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Die umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID) ist in Deutschland künftig eingeschränkt erlaubt. Im Bundestag stimmten am Donnerstag, 7. Juli 2011, in der dritten Lesung 326 Abgeordnete in namentlicher Abstimmung für den Gesetzentwurf (17/5451) einer Parlamentariergruppe um Peter Hintze (CDU/CSU) und Ulrike Flach (FDP), der den Gentest an Embryonen zulassen will, wenn Paare eine Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder bei ihnen mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. 260 Abgeordnete stimmten gegen den Entwurf, acht enthielten sich der Stimme. Vor der Entscheidung über eine Neuregelung der PID warben Befürworter und Gegner ohne Fraktionsdisziplin noch einmal nachdrücklich für ihre Positionen. Vor der Abstimmung galten noch rund 170 Abgeordnete als unentschlossen.
Der gut dreieinhalbstündigen Debatte lagen zwei weitere Gesetzentwürfe von fraktionsübergreifenden Parlamentariergruppen zugrunde: mit ihrem Entwurf (17/5450) strebte die Gruppe um Birgitt Bender (Bündnis 90/Die Grünen) und Johannes Singhammer (CDU/CSU) ein striktes Verbot der PID an.
Eine weitere Abgeordnetengruppe um Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU), René Röspel (SPD) und Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) wollte das Verfahren mit ihrem Gesetzentwurf (17/5452) "grundsätzlich“ verbieten, in Ausnahmefällen aber "für nicht rechtswidrig“ erklären, und zwar nur dann, wenn die erbliche Vorbelastung der Eltern "mit hoher Wahrscheinlichkeit“ eine Schädigung des Embryos erwarten lässt, "die mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Tot- oder Fehlgeburt führt“.
Der Entwurf von Hintze/Flach erhielt bereits in der ersten Abstimmung nach dem so genannten Stimmzettelverfahren in der zweiten Lesung mit 306 Stimmen mehr Stimmen als die anderen Gesetzentwürfe plus Nein-Stimmen und Enthaltungen. Weitere Abstimmungen nach diesem Verfahren erübrigten sich damit. Gesetzeskraft kann dieser erlangen, da er in der Schlussabstimmung mehr Ja- als Nein-Stimmen erhalten hat, wie Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert bereits am Morgen erläutert hatte.
Bei der PID werden künstlich befruchtete Embryonen vor der Einpflanzung in die Gebärmutter auf Krankheiten untersucht und gegebenenfalls vernichtet. Die drei Entwürfe reichen von einem strikten Verbot bis zu einer eingeschränkten Zulassung der Methode. Die Diskussion war nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Leipzig vom vergangenen Juli in Gang gekommen, wonach die PID nach dem 1991 in Kraft getretenen Embryonenschutzgesetz nicht grundsätzlich untersagt ist.
In der Debatte rückten die PID-Befürworter die Nöte von erblich belasteten Paare mit Kinderwunsch in den Mittelpunkt. "Diese Eltern wünschen sich sehnlichst ein gesundes Kind“, sagte Ulrike Flach, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium. Mit dem von ihr unterstützten Gesetzentwurf solle diesen Paaren geholfen werden, sagte Flach.
Aus ihrer Sicht wäre die Zulassung der PID zudem "kein Dammbruch“, denn es gehe "um wenige Hundert Fälle im Jahr“. Wenn der Gesetzgeber Frauen mit einem PID-Verbot zwinge, zur Abwendung einer schweren Erbkrankheit oder aber einer Fehl- und Totgeburt "in eine Abtreibung hineinzugehen“, werde er "vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern“, prophezeite die FDP-Abgeordnete.
Peter Hintze fügte hinzu, er halte es für "rechtlich nicht haltbar und moralisch verwerflich“, mit einem strikten Nein zur PID die "Vermeidung von Abtreibung zu verbieten“. Der CDU-Abgeordnete hob hervor: "Nicht eine Ethik der Strafe, sondern eine Ethik des Helfens macht unsere Gesellschaft menschlicher.“
Dr. Carola Reimann (SPD) wandte sich gegen das Argument, die eingeschränkte Zulassung der PID ebne den Weg zum Designerbaby. "Wer die Prozedur einer PID auf sich nimmt, tut das nicht, um ein Kind mit blauen Augen zu bekommen“, unterstrich die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses.
Im Gegenteil entscheide sich kein Paar und keine Frau leichtfertig für eine PID. Steffen Bockhahn (Die Linke) ergänzte, eine künstliche Befruchtung sei "kein Sonntagsspaziergang“. Und Katherina Reiche (CDU/CSU) betonte: „Die PID eröffnet die Möglichkeit, Ja zu einem Kind zu sagen.“
Ihre Fraktionskollegin und Bundesarbeitsminiserin Dr. Ursula von der Leyen sagte, ein PID-Totalverbot gehe "von einem bevormundeten Menschen aus“, der Entwurf zur eingeschränkten Freigabe hingegen "von einem mündigen Menschen“.
Die Befürworter eines PID-Verbotes nahmen vor allem die Auswirkungen einer PID-Zulassung auf das Wertegefüge der Gesellschaft in den Blick. Bundestagsvizepräsident Dr. Wolfgang Thierse (SPD) sagte, es gehe nicht um eine "Ethik der Strafe, sondern eine Ethik der Menschenwürde“. Eine PID-Zulassung stelle einen "fundamentalen Paradigmenwechsel“ dar, werde mit der Methode doch "Selektion“ und eine "Qualitätsüberprüfung menschlichen Lebens“ ermöglicht. Die PID könne vielleicht in Einzelfällen Leid verhindern, "aber sie verhindert in jedem Fall das Lebensrecht von gezeugtem menschlichen Leben“, betonte Thierse.
Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte, mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle werde der "Lebensprozess in Gang“ gesetzt. Dazu gebe es keinen qualitativen Sprung“. Er warnte vor "brutalen Konsequenzen“, wenn der Mensch in diesen Prozess mittels PID eingreife.
Birgitt Bender sagte, der Entwurf Hintze/Flach ermögliche, dass ein Embryo "aussortiert wird“, der nur die Anlage für eine Behinderung mit sich bringt, aber die Chance hätte, zu einem gesunden Kind zu werden. Eine solche Auswahl unterscheide "sich grundsätzlich von der Situation einer Abtreibung“, denn da finde eine Abwägung der Rechtsgüter zwischen Frau und ungeborenem Kind statt. "Bei der PID wird nur aussortiert“, sagte Bender.
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung und CSU-Abgeordnete, Wolfgang Zöller, warnte, die PID könne das makellose "Musterbaby“ zum Ideal machen.
Auch der Linksparlamentarier Dr. Ilja Seifert fragte, wie bei einer Zulassung der PID künftig zu verhindern sei, dass "aus einem Kinderwunsch bald auch Wunschkinder mit speziell geplanten Eigenschaften werden“. Die PID könne zur Diskriminierung Behinderter beitragen. Viele dieser Menschen sagten, hätte es die PID schon früher gegeben, "gäbe es mich einfach nicht“.
René Röspel bot den von ihm mitinitiierten Entwurf als Kompromiss an. "Wir wollen nicht, dass darüber entschieden wird, ob ein Leben gelebt werden darf. Aber wir akzeptieren die Tatsache, dass im Embryo die Entscheidung bereits getroffen ist, dass er nicht leben kann“, sagte der SPD-Forschungspolitiker.
Priska Hinz ergänzte, es gehe nicht darum, ob ein Kind behindert sei oder eine Erbkrankheit habe, sondern allein, ob ein Kind lebend zur Welt kommen könne. "Wenn es eine Grenzziehung gibt, die einzuhalten ist, dann ist es diese Grenzziehung“, sagte die Grünen-Abgeordnete.
Auch Patrick Meinhardt (FDP) hob hervor, bei dem von ihm unterstützten Entwurf gehe es ausdrücklich nicht um "Selektion“. (mpi)