Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2011 > IPS-Stipendiatin Laszlo
Ihre Muttersprache ist Kroatisch, und Deutsch spricht sie nahezu perfekt. Dazu kommen noch Französisch, Englisch und Holländisch. Mit dem Lernen der portugiesischen Sprache fängt sie gerade an. Die 25-jährige Ana Kontrec aus Čakovec im Norden Kroatiens kennt sich gut aus in der europäischen Sprachenvielfalt. "Wenn man einmal angefangen hat Sprachen zu lernen, ist das schon fast wie eine Sucht", sagt sie. Derzeit bekommt sie hauptsächlich eine Mischung aus Schwäbisch und Bayrisch zu hören. Ana Kontrec absolviert nämlich als Teilnehmerin am Internationalen Parlaments-Stipendium des Deutschen Bundestages (IPS) ein Praktikum im Büro des Augsburger Abgeordneten der Linksfraktion, Alexander Süßmair.
"Seit ich sieben Jahre alt bin, lerne ich Deutsch", erzählt Ana Kontrec. Wenn man so früh anfängt, sei es gar nicht so schwierig wie es immer heißt, sagt sie. In ihrer Heimatregion sei Deutsch ohnehin die Fremdsprache Nummer eins, begründet auch durch die Nähe zu Österreich.
Dass sie die deutsche Sprache studieren würde, war ihr schon früh klar. "Ich liebe diese Sprache", sagt sie. Ihr Germanistik- und Romanistikstudium an der Universität Zagreb hat sie in diesem Jahr abgeschlossen. Unterstützt durch ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Ein bisschen kurios erscheint es daher schon, dass sie als Stipendiatin der CDU-nahen Stiftung im Rahmen des IPS ausgerechnet bei einem Abgeordneten der Linksfraktion gelandet ist. "Diese Auswahl habe nicht ich getroffen, aber ich bin mit meinem Büro sehr zufrieden."
Anfangs, so räumt sie ein, habe sie sich durchaus gefragt, wie das denn gehen könnte bei de Linken. "Es ist aber vielleicht besser, in einer kleineren Fraktion zu sein, weil man da mehr in die Arbeit mit einbezogen wird", sagt sie. Im Übrigen sei es nicht so, dass "mir dort jemand eine bestimmte politische Gesinnung überstülpen will".
Von Süßmairs Mitarbeitern sei sie durchaus mal gefragt worden, was sie denn mit der Adenauer-Stiftung zu tun habe. "Da habe ich dann scherzhaft gesagt: 'Die Rosa-Luxemburg-Stiftung gibt es in Zagreb nicht.'" Tatsächlich jedoch habe die Konrad-Adenauer-Stiftung ihr ein "verlockendes Angebot" gemacht. "Ich habe durch die Stiftung viele Seminare besucht, viel gelernt und bin so auch in Kontakt mit dem Politikbereich gekommen", sagt sie.
Was die Auswahl des Abgeordnetenbüros angeht, so hatte sie sich im Vorfeld weniger Gedanken über die politische Ausrichtung als über den Arbeitsbereich des Abgeordneten gemacht. "Umweltschutz und Tierschutz sind die Themen, mit denen ich mich gern beschäftige", sagt sie.
Alexander Süßmair befasst sich mit Agrarpolitik - Schnittmengen, so zeigte sich, sind also durchaus vorhanden. Landwirtschaftliche Nutzflächen könnten schließlich einen Beitrag zum Umweltschutz leisten, die Frage der Tierhaltung habe auch mit Tierschutz zu tun, sagt sie.
Über einen Mangel an Arbeit kann sich Ana Kontrec nicht gerade beschweren. "Als ich am ersten Tag des Praktikums in das Büro meines Abgeordneten kam, erwartete mich schon eine Liste mit Aufgaben", erzählt sie. Außerdem dürfe sie an allen Sitzungen, sowohl der Arbeitsgruppe, des Arbeitskreises, des Landwirtschaftauschusses als auch der Fraktion teilnehmen.
Das, so Ana Kontrec, sei nicht bei allen Stipendiaten so. Als die 25-Jährige zum Thema Agrarpolitik in Kroatien einen Sprechzettel für Alexander Süßmair schreiben durfte, "war ich außer mir vor Freude". Eine "interessante Erfahrung" sei es zudem gewesen, als sie an der dreitägigen Frühjahrstagung der Agrarsozialen Gesellschaft als Vertreterin des Büros Süßmair teilnehmen durfte.
Wie nun lautet ihr Zwischenresümee des Praktikums? Wird der deutsche Parlamentarismus zu Recht als Vorbild für junge Demokratien gepriesen? Ein eindeutiges Ja gibt es als Antwort von Ana Kontrec. "Wir Kroaten können viel von Deutschland lernen."
Am meisten beeindruckt hat sie die Transparenz, die im Deutschen Bundestag herrscht. "Wir sehnen uns in Kroatien sehr nach Transparenz. Angesichts der sich häufenden Korruptionsfälle brauchen wir sie mehr als alles andere."
Dass ihr Heimatland eine noch junge Demokratie ist, reiche als Begründung für manche Fehlentwicklung nicht aus, sagt sie. "Wir können nicht immer sagen: 'Wir brauchen Zeit’ und immer wieder dieselben Fehler machen." Wenn die Entscheidung und der Wille zur Demokratisierung da seien, könne man das auch schaffen, zeigt sich Ana Kontrec zuversichtlich.
Über den Beitrag, den sie im Anschluss an das Praktikum dazu leisten kann, macht sie sich viele Gedanken. Die IPSler aus den Westbalkanstaaten würden sich auf Anregung des in Kroatien geborenen SPD-Abgeordneten Josip Juratović treffen und gemeinsam darüber nachdenken, "wie wir die jungen Leute erreichen und wie wir die Zivilgesellschaft aufbauen können, die es so bei uns noch nicht gibt", sagt Ana Kontrec.
Diese Treffen seien ihr sehr wichtig. Juratović, der seit 37 Jahren in Deutschland lebt, mache ihr und ihren Mitstipendiaten immer wieder deutlich, dass es die Aufgabe ihrer Generation sei, "eine Welt zu schaffen, in der wir leben wollen".
Das Ziel, "ins Gespräch mit den Menschen zu kommen und für Politik zu begeistern", will sie mit kleinen Schritten angehen. "Ich will ja niemanden überfahren."
Und dennoch, so macht sie deutlich, habe sie die Hoffnung, dass man in der Heimat ihre im deutschen Parlamentarismus gemachten Erfahrungen auch schätzt. (hau)