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Eine Stunde pro Sitzungswoche sollten im Plenum des Deutschen Bundestages eingegangene Petitionen inhaltlich beraten werden. Diese Anregung gab die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Kersten Steinke (Die Linke), während der Debatte über den Petitionsbericht 2010 am Mittwoch, 21. September 2011. Dadurch, so Steinke weiter, könne "manch folgende Debatte anders und nachdenklicher verlaufen". Derzeit werde über sogenannte Sammelübersichten abgestimmt, die die Beschlussempfehlungen des Ausschusses enthielten, sagte die Ausschussvorsitzende. Dies sei zwar eine zeitsparende Lösung, doch stelle sich die Frage, ob man damit dem Artikel 17 des Grundgesetzes tatsächlich gerecht werde.
Die hohe Zahl der Petitionen zeigt nach Ansicht Steinkes, dass die Menschen nicht politikverdrossen sind. 66 Petitionen seien 2010 im Schnitt täglich eingegangen – 150.000 Mal sei die Homepage des Petitionsausschusses pro Tag angeklickt worden. Neben vier öffentlichen Beratungen habe der Ausschuss auch zwei Ortstermine zur Klärung offener Fragen stattfinden lassen, sagte die Abgeordnete der Linksfraktion.
Petitionsarbeit könne erfolgreich sein, "wenn man hartnäckig bleibt", sagte der Unionsabgeordnete Günter Baumann. Dies zeigten die vielen positiven Beispiele, da immerhin 43 Prozent aller Eingaben 2010 "positiv bearbeitet wurden". Artikel 17 des Grundgesetzes regle, dass sich jeder mit einer Petition an den Bundestag wenden dürfe. "Politische Beteiligung ist so leicht erreichbar", urteilte Baumann. Dass im Jahre rund 17.000 Menschen von diesem Recht Gebrauch gemacht hätten, zeige zum einen, dass das Petitionswesen bekannt ist und genutzt wird.
Zum anderen werde deutlich, dass "die Menschen dem Petitionsausschuss vertrauen". Kritik übte Baumann an der Opposition, die das Petitionsrecht zunehmend als politische Plattform nutze. "Das Petitionsrecht ist nicht für Populismus oder politische Profilierung da", sagte der CDU-Politiker.
Die Arbeit im Petitionsausschuss mache ihr viel Freude, weil sie "konkrete Einzelfälle und Lebensschicksale betrifft", sagte die SPD-Abgeordnete Sonja Steffen. Durch Petitionen würden die Abgeordneten auf Probleme und Missstände aufmerksam gemacht. Diese Rückkopplung sei für das Parlament als Kontrollinstanz gegenüber der Bundesregierung und als Gesetzgeber von großer Bedeutung, urteilte Steffen.
Vor diesem Hintergrund sei es bedauerlich, dass sich die Koalitionsfraktionen gegen die Mitberatung von Gesetzentwürfen entschieden hätten, sagte sie. Dabei könne der Ausschuss gerade durch die Einsicht in konkrete Einzelfälle in bestimmten Bereichen "einen wichtigen und kompetenten Beitrag leisten".
Der FDP-Abgeordnete Peter Röhlinger nannte die Arbeit des Ausschusses "wichtig und verantwortungsvoll". Viele Anliegen unterstütze der Ausschuss einstimmig, was deutlich zeige: "Wir helfen über Parteigrenzen hinweg." Es gebe jedoch auch Fälle, in denen der Ausschuss nicht helfen könne, räumte Röhlinger ein.
Gerade in solchen Fällen sei es wichtig, dass die Begründung "verständlich formuliert wird". Besondere Bedeutung für das Petitionswesen haben nach Ansicht des FDP-Politikers öffentliche Sitzungen. Damit könne der Bekanntheitsgrad gesteigert werden. Ebenfalls positiv zu bewerten sei, dass durch das Online-Verfahren auch die junge Generation erreicht werde.
Hermann Ott (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich erstaunt, dass bei der Debatte das Plenum nicht "rappelvoll ist". Schließlich decke der Petitionsausschuss den gesamten Bereich der Politik ab. Er vertrete die fachlichen Interessen der mehr als 600 Kollegen, sagte Ott. Dennoch fehle es dem Ausschuss etwas an Glanz. "Er gilt eben nicht als cool", so der Grünen-Abgeordnete.
Mehr Glanz und Bedeutung könne durch Verbesserungen bei den öffentlichen Petitionen erreicht werden, schlug Ott vor. So muss nach Ansicht seiner Fraktion die Zeichnungsfrist für die benötigten 50.000 Unterschriften für eine öffentliche Beratung der Petition von derzeit drei auf acht Wochen erhöht werden. Damit könne man die Möglichkeit der demokratischen Mitwirkung für alle Menschen verbessern.
Seine Aufforderung, so Ott, richte sich insbesondere in Richtung der Unionsfraktion. Diese weise immer wieder darauf hin, dass das Petitionsrecht kein Instrument zur direkten Demokratie sei. Wenn die Menschen aber durch Online-Petitionen Anstöße zu Gesetzesinitiativen geben könnten, sei das sehr wohl ein Instrument der direkten Demokratie, befand Ott. (hau)