Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2011 > Steinkohlefinanzierungsgesetz
Mehrere Sachverständige haben in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie am Montag, 11. April 2011, eine Neubewertung der Rolle der Steinkohle bei der Energieerzeugung gefordert und auch die Möglichkeit einer verlängerten Förderung in Deutschland ins Gespräch gebracht. "Kurz- und mittelfristig dürfte bei einem stark verringerten Beitrag der Kernenergie kaum ein Weg an der Steinkohle vorbei führen“, sagte Prof. Dr. Franz-Josef Wodopia vom Gesamtverband Steinkohle. Allerdings sei die deutsche Steinkohle aus heutiger Sicht nicht in der Lage, kurz- und mittelfristig Kraftwerkskohle wettbewerbsfähig anzubieten. Die Option auf einen wettbewerbsfähigen Steinkohlenbergbau in Deutschland bestehe - wenn überhaupt - nur mittel- bis langfristig.
Anlass der Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes (17/4805). Damit soll der für 2018 beschlossene Ausstieg aus der subventionierten Steinkohlenförderung nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Zur Begründung heißt es, die Europäische Kommission habe am 20. Juli 2010 einen Vorschlag für eine "Verordnung des Rates über staatliche Beihilfen zur Erleichterung der Stilllegung nicht wettbewerbsfähiger Steinkohlebergwerke“ vorgelegt.
Danach soll es nur noch zwei Arten von Beihilfen geben dürfen: Beihilfen für außergewöhnliche Kosten (insbesondere Altlasten) und Stilllegungsbeihilfen. Diese Stilllegungsbeihilfen dürfen nach Angaben der Bundesregierung nur in Verbindung mit einem definitiven Stilllegungsplan gewährt werden. Wenn das Bergewerk nicht zum geplanten Termin stillgelegt werde, seien die Beihilfen zurückzufordern.
Das Steinkohlefinanzierungsgesetz enthält bisher eine Revisionsklausel. Danach muss die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag spätestens bis zum 30. Juni 2012 einen Bericht vorlegen, aufgrund dessen der Bundestag den Ausstiegs-beschluss von 2007 überprüfen soll.
Diese Klausel soll nunmehr gestrichen werden, da die Vorschläge der EU-Kommission keinen Spielraum für eine eventuelle Revision des nationalen Ausstiegsbeschlusses lassen würden. Beihilfen an die verbliebenen fünf Bergwerke dürften nur weitergewährt werden, wenn für jedes Bergwerk ein "definitiver, irreversibler Stilllegungszeitpunkt“ in einem Stilllegungsplan festgelegt werde.
Nach Angaben von Wodopia ist die Steinkohle nach wie vor ein bedeutender Energieträger und hatte 2010 einen Anteil am inländischen Primärenergieverbrauch von 12,1 Prozent. Damit sei die Steinkohle die Nummer drei nach Mineralöl (33,6 Prozent) und Erdgas (21,8 Prozent), aber vor Kernenergie (10 Prozent), Braunkohle (10,7 Prozent) und erneuerbaren Energien (9,4 Prozent).
Im Energiemix der Stromerzeugung habe die Steinkohle mit einem Anteil von 18,7 Prozent ebenfalls den dritten Rang. 2010 seien 39,7 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten (SKE) an Steinkohle in der Stromerzeugung eingesetzt worden. 16,6 Millionen SKE seien in der Eisen- und Stahlindustrie eingesetzt worden und 1,5 Millionen Tonnen SKE im Wärmemarkt. Die heimische Steinkohle habe 23 Prozent des inländischen Verbrauchs decken können.
Die für die Regierung erstellten Energieszenarien würden eine Halbierung des Verbrauchs bis 2020 vorsehen. Angesichts der zunächst temporären Stilllegung älterer Kernkraftwerke werde der notwendige Ausgleich aber zunächst über die Leistungsreserve der bestehenden fossil befeuerten Kraftwerke geleistet. Durch den vermehrten Einsatz von Steinkohle, den Wodopia allein für die drei Monate des Moratoriums auf drei bis vier Millionen Tonnen bezifferte, könnten Engpässe für die inländische Stromerzeugung vermieden werden.
Thomas Prinz vom Bergwerk Auguste Victoria erklärte, mit dem Ende der heimischen Förderung werde nicht ein Kohlekraftwerk abgeschaltet, sondern nur heimische Kohle durch billige Importkohle ersetzt. Prinz sagte, die Kohlewirtschaft beschäftige allein in Nordrhein-Westfalen mehr als 15.000 Menschen.
Nur wenn es bei einem Sockel- oder Referenzbergbau bleibe, könne der hochmoderne Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland erhalten bleiben. Der ganze Bereich des Bergbau-Maschinenbaus "würde bei dem prognostizierten Ausstieg aus der Steinkohleförderung in 2018 komplett verschwinden“, warnte Prinz.
Wie Prinz kritisierte auch Klaus Bartels von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie die Subventions-Rückforderungsregelungen für den Fall, dass Bergwerke länger betrieben werden.
Es gehe der Gewerkschaft nicht um neue Subventionen, sondern um die politische Förderung eines subventionsfreien Bergbaus in Deutschland.
Christoph von Donat (Kanzlei Müller-Wrede & Partner) sagte, es sei angesichts der von der EU geschaffenen Lage wenig sinnvoll, wenn sich der Bundestag 2012 einen Bericht der Bundesregierung vorlegen lasse, um die Beendigung des subventionierten Steinkohlebergbaus zum Jahr 2018 zu überprüfen
"Der Bundestag wird keine echte Entscheidungsfreiheit haben“, schreibt von Donat in seiner Stellungnahme. Das Parlament könne höchstens beschließen, die Stilllegung vorzuziehen.
In der Stellungnahme von Jan Voßwinkel vom Centrum für Europäische Politik heißt es, es sei nicht erkennbar, dass man für die energiepolitischen Ziele Deutschlands die heimische Steinkohle subventionieren müsse. Eine dauerhafte Subventionierung nicht wettbewerbsfähiger Branchen sei mit den Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbar.
Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung unterstützte den Gesetzentwurf und die von der Bundesregierung formulierte Auffassung, dass "der heimische Steinkohlenbergbau angesichts der weltweit gut verfügbaren Steinkohlevorräte und angesichts des bereits jetzt geringen Anteils einheimischer Steinkohle am deutschen Energiemix keinen Zugewinn an Versorgungssicherheit schaffen“ könne.
Der Landesverband Bergbau-Betroffener Nordrhein-Westfalen begrüßte die Streichung der Revisionsklausel: "Es ist Zeit, sich endgültig vom Mythos Steinkohle zu verabschieden.“