auch eine kleine Überlegung dabei gewesen“, sagte Schnipkoweit. Ursprünglich sei nicht nur ein Endlager geplant gewesen, sondern ein größerer nuklearer Komplex samt Wiederaufarbeitungsanlage.
Während der Ausschusssitzung hielten die SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linksfraktion Schnipkoweit ministerielle Vermerke vor, die Zweifel an der Eignung Gorlebens beschrieben. Zu einem Vermerk aus seinem Ministerium aus dem Jahr 1980, der Bedenken wegen bei Probebohrungen vorgefundener Anhydritschichten äußerte, sagte Schnipkoweit: "Das habe ich bestimmt nicht geschrieben.“
Auch an einen Vermerk vom 3. Juli 1983 könne er sich nicht erinnern, sagte er. Dort wurden Zweifel an der Sicherheit des Gorlebener Salzstocks geäußert, weil die Wissenschaftler auf Gas gestoßen waren. "Selbst wenn es so ist, heißt das nicht, dass der Salzstock ungeeignet ist“, sagte Schnipkoweit.
Der Vermerk aus dem Landeswirtschaftsministerium, abgestimmt mit Schnipkoweits Sozialressort, beschrieb weiterhin eine Diskussion in der Bundesregierung über mögliche andere Standorte als Gorleben - wegen dieser Bedenken. "Daran habe ich keine Erinnerung“, sagte der 82-Jährige.
Vor dem Ausschuss verteidigte der Minister von 1976 bis 1990 auch die Entscheidung, den Gorlebener Salzstock nach Bergrecht zu erkunden - und nicht nach Atomrecht; letzteres hätte die Öffentlichkeit mehr einbezogen. "Mit den Bergämtern wurden Behörden einbezogen, die etwas davon verstehen“, sagte er. "Die Bergbehörden achten immer besonders stark auf Sicherheit.“ Zur atomrechtlichen Alternative merkte er an: "Ob Öffentlichkeit immer notwendig ist, kann man auch anders sehen.“ (jr)