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Norbert Lammert, Papst Benedikt XVI., Katrin Göring-Eckardt am 30. Mai im Vatikan © Francesco Sforza, L'Osservatore Romano
Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. wird im Rahmen seines Staatsbesuchs in Deutschland vom 22. bis 25. September auch den Bundestag besuchen und am Donnerstag, 22. September 2011, im Plenarsaal zu den Abgeordneten sprechen. Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert hatte das Oberhaupt der katholischen Kirche und des Staates Vatikanstadt mit Zustimmung aller Fraktionen eingeladen, im deutschen Parlament eine Rede zu halten. Sie wird ab 16.20 Uhr live im Parlaments- fernsehen und im Web-TV auf www.bundestag.de übertragen. Nach den Begrüßungsworten des Präsidenten wird der Papst etwa eine halbe Stunde lang sprechen.
Die „historische Bedeutung" des Besuchs hatte Lammert bereits im Vorfeld betont. In allen Fraktionen gebe es einen „ganz breiten Konsens", so Lammert, dass die „seltene und zu unser aller Lebzeiten vermutlich auch nicht wiederholbare Gelegenheit, einen deutschen Papst in der deutschen Hauptstadt begrüßen zu können, auch durch eine Einladung, vor dem Deutschen Bundestag zu sprechen, begleitet werden sollte".
Dass Benedikt XVI. die Ökumene in Deutschland ein „besonders wichtiges Anliegen" ist, hatte Lammert im Anschluss an eine Privataudienz im Vatikan am 30. Mai betont. Gemeinsam mit Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) war Lammert nach Rom gereist, um mit dem Papst über die bevorstehende Deutschlandreise zu sprechen.
Lammert hatte Göring-Eckardt gebeten ihn zu begleiten, „um auf diese Weise deutlich zu machen, dass auch und gerade aus der Perspektive des Bundestages sich ein sehr starker Akzent der Erwartung auf das Thema Ökumene richtet", sagte er. Göring-Eckardt wird Benedikt in ihrer Funktion als Präses der Synode der Evangelischen Kirche am Freitag, 23. September, in Erfurt begrüßen.
Sie stellte heraus, dass die Region um Erfurt nicht nur durch die Reformation vor fast 500 Jahren, sondern auch durch eine starke Säkularisierung zu DDR-Zeiten geprägt ist. Den Papst-Besuch sieht Göring-Eckardt deshalb als "etwas sehr Besonderes". Zudem erhofft sie sich „sehr interessante katholisch-evangelische Gespräche".
Im Anschluss an die Ansprache im Bundestag wird der Papst mit Vertretern der jüdischen Gemeinde zusammentreffen, ehe er bei der Feier der Heiligen Messe im Berliner Olympiastadion die Predigt hält. 70.000 Besucher werden dazu erwartet, darunter zahlreiche Bundestagsabgeordnete.
Der Papst, am 16. April 1927 als Joseph Ratzinger im oberbayerischen Marktl am Inn geboren, wurde 1951 zum Priester geweiht. 1958 wurde er Theologieprofessor, 1977 Erzbischof von München und Freising und 1981 Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre in Rom. Nach dem Tod Johannes Pauls II. wählte ihn das Konklave am 19. April 2005 zum 265. Papst. Er gab sich den Papstnamen Benedikt XVI.
Benedikt XVI. ist der erste deutsche Papst seit 1523 und der erste Papst, der vor dem deutschen Parlament spricht. In der 62-jährigen Geschichte des Bundestages ist er das 13. amtierende ausländische Staatsoberhaupt, das eingeladen wurde, zu den Abgeordneten zu sprechen.
US-Präsident Richard Nixon war am 26. Februar 1969 der erste, dem diese Ehre zuteil wurde. Ihm folgten US-Präsident Ronald Reagan am 9. Juni 1982, der französische Präsident François Mitterrand am 20. Januar 1983, der israelische Staatspräsident Ezer Weizman am 16. Januar 1996, der südafrikanische Präsident Nelson Mandela am 22. Mai 1996, der tschechische Präsident Václav Havel am 24. April 1997, der französische Präsident Jacques Chirac am 27. Juni 2000, der russische Präsident Wladimir Putin am 25. September 2001, US-Präsident George W. Bush am 23. Mai 2002, der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko am 9. März 2005 sowie die israelischen Präsidenten Moshe Katsav am 31. Mai 2005 und Shimon Peres am 27. Januar 2010.
Die Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der CDU/CSU-Fraktion, Dr. Maria Flachsbarth, hofft, dass Papst Benedikt XVI. Antworten zur gesellschaftlichen und politischen Situation gibt. Die Deutschen seien in Sorge darüber, wie es mit Europa weitergeht, wie es um die persönliche Sicherheit in Zeiten des internationalen Terrors bestellt ist.
Angesichts dessen könne der Papst „Ermutigung und Zukunftsweisung" geben. Deutschland sei ein weitgehend christlich geprägtes Land, in dem die katholische Kirche jedoch unter einem Vertrauensverlust leide. Der Papstbesuch sei eine Gelegenheit, Vertrauen zu schaffen, sagt Flachsbarth.
„Ich denke, Benedikt XVI. wird viele Dinge ansprechen, die unsere Gesellschaft bewegen", sagte der Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Fraktion, Siegmund Ehrmann.
Die katholische Kirche sei weltweit und besonders in Deutschland ein wichtiger Partner im Bereich der Sozial- und Entwicklungspolitik. Ehrmann hofft auf Stichworte zur Wirtschafts- und Finanzkrise, zu Chancengleichheit und Teilhabegerechtigkeit.
Dr. Stefan Ruppert, Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften der FDP-Fraktion, wünscht sich eine „klare Positionsbestimmung", was die Verortung der katholischen Kirche in der deutschen Gesellschaft und das Verhältnis von Staat und Kirche angeht.
„Der Papst ist nicht irgendwer, sondern die Stimme der katholischen Kirche in der Welt und zudem ein Deutscher", sagt Ruppert. Insofern habe es eine große Bedeutung, dass er im Bundestag spricht.
Der Papstbesuch werde „eine Aufbruchstimmung bei den Katholiken" verursachen, vermutet der religionspolitische Sprecher der Linksfraktion, Raju Sharma. Als religiöses Oberhaupt von 1,2 Milliarden Menschen sei der Papst „ein Gesprächspartner, den man ernst nehmen muss".
Sharma hofft, dass der Papst umstrittene Dinge anspricht und die Reduzierung der Rüstungsexporte und den Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit thematisiert.
Der Sprecher für Kirchenpolitik und interreligiösen Dialog von Bündnis 90/Die Grünen, Josef Winkler, erwartet eine „wegweisende Rede" des Papstes im Parlament.
"Ich würde mir wünschen, dass es nicht um Tagespolitik geht, sondern Benedikt XVI. darüber hinaus Impulse gibt, die wir in unserer politischen Arbeit verwenden können", sagt Winkler. Er hält es für bedeutsam, dass der Papst die Einladung des Bundestagspräsidenten angenommen hat. (ver/tyh/vom)