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In einer Aktuellen Stunde zu Berichten über geplante Panzerlieferungen an Saudi-Arabien haben Vertreter der Opposition die Bundesregierung am Mittwoch, 6. Juli 2011, scharf für deren Rüstungsexport- und Außenpolitik kritisiert. Die Aktuelle Stunde war auf Verlangen von Bündnis 90/Die Grünen aus der Fragestunde heraus einberufen worden (Fragen 1 und 2 der Grünen-Abgeordneten Volker Beck und Katja Keul auf Bundestagsdrucksache 17/6438). Anlass waren die aus Sicht der Fragesteller nicht hinreichenden Antworten der Bundesregierung auf ihre dringlichen Fragen zu Presseberichten über deutsche Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien. Demnach habe der Bundessicherheitsrat, ein Kabinettsausschuss der Regierung unter Vorsitz der Bundeskanzlerin, in der vergangenen Woche unter anderem die Lieferung von 200 deutschen Kampfpanzern vom Typ Leopard 2 nach Saudi-Arabien genehmigt.
Die Abgeordneten wollten unter anderem wissen, wie sich eine solche Entscheidung mit den Äußerungen der Bundesregierung verträgt, an der Seite der Demokratiebewegung in den arabischen Ländern zu stehen. Dr. Hans-Joachim Otto (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, wollte das Rüstungsgeschäft in der Fragestunde weder dementieren noch bestätigen. Er berief sich dabei auf entsprechende gesetzlichen Regelungen, nach denen die Beratungen des Bundessicherheitsrats geheim sind und das Parlament lediglich nachträglich im jährlich vorzulegenden Rüstungsexportbericht über Entscheidungen zu unterrichten ist.
Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen warf der Bundesregierung vor, sie stehe nicht an der Seite der Demokratie, sondern an der Seite der Despotie in den arabischen Ländern. Es sei falsch gewesen, "die Mubaraks und Ben Alis“ zu unterstützen.
Genauso falsch sei es heute, Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern, einem Land, das seiner Bevölkerung elementare Menschenrechte vorenthalte und das die Aufstände im benachbarten Bahrein im Frühjahr mit Waffengewalt unterdrückt habe. "Despotie schafft keine Gerechtigkeit, und sie schafft keine Stabilität“, sagte Trittin und forderte die Bundesregierung auf, die Genehmigung der Panzerlieferung zurückzunehmen: "Das ist nicht im Interesse Deutschlands."
Der Fraktionschef der Linken, Dr. Gregor Gysi, erinnerte daran, dass es in Saudi-Arabien keine Wahlen, keine legale Opposition gebe, stattdessen Folter, politische Gefangene und das Abhacken von Händen. "Dahin liefern Sie Waffen, dahin liefern Sie Panzer, das ist doch nicht zu fassen“, warf er der Bundesregierung vor.
Auch das Argument, das Land auf der arabischen Halbinsel sei Verbündeter im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, sei fadenscheinig, solange einflussreiche saudische Familien der al-Qaida Geld überweisen würden. "Wie glaubwürdig ist ein Kampf gegen Terror, wenn man Panzer an die liefert, die diesen Terror bezahlen?“, fragte Gysi. Das Geschäft verstoße zudem gegen Richtlinien der Bundesregierung zum Rüstungsexport, kritisierte der Fraktionschef: "Liegt es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass Saudi-Arabien in Bahrain einmarschiert?“
Einen größeren Bogen spannte der Parteivorsitzende der Sozialdemokraten, Sigmar Gabriel, für seine Fraktion: Der Bundesregierung fehle der außenpolitische Kompass und der Mut, für die Grundlagen ihrer Außenpolitik öffentlich einzustehen. Das Panzergeschäft sei offenkundig der Preis, den die Regierung zahlen müsse, um von Verbündeten wie den USA nach der deutschen Enthaltung in der Libyenfrage im UN-Sicherheitsrat wieder ernst genommen zu werden.
"Sie lieben das hohe Pathos, wenn es nichts kostet“, kritisierte Gabriel. Die Geschichte in Europa zeige überdies, wo am Ende die Panzer stehen - in Berlin 1953, in Ungarn 1956, in Prag 1968. "Sie stehen am Ende stets auf Straßen und Plätzen, wenn Unrechtsregime ihre Unterdrückung fortsetzen wollen“, sagte Gabriel.
Vertreter der Koalitionsfraktionen versuchten, den aus ihrer Sicht schrillen Ton aus der Debatte herauszunehmen: "Das ist übliches Skandal-Skandal-Gerufe, viel dahinter ist nicht“, sagte Dr. Martin Lindner von der FDP-Fraktion in Richtung Opposition. Die von Rot-Grün geschaffenen Richtlinien zum Rüstungsexport sähen vor, Entscheidungen über Geschäfte "zuvörderst“ an den sicherheits- und außenpolitischen Interessen auszurichten.
Die möglicherweise schwierige Abwägung einer solchen Panzerlieferung müsse auf das Gleichgewicht der Kräfte in der Nahostregion rekurrieren und dürfe nachrangig auch wirtschaftspolitische Fragen berücksichtigen. Lindner warf SPD und Grünen vor, dass in ihrer Regierungszeit bis 2005 der Umfang deutscher Rüstungsexporte von 300 Millionen Euro auf 1,3 Milliarden Euro pro Jahr gestiegen sei. "Sie sitzen nicht nur im Glashaus, Sie haben eine Steinschleuder im Glashaus aufgebaut“, warf Lindner der SPD und Grünen vor.
"Lassen Sie den Leo im Dorf“, sagte Dr. Joachim Pfeiffer von der Unionsfraktion an die Opposition gerichtet. Das Schwingen der Moralkeule sei scheinheilig, denn die rot-grüne Bundesregierung habe einst Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien im Wert von 260 Millionen Euro genehmigt. Das Land habe eine "stabilisierende Funktion in Richtung Iran, aber auch in Richtung Israel und Palästina“, und eine solche Stabilisierung sei sehr wohl im deutschen Interesse.
Sollte der Bundessicherheitsrat grünes Licht für die Panzerlieferung gegeben haben, dann habe sich diese Abwägung "am Sicherheitsbedürfnis und an den außenpolitischen Interessen“ der Bundesrepublik orientiert. Deutschland habe eine "der restriktivsten Rüstungsrichtlinien der Welt“, sagte Pfeiffer. Es müsse aber die eigenen "technologischen Fähigkeiten auch im Wehrbereich erhalten“. (ahe)
(ahe)