Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2011 > Aktuelle Stunde zum Thema "Frauenquote"
Einhellig hat die Opposition in einer auf Initiative der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angesetzten Aktuellen Stunde am Donnerstag, 10. Februar 2011, für eine gesetzliche Frauenquote bei der Besetzung von Führungspositionen in der Wirtschaft plädiert. Hintergrund der Debatte sind unterschiedliche Auffassungen von Bundesarbeitsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) und Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder (CDU) darüber, ob Unternehmen per Gesetz verpflichtet werden sollen, einen bestimmten Anteil der Führungsgremien mit Frauen zu besetzen. Während von der Leyen sich für eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent in Vorständen und Aufsichtsräten ausgesprochen hat, lehnt Schröder eine gesetzliche Regelung ab und setzt weiter auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft. Unterstützt wird sie darin von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU).
Caren Marks, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, bedauerte mit Blick auf die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Bundesregierung zur gesetzlichen Frauenquote, dass die "Streithähne nicht anwesend sind bei dieser Debatte“. Die Sozialdemokraten freuten sich ja, dass Ministerin von der Leyen auf die Position der SPD eingeschwenkt sei. Ihre Fraktion fordere schon seit langem eine gesetzliche Quote von mindestens 40 Prozent in Aufsichtsräten und Vorständen großer Unternehmen, so Marks.
Allerdings habe von der Leyen zu ihrer Zeit als Familienministerin keine gesetzliche Frauenquote gefordert. Das zeige, dass es ihr nicht um die Frauen gehe, sondern um eine gute PR. Und weshalb Kristina Schröder nach wie vor unbeirrt auf unverbindliche Selbstverpflichtungen der Unternehmen setze, sei durch nichts nachvollziehen.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde von Marks scharf kritisiert. Ihr Nein zu einer gesetzlichen Quote sei nicht nur eine Ohrfeige für von der Leyen, sondern für alle Frauen und sei lediglich dem "Machterhalt durch verordneten Koalitionsfrieden“ geschuldet. Sie warf der Regierungschefin vor, die Diskussion über eine gesetzliche Frauenquote zu ersticken. Im Kabinett habe sie das vielleicht geschafft, in der Gesellschaft werde ihr das nicht gelingen.
Enttäuscht zeigte sich Nadine Schön (CDU/CSU) von den Resultaten der freiwilligen Selbstverpflichtung der Wirtschaft, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, die 2001 zwischen der der damaligen Bundesregierung und Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft abgeschlossen worden war. Zehn Jahre später gebe es in den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen kaum drei Prozent Frauen, und in den Aufsichtsräten sehe es nicht viel besser aus, so die Abgeordnete der Union.
Viele Frauen hätten seitdem die bittere Erfahrung machen müssen, dass es eine "gläserne Decke“ in den Vorstandsetagen deutscher Unternehmen gebe. Sie wolle nicht, dass es ihrer Generation ähnlich ergehe, sagte Schön. Daher spreche sie sich für einen Stufenplan aus, der konkrete und verbindliche Schritte vorsehe, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen.
Dabei sollten aber nicht alle Unternehmen über einen Kamm geschert werden. Jedes Unternehmen könne mit einer "Flexiquote“ seinen eigenen Weg wählen.
Damit sprach sich Schön für den jüngst von Ministerin Schröder vorgelegten Kompromissvorschlag aus, Unternehmen ab einer bestimmten Größe gesetzlich zu verpflichten, individuell für sich eine selbst bestimmte Frauenquote bei der Besetzung von Aufsichtsrat und Vorstand festzulegen und zu veröffentlichen, die innerhalb von zwei Jahren erreicht werden soll.
Diese gesetzliche Pflicht zur flexiblen Quote soll greifen, wenn es bis 2013 nicht gelingt, den durchschnittlichen Frauenanteil in Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführungen mit Hilfe freiwilliger Selbstverpflichtungen zu verdreifachen.
Katja Kipping (Die Linke) erinnerte an die Einführung des Frauenwahlrechts vor fast 100 Jahren. Damals sei es für viele unvorstellbar gewesen, dass Frauen wählen gehen. Die Argumente, die damals gegen das Frauenwahlrecht genannt worden seien, würden heute nur amüsiertes Lachen hervorrufen. Sie hoffe, das werde bei den Argumenten, die heute gegen eine gesetzliche Frauenquote ins Feld geführt würden, bald auch der Fall sein.
Leider seien aber die Argumente gegen eine gesetzliche Frauenquote immer noch Realität. Deswegen müsse man sich damit auseinandersetzen. Ein Argument sei der angebliche Mangel an qualifizierten Frauen. "Glauben Sie denn ernsthaft, dass alle Männer in Führungspositionen dort wegen ihrer Qualifikationen sitzen“, rief die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales den Parlamentariern zu.
Die Zeit sei reif, so Kipping weiter, für eine geschlechtgerechte Besetzung von Aufsichtsräten: Mindestens jeder zweite Posten gehöre in Frauenhand.
Für die FDP-Fraktion betonte deren Sprecherin für Frauen, Nicole Bracht-Bendt, dass die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote in der Wirtschaft nicht verfassungsgemäß sei. „Für uns Liberale bedeutet eine Frauenquote Planwirtschaft“, sagte die Abgeordnete und rief damit heftigen Widerspruch im Plenum hervor.
„Wir Liberale setzen auf die Eigenverantwortung der Unternehmen“, so die Parlamentarierin weiter. Die Wirtschaft stünde selbst in der Pflicht, dass Frauen auf dem Weg nach oben nicht ausgebremst würden. Der Mittelstand gehe dabei übrigens längst mit gutem Beispiel voran. Eine Quote hingegen würde alle Frauen degradieren, die es auch ohne sie geschafft hätten, warnte Bracht-Bendt.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, lenkte den Blick auf die Realität in den 200 größten deutschen Unternehmen, deren Aufsichtsräte zu fast 100 Prozent männlich seien. Dieser Zustand sei diskriminierend und verfassungswidrig. "Wir müssen diesen verfassungswidrigen Zustand endlich abschaffen“, so die Fraktionsvorsitzende der Grünen.60 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes, zehn Jahre nach der Selbstverpflichtung der Wirtschaft frage sie sich, wo eigentlich das Primat der Politik sei.
Künast schloss ihre Rede mit einem Zitat ihrer Kollegin Monika Grütters von der CDU/CSU, die in einem Zeitungsbeitrag geschrieben habe, es sei naiv zu glauben, mit einer Selbstverpflichtung der Wirtschaft komme man weiter, und rief ihre Bundestagskolleginnen auf, eine gemeinsame parlamentarische Initiative für eine gesetzliche Frauenquote in der Wirtschaft zu starten. (nal)