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Nach mehrmonatiger intensiver Diskussion entscheidet der Bundestag am Donnerstag, 29. September 2011, in abschließender Lesung über die Erweiterung des Euro-Rettungsfonds "Europäische Finanzstabilisierungsfazilität" (EFSF). Im Anschluss an die um 9 Uhr beginnende zweistündige Debatte ist eine namentliche Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (17/7067, 17/7130) zum Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP "zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus" (17/6916) geplant.
Vorgesehen sind demnach eine Aufstockung der deutschen Kreditbürgschaften am EFSF von 123 auf 211 Milliarden Euro, die Erweiterung der finanzpolitischen Instrumente des Fonds sowie nunmehr auch die klar geregelten Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages.
Die Fraktionen von Union, SPD, FDP, und Bündnis 90/Die Grünen hatten einer entsprechend geänderten Fassung des Gesetzentwurfs gegen die Stimmen der Linksfraktion am 21. September im Haushaltsausschuss zugestimmt.
Notwendig sei die Aufstockung der deutschen Beteiligung am EFSF durch einen Beschluss der der Staats- und Regierungschefs der Eurozone vom 21. Juli, das Ausleihvolumen des EFSF von bisher 240 Milliarden Euro auf rund 440 Milliarden Euro anzuheben, heißt es in der Beschlussempfehlung. Angesichts der angespannten Situation auf den Finanzmärkten seien diese übereingekommen, die Wirksamkeit des EFSF zu erhöhen und ihn mit zusätzlichen, flexibleren Instrumenten auszustatten.
Vorgesehen ist, dass die EFSF künftig unter Auflagen zugunsten eines Mitglieds der Eurozone vorsorglich eine Kreditlinie bereitstellen, Darlehen zur Refinanzierung von Finanzinstituten gewähren und bei außergewöhnlichen Umständen auf dem Finanzmarkt und bei Gefahren für die Finanzstabilität Anleihen eines Euro-Mitgliedstaates kaufen kann, um "Ansteckungsgefahren" zu verhindern.
Jede Maßnahme zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit eines Euro-Mitgliedstaates werde auch künftig nur dann gewährt, wenn dies erforderlich ist, um die Finanzstabilität der gesamten Eurozone zu wahren, heißt es im Entwurf weiter. Alle erforderlichen Finanzhilfen seien mit strengen Auflagen verbunden, die der "makroökonomischen Situation des betroffenen Landes" angemessen sind.
Die EFSF war am 7. Juni 2010 von den Euro-Staaten mit dem Ziel gegründet worden, mit Krediten von bis zu 440 Milliarden Euro (bei einem Ausleihvolumen von damals 240 Milliarden Euro) eine drohende Zahlungsunfähigkeit von Euro-Mitgliedstaaten abzuwenden. Um die Refinanzierung am Kapitalmarkt abzusichern, erhält die EFSF Garantien von den Euro-Staaten.
Ebenso habe man sich am 11. März darauf verständigt, dass die EFSF neben der Kreditvergabe auch Anleihen eines Euro-Staates auf dem Primärmarkt aufkaufen kann – allerdings nur in Ausnahmefällen unter strengen Auflagen, um die Finanzhilfe kosteneffizient zu gestalten. Über die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen sollen die Euro-Mitgliedstaaten einstimmig entscheiden.
Weiter heißt es in dem Gesetzentwurf, Aufkäufe von Staatsanleihen eines Euro-Staates würden nur getätigt, wenn die Europäische Zentralbank nach einer Analyse bestätigt, dass "außergewöhnliche Umstände auf den Finanzmärkten vorliegen". Die Euro-Staaten haften anteilig bis zu den zugesagten Obergrenzen für Garantien an die EFSF, nicht gesamtschuldnerisch.
Grundlage für die erweiterten Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages war ein Koalitionsantrag (17/6945). Danach darf der Vertreter der Bundesregierung im EFSF einem Beschlussvorschlag, der die "haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages berührt", nur dann zustimmen oder sich enthalten, wenn das Parlament zuvor einen zustimmenden Beschluss gefasst hat.
Dazu zählen laut Entwurf insbesondere "wesentliche Änderungen einer Vereinbarung über eine Notmaßnahme" beim EFSF und bei Änderungen, die Auswirkungen auf die Höhe des Bürgschaftsrahmen hat sowie Änderungen des Rahmenvertrags des EFSF und Überführung von rechten und Verpflichtungen aus dem EFSF in den für 2013 geplanten dauerhaften Stabilisierungsfonds "Europäischer Stabilitätsmechanismus" (ESM). Bei besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit sollen die Beteiligungsrechte des Bundestages von einem Unterausschuss des Haushaltsausschusses wahrgenommen werden, dem neun Mitglieder aus allen Fraktionen angehören sollen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil zur Griechenland-Hilfe und zum Euro-Rettungsschirm vom 7. September unter anderem die Bundesregierung verpflichtet, vor künftigen Hilfsmaßnahmen jedesmal die Zustimmung des Haushaltsausschusses des Bundestages einzuholen. Bislang musste sich die Regierung um ein Einvernehmen mit dem Ausschuss nur "bemühen". Bei den Euro-Hilfen dürfe es keinen Automatismus geben, der die Rechte der Abgeordneten aushebelt, hieß es im Urteil.
Die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand müsse nach Artikel 38 des Grundgesetzes als "grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat" in der Hand des Deutschen Bundestages bleiben. Auch in einem "System intergouvernementalen Regierens" müssten die Abgeordneten die Kontrolle über fundamentale haushaltspolitische Entscheidungen behalten.
SPD (17/7175), Die Linke (17/7180, 17/7194) und Bündnis 90/Die Grünen (17/7195) haben Entschließungsanträge vorgelegt, über die der Bundestag abstimmen wird. Die Linke stellt zudem einen Änderungsantrag (17/7179) zur Abstimmung. (ahe)