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Redner aller Fraktionen und der Bundesregierung haben in einer Debatte am Freitag, 8. Juli 2011, Bedeutung und Leistung des deutschen Handwerks gewürdigt. Über die weitere Förderung dieses Wirtschaftszweiges, der eine Million Betriebe mit fünf Millionen Mitarbeitern umfasst, gingen die Meinungen zwischen Koalition und Opposition aber weit auseinander. So sagte Wirtschaftminister Dr. Philipp Rösler (FDP), der deutsche Mittelstand habe dazu beigetragen, dass Deutschland gut durch die Krise gekommen sei. Das gelte gerade für das Handwerk. Ausdrücklich bekannten sich Rösler und auch der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Bundestages, Ernst Hinsken (CDU/CSU), zum Erhalt des Meisterbriefes.
"Der Meisterbrief ist nach wie vor ein Qualitätssiegel, das wir erhalten müssen“, forderte Rösler, der auch sagte: "Wir stehen zum Handwerk.“ Notwendig für diesen Wirtschaftszweig seien Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel, der sich im Handwerk mit 8.000 unbesetzten Stellen bereits bemerkbar mache, und der Abbau von Bürokratie.
Die "sensationellen Exportquoten“ und die gute Wirtschaftslage hob Michael Fuchs (CDU/CSU) hervor. Er bezeichnete Deutschland als "Motor für die Weltwirtschaft“. Das spüre auch das deutsche Handwerk. Das von der Koalition beschlossene Wachstumsbeschleunigungsgesetz habe gewirkt, freute sich Fuchs. "Wir lassen uns das von Ihnen nicht schlechtreden“, sagte Fuchs mit Blick auf die Opposition.
Garrelt Duin (SPD) lobte die Handwerker wegen ihrer Verlässlichkeit und spottete dann mit Blick auf die Regierungsbank: "Wenn diese Bundesregierung auch nur halb so verlässlich wäre wie die große Zahl der Handwerksbetriebe, dann wären wir in Deutschland wesentlich weiter.“
Duin kritisierte den von der Koalition eingebrachten Antrag (17/6457), in dem die Konjunkturpakete 1 und 2 begrüßt werden. Die FDP, stellte Duin fest, habe die Maßnahmen, an denen die Sozialdemokraten mitgewirkt hätten, ebenso abgelehnt wie die jetzt gerühmten steuerlichen Maßnahmen für den Mittelstand.
Das zu SPD-Regierungszeiten eingeführte Gebäudesanierungsprogramm habe die Koalition erst runtergefahren, um es jetzt wieder zu erhöhen. "Das ist diese Politik, die eben nicht das ausstrahlt, was das Handwerk und die Unternehmen in Deutschland insgesamt brauchen Planungssicherheit, Verlässlichkeit.“ Duin forderte eine "Kultur der Investitionen“, auch im öffentlichen Bereich. Daher sei kein Platz für Steuersenkungen.
Sahra Wagenknecht (Die Linke) warf der Koalition "Selbstbeweihräucherung“ vor und verwies auf die Lage in Griechenland. Dem Land müssten jetzt von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Kredite von 22,4 Milliarden Euro gegeben werden. Je mehr die KfW für Griechenland geben müsse, desto weniger könne die Bank an Förderprogrammen für den Mittelstand zur Verfügung stellen, warnte Wagenknecht.
Die Finanzierungsbedingungen des Mittelstandes hätten sich bereits stark verschlechtert. Gesetzliche Zinsobergrenzen zur Verhinderung von Wucher würden dem deutschen Handwerk mehr helfen als die Schönwettereporte der Bundesregierung. Wie Duin kritisierte auch Wagenknecht das Absenken und Erhöhen der Förderung energetischer Maßnahmen an Gebäuden. Das sei "unseriöse Ping-Pong-Politik“.
Es sei außerdem ein Skandal, dass Arbeitseinkommen in Deutschland in der Spitze bis zu42 Prozent besteuert würden, während völlig leistungslose Vermögenseinkommen wie Zinsen und Dividenden gerade mal mit 25 Prozent besteuert würden.
Christine Scheel (Bündnis 90/Die Grünen) mahnte zur Sachlichkeit: "Weder mit Klassenkampf noch mit Schönrederei kommen wir weiter.“ Die zu lösenden Probleme müssten benannt werden, aber das habe die Regierung nicht getan. Das Handwerk leiste unglaublich viel, habe aber Probleme, weil die Politik in einigen Bereichen nicht vorankomme.
Scheel verwies auf den Fachkräftemangel. Gerade in Städten gebe es viele junge Menschen mit Migrationshintergrund, die keinen Ausbildungsplatz hätten. Statt eine "bescheuerte Steuersenkungsdebatte“ zu führen, solle die Koalition Gesetze gegen den Fachkräftemangel und zur besseren Qualifizierung vorlegen.
Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen, gegen das Votum von SPD und Linksfraktion sowie bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen stimmte der Bundestag dem Antrag zur Stärkung des Mittelstandes zu. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, für einen Ausbau der energetischen Gebäudesanierung im Rahmen der Fortentwicklung des Energiekonzepts zu sorgen.
Unangemessene Belastungen für energieintensive Betriebe sollten vermieden werden. Das Vergaberecht solle so weiterentwickelt werden, dass auch kleine Handwerksbetriebe erfolgreich an Ausschreibungen teilnehmen können.
Außerdem wird die Bundesregierung aufgefordert, "entsprechend den Festlegungen im Koalitionsvertrag sobald wie möglich Gesetzentwürfe vorzulegen, um kleine und mittlere Einkommen stärker zu entlasten“ und den sogenannten Mittelstandsbauch weiter abzubauen. Elemente, die die Substanz von Betrieben besteuern, sollten möglichst vermieden werden. SPD- und Linksfraktion stimmten gegen den Antrag, Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich.
Anlass der Debatte war die Antwort der Bundesregierung (17/5879) auf eine Große Anfrage (17/3270) von CDU/CSU und FDP, in der die Regierung lobend hervorhebt, dass das Handwerk trotz erheblicher Umsatzrückgänge auch in der Krise an seinen Beschäftigten festgehalten habe. Im Vergleich zur übrigen Wirtschaft seien auch weniger Betriebe in die Insolvenz gegangen.
Ziel der Bundesregierung sei es, die Rahmenbedingungen für das Handwerk in Deutschland weiter zu verbessern. "Eine sichere und bezahlbare Energieversorgung ist dabei eine wichtige Voraussetzung“, heißt es in der Antwort.
Zur Lage des Handwerks schreibt die Regierung, seit 2005 seien die Umsätze der Betriebe von 456 auf rund 492 Milliarden Euro im letzten Jahr gestiegen. Der Beitrag des Handwerks zur gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung sei in diesem Zeitraum mit 8,6 Prozent konstant geblieben. Auch die Beschäftigung im Handwerk sei seit 2005 weitgehend stabil und könne 2011 auf 4,755 Millionen zunehmen (2010: 4,73 Millionen).
Zur Lage des Handwerks in den neuen Ländern heißt es: "Das ostdeutsche Handwerk stand im Jahr 2009 doppelt so stark da wie bei der Deutschen Einheit.“ Es gebe inzwischen 179.114 Betriebe (ohne Berlin) und 781.000 Beschäftigte. (hle)