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Angesichts starker Preisschwankungen für Agrarrohstoffe im internationalen Handel und der daraus resultierenden Probleme für die Ernährung der armen Weltbevölkerung haben sich acht eingeladene Sachverständige am Montag, 27. Juni 2011, im Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für die Schaffung von mehr Transparenz auf den Warenterminmärkten aus. In einer öffentlichen Anhörung zum Thema "Spekulation mit agrarischen Rohstoffen verhindern" unter Vorsitz von Max Lehmer (CDU/CSU) unterschieden sich jedoch die Vorstellungen über Form und Intensität möglicher Maßnahmen.
Helmut Born vom Deutschen Bauernverband plädierte für eine Versachlichung der Debatte, indem er vorausstellte, dass die Spekulation mit Agrarrohstoffen auf Terminmärkten grundsätzlich nichts Schlimmes sei. "Für die Landwirte ist es erfreulich, dass hohe Preise aufgrund hoher Nachfrage entstehen", sagte er. Born sieht keine Hinweise, die auf eine "exzessive Spekulation" deuten.
Doch sind seiner Ansicht nach Preissicherungsinstrumente notwendig, um radikalen Preisausschlägen vorzubeugen. Wichtig sei daher, dass die nach der Liberalisierung vergleichsweise jungen europäischen Terminmärkte für Agrarrohstoffe die Realität abbilden. "Es muss nachvollziehbarer werden, welche Geschäftsabschlüsse getätigt werden", forderte Born.
Eine Voraussetzung dafür sei, dass der sogenannte OTC-Markt - Geschäfte, die außerhalb der Warenterminbörse stattfinden - ebenfalls öffentlich wird. Notwendig sein ein weltweites Rohstoffinformationsnetz, das durch verlässliche Zahlen über Erntemengen, Verkaufsmengen und Lagerbestände spekulative Auswüchse verhindert.
Seinem Vorredner stimmte Volker Petersen vom Deutschen Raiffeisenverband zu: "Mehr Informationen bedeuten mehr Übersicht, vernünftige Planung und helfen gegen Hektik an den Märkten." Auch Petersen verteidigte, dass die Spekulation in Form von Terminkontrakten den Landwirten Kalkulationssicherheit gebe. Insofern dürfe sie nicht verboten werden.
Rafaël Schneider von der Deutschen Welthungerhilfe sprach sich dagegen schärfer gegen Spekulation aus. "Die Nachfrage nach Agrarrohstoffen ist ein Megatrend, weil keine Marktsättigung zu erwarten ist", sagte er mit Blick auf das kontinuierliche Bevölkerungswachstum und den zunehmenden Wohlstand unter anderem in China. Aus diesem Grund seien Kapitalanleger zum Beispiel auf den Getreidemärkten aktiv.
Die dadurch verursachten Preissteigerungen würden vor allem Menschen in den Entwicklungsländern treffen, die deshalb jedes Jahr mehr in die Armut rutschen würden. Um das Recht auf den Zugang zu Nahrungsmitteln zu schützen, fordert Schneider, die Spekulation auf ausgewählte Produkte durch eine Börsenumsatzsteuer unattraktiv zu machen.
Heiner Flassbeck, Director Division on Globalization and Development Strategies der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD), sah die Ursache hoher Preise bedingt durch "massive Preisbeeinflussung durch nicht marktadäquate Informationen in die falsche Richtung gelenkt". Die Preise basierten auf den Märkten nicht auf Angebot und Nachfrage, sondern würde durch den Derivatehandel verzerrt. Dort würden nicht Rohstoffe gehandelt, sondern Papiere, die nur auf Rohstoffe basieren sollen. "Diese Märkte führen ein Eigenleben und schaden der Preisfindung in der Landwirtschaft."
Markus Henn vom Verein weed teilte die Kritik an der Finanzspekulation. Er widersprach in seiner Rede der Behauptung, dass die Preissteigerungen zum Beispiel durch den hohen Bedarf in China zu begründen wären. "Das Land wächst seit 30 Jahren", sagte er. Doch noch bis Ende der neunziger Jahre seien die Preise für Rohstoffe gefallen. Das sei ein Widerspruch, der sich mit den jetzigen Interpretationen über die Gründe "beißen" würde.
Henn empfahl den Abgeordneten, sich in den USA Maßnahmen der Regulation abzuschauen. "Dort ist gesetzlich definiert, was exzessive Spekulation ist", sagte er und forderte, sogenannten Indexfonds den Agrarrohstoffhandel zu verbieten. Diese Fonds würden nicht anhand objektiver Daten handeln und die reelle Preisbildung stören.
Einen negativen Einfluss auf die Agrarmärkte schrieb auch Dirk Müller von der Ethos GmbH den Indexfonds zu. "Mit ihrem Aufkommen im Jahr 2000 stiegen auch die Preise für Rohstoffprodukte", sagte er. Transparenz sei nötig, um verlässliche Geschäfte auf den Terminmärkten zu ermöglichen. Gleichzeitig unterstrich er auch den positiven Nutzen der Terminmärkte. "Aber die Dosis macht das Gift", sagte Müller. Niemanden dürfe gestattet sein, dem Markt Lebensmitteln zu entziehen, um sie später wieder teuer verkaufen zu können.
Peter Reitz von der Eurex Frankfurt AG - ein Unternehmen der Deutschen Börse - informierte den Ausschuss, dass derzeit nur ein Prozent der weltweiten Agrarkontrakte auf dem EU-Markt gehandelt würden. Er wies darauf hin, dass aus diesem Grund Abstimmungen über Europa hinaus notwendig seien und erklärte, dass "Reportings" zur Regulierung der Märkte und zur Schaffung von Transparenz sinnvoll seien.
Michael Schmitz vom Institut für Agrarpolitik und Marktforschung warnte dagegen klar vor staatliche Eingriffe: "Die Kontrolle der Spekulation ist kontraproduktiv." Niedrige Preise am Weltmarkt würden Bauern nicht helfen und seien lange Zeit ein angeführtes Argument gewesen, warum die Armut in Entwicklungsländern so ausgeprägt gewesen sei. Wenn jetzt hohe Preise auch schlecht seien, wäre das ein Widerspruch.
"Es ist gezielte Entwicklungshilfepolitik nötig", sagte er. Schmitz forderte Spielregeln für die Märkte. "Aber verstärkte Regelungen auf den Terminmärkten haben nur zur Folge, dass die Händler auf die OTC-Märkte ausweichen", warnte Schmitz. In der Folge würden noch größere Probleme geschaffen. (eis)