Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2011 > Zwangsheirat, aufenthaltsrechtliche Regelungen
Die Pläne von CDU/CSU und FDP zur Änderung ausländerrechtlicher Vorschriften stoßen bei Experten auf ein gemischtes Echo. Dies wurde am Montag, 14. März 2011, in einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses unter Vorsitz von Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) deutlich. Neben einer Reihe weiterer Vorlagen der SPD (17/4197), der Linksfraktion (17/2325, 17/4681) und von Bündnis 90/Die Grünen (17/2491, 17/3065) ging es dabei um den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur "Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften“ (17/4401), über den der Bundestag am 17. März abschließend berät.
Der Regierungsentwurf sieht die Schaffung eines eigenständigen Wiederkehrrechts für ausländische Opfer von Zwangsverheiratungen vor, die von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten werden. Ebenfalls vorgesehen ist die Schaffung eines eigenständigen Straftatbestandes gegen Zwangsheirat im Strafgesetzbuch.
Darüber hinaus soll unter anderem die Antragsfrist zur Aufhebung der Ehe im Bürgerlichen Gesetzbuch von einem auf drei Jahre verlängert werden. Um den Anreiz zur Eingehung einer Scheinehe zu vermindern, soll ferner die Mindestbestandszeit, die für den Fall des Scheiterns der Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründet, von zwei auf drei Jahre erhöht werden.
Nach einem Änderungsantrag von CDU/CSU und FDP soll zudem geduldeten und gut integrierten ausländischen Jugendlichen und Heranwachsenden "eine eigene Aufenthaltsperspektive eröffnet“ werden. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen der Vorlage zufolge auch die Eltern und Geschwister dieser Jugendlichen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können.
Ferner soll laut Antrag die Aufenthaltserlaubnis eines Ausländers, der zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet ist, jeweils auf höchstens ein Jahr befristet werden, bis der Kurs erfolgreich abgeschlossen ist oder der Nachweis erbracht wurde, dass die Integration anderweitig erfolgt ist.
Auch die SPD-Fraktion sieht in ihrem Gesetzentwurf vor, zum besseren Schutz vor Zwangsehen ein erweitertes Rückkehrrecht im Aufenthaltsgesetz einzuführen. Die Linksfraktion fordert in einem Antrag die Regierung auf, sich für ein "wirksames Rückkehrrecht für zwangsverheiratete und/oder verschleppte Personen einzusetzen“.
In einem weiteren Antrag machen sich auch Bündnis 90/Die Grünen dafür stark, die Rechte der Opfer von Zwangsverheiratungen zu stärken.
Ralph Göbel-Zimmermann, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Wiesbaden, betonte, die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen zum Schutz der Opfer von Zwangsehen seien im Grundsatz zu begrüßen, aber "nicht zu Ende gedacht und teilweise mit heißer Nadel gestrickt“.
So widerspreche es der Zielsetzung eines "effektiven Schutzes für heiratsverschleppte Frauen, dass das Rückkehrrecht von einer positiven Integrationsprognose (...) abhängig gemacht werden soll und nicht als Rechtsanspruch ausgestaltet ist“. Auch werde mit der geplanten Verlängerung der Mindestehebestandszeit die Abhängigkeit der Opfer von ihrem Ehepartner noch verlängert.
Regina Kalthegener von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes kritisierte die Erhöhung der Mindestehebestandzeit ebnefalls. Sie plädierte sie dafür, das Rückkehrrecht von Opfern von Zwangsheirat nicht an Fristen oder Voraussetzungen zu koppeln.
Der Rechtsanwalt Reinhard Marx bemängelte, dem Zweck des Gesetzes widerliefen Regelungen wie die Verlängerung der Mindestehebestandzeit. Er plädierte zudem dafür, in das Gesetz eine Beweislastregelung zugunsten der Opfern von Zwangsverheiratung aufzunehmen. Auch fehle eine Regelung für die Kinder solcher Opfer. Deren Aufenthaltsrecht müsse dem "des dann berechtigten Elternteils“ folgen.
Susanne Schröder vom Deutschen Anwaltverein wandte sich ebenfalls gegen die Anhebung der Ehebestandszeit. Es gebe bereits viele Vorschriften zur Verhinderung von Scheinehen, argumentierte sie.
Wilfried Schmäing vom hessischen Innenministerium sagte demgegenüber, die Verlängerung der Ehebestandszeit sei aus Sicht der Ausländerbehörden "auf jeden Fall erforderlich“. Er halte dies für eine "notwendige Maßnahme“.
Paul Middelbeck vom niedersächsischen Innenministerium verwies darauf, dass die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf die Wiederkehrmöglichkeit für Opfer von Zwangsheirat zeitlich begrenze, während die SPD-Fraktion in ihrer Vorlage keine Frist vorgebe. Eine Wiederkehroption ohne jegliche Befristung halte er jedoch "nicht für zweckdienlich“.
Parinas Parhisi vom hessischen Justizministerium begrüßte die Einführung eines neuen Straftatbestandes "Zwangsehe“, von dem eine Signalwirkung ausgehen könne. Insbesondere junge Frauen erhielten die Möglichkeit, "sich mit normativen Argumenten gegen archaische Traditionen wenden zu können“. (sto)