Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2011 > Blindenführhunf Fanta
Tiere sind im Bundestag verboten. Da ist die Hausordnung streng und eindeutig. Selbst Parlamentspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert und die Abgeordneten dürfen ihre tierischen Begleiter nicht mitbringen. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Blindenführhunde dürfen doch hinein. Und so trifft man in der Kantine, auf den Gängen des Jakob-Kaiser-Hauses und im Umfeld der Bundestagsgebäude regelmäßig einen braun-schwarzen Schäferhund mit freundlichen Augen. Die Hündin "Fanta" hat eine ganz besondere Aufgabe. Sie führt ihren Besitzer Jörg Bechtold durch das quirlige Berlin.
Seit fast fünf Jahren bilden der Referent für Behindertenpolitik in der Fraktion Die Linke und "Fanta" eine Einheit. Betritt ein Fremder das Zimmer 4.824 im Jakob-Kaiser-Haus, steht die große Hündin von ihrem Stammplatz hinter dem Schreibtischstuhl auf, kommt ruhig auf den Besucher zu und schnuppert neugierig. Ist die Inspektion beendet, kehrt sie zurück und legt sich wieder hin.
"In dem Fach 'Ruhiges Liegen' hat Fanta eine Eins plus verdient", erzählt Jörg Bechtold stolz. Das ist wichtig für die Tätigkeit im Büro, denn während der Fraktionsmitarbeiter konzentriert arbeitet oder telefoniert, kann die Hündin schließlich nicht im Zimmer herumtoben.
Doch Fanta kann nicht nur perfekt warten. "Sie kennt rund 40 Befehle", sagt Jörg Bechtold. "So zeigt sie zuverlässig an, wo Treppen sind, findet Türen, führt mich um Hindernisse herum, und wenn wir an eine Ampel kommen, hüpft sie hoch. Dann weiß ich Bescheid."
Als Jörg Bechtold im August 2006 Fanta bekam, war die Hündin zweieinhalb Jahre alt und hatte bereits eine intensive Lehrzeit hinter sich. Sie musste - wie jeder gut erzogene Hund - die Grundbefehle wie Sitz, Platz und Komm üben. Doch dann folgte ihre Spezialausbildung.
Sie lernte Treppen, Türen, Lifte, öffentliche Verkehrsmittel, leere Bänke, Ampeln, Zebrastreifen, Telefone oder Briefkästen zu erkennen. Auch findet sie in großen Gebäuden zurück zum Ausgang und kann ihr "Herrchen" um Hindernisse wie Baustellen, geparkte Autos oder Mülltonnen herumführen.
Besonders wichtig ist die Gefahrenschulung eines Blindenführhundes. So muss das Tier lernen, immer genug Abstand zu einer Bahnsteigkante zu halten, damit sein Mensch nicht auf die Gleise stürzt. Auch darf der Hund Straßen nur überqueren, wenn die Fahrzeuge stehen oder kein Fahrzeug kommt.
Ampeln kann er zwar finden, aber er weiß nicht, was rot und grün bedeutet. Und ein guter Blindenhund muss auch erkennen können, wann er einem Befehl nicht folgen darf, da dieser den Menschen gefährden könnte. Das nennt man "intelligenten Ungehorsam".
Auch Jörg Bechtold musste einen Test bestehen und beweisen, dass er sich mit Hunden auskennt, ihr Bedürfnisse kennt und für Fanta sorgen kann. Erst danach bekam er das Tier in seine Obhut.
Doch Fanta muss nicht nur arbeiten. Jörg Bechtold spielt regelmäßig mit ihr im Büro. Im Park darf sie an der langen Leine laufen und einfach schnuppern oder herumtollen. "Natürlich hat jeder Hund so seine Macken", erzählt Bechtold. "Fanta liebt es, zu jagen. Bei freilaufenden Katzen oder Eichhörnchen muss ich aufpassen, sonst ist sie weg." Doch er lächelt, wenn er dies erzählt. Es scheint kein allzu großes Problem für das Gespann zu sein.
Fanta ist nicht der einzige Blindenhund, der in einem Parlament unterwegs ist. Legendär sind die Geschichten von Lucy, dem schwarzen Labrador des britischen Labour-Abgeordneten David Blunkett. Im britischen Parlament sitzen sich die Abgeordneten von Regierung und Opposition auf Bänken gegenüber.
Jahrelang hatte die Hündin ihr Herrchen sicher durch das Parlament geführt. Nach der gewonnenen Wahl 1997 nahmen die Labour-Abgeordneten stolz auf der Regierungsbank Platz. Nur Blunkett kam dort zunächst nicht an. Lucy zerrte ihn zielsicher zu den gegenüberliegenden Bänken der Opposition, wo ihr Herrchen zehn Jahre gesessen hatte.
Lucy ist bisher auch der einzige Hund, der in den offiziellen britischen Parlamentsprotokollen erwähnt wird. Der spätere Premierminister Tony Blair war dem liegenden Tier auf ein Ohr getreten. Lucy jaulte vor Schmerz laut auf und Blair entschuldigte sich förmlich. Da alle Äußerungen im Parlament mitgeschrieben werden, wurde auch das aufrichtige "Sorry" des Labour-Politikers vermerkt. (ah)