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Es bedarf deutlicher Änderungen im Wissenschaftssystem, um wissenschaftlichem Fehlverhalten vorzubeugen. Das war dem öffentlichen Fachgespräch im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung unter Vorsitz von Ulla Burchardt (SPD) am Mittwoch, 9. November 2011, zu entnehmen. Dabei waren sich die Experten einig, dass wissenschaftliches Fehlverhalten nicht allein mit Antiplagiatssoftware bekämpft werden kann. Zudem sei wissenschaftliches Fehlverhalten kein neues Phänomen und lasse sich nicht nur an Plagiaten festmachen.
Als ein „Kernstück“ der Problematik nannte Prof. Dr. Stefan Hornbostel vom Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung die Betreuung von Doktoranden. So gebe es viele externe Promotionen, die nicht in einen universitären Forschungskontext eingebunden seien. Bei ihnen könne der Betreuer die Arbeitsfortschritte nur schwer beobachten.
Als weitere Probleme nannte Hornbostel unter anderem die häufig nicht formalisierten Aufnahmeprozeduren und die ungeregelte Erfassung von Promovierenden. Dies habe zur Folge, dass es in Deutschland keine belastbaren Aussagen über die Zahl der Promovierenden, über Abbrüche und Promotionsdauer gebe.
Auch gebe es keinen „zuverlässigen Überblick über die Intensität wissenschaftlichen Fehlverhaltens“, ergänzte Dr .Wolfgang Löwer, Professor für Öffentliches Recht und Wissenschaftsrecht in Bonn und Sprecher der Beratungs- und Vermittlungseinrichtung „Ombudsman für die Wissenschaft“. Er wies darauf hin, dass Plagiate – wie jüngst bei „spektakulären Fällen“ – nicht der „einzige Brennpunkt“ seien.
Vor allem im Bereich der Naturwissenschaften sei auch die Manipulation von Daten ein Problem, etwa durch die Unterdrückung von Falsifikationshinweisen, die die Arbeitshypothese gefährden könnten. Hinsichtlich externer Arbeiten wollte Löwer keinen „Generalverdacht“ äußern. Gemessen an ihrer großen Zahl kämen negative Befunde nicht überproportional häufig vor.
„Wir brauchen keine weiteren Sanktionen, wir brauchen mehr Prävention“, sagte Dr. Annette Schmidtmann von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). So müsse das wissenschaftliche Arbeitsklima verbessert werden – etwa durch eine verbesserte Betreuung der Doktoranden. Außerdem müsse der Druck von ihnen und ihren Professoren genommen werden.
Als weiteren Schritt empfahl Schmidtmann die Einbindung von Promovierenden in den wissenschaftlichen Diskurs, die zeitliche Entlastung von Wissenschaftlern – so stünden die Professoren unter dem Druck, „permanent Drittmittel einwerben zu müssen“ -, eine Verbesserung der Personalstruktur an Universitäten und die Vermittlung guter wissenschaftlicher Praxis, möglichst schon vor der Promotion.
Für Dr. Debora Weber-Wulff, Professorin für Medieninformatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, sind Änderungen im Wissenschaftssystem unerlässlich. „Mit Unehrlichkeit kommt man weit“, sagte sie und verwies auf Ehrenautorenschaften, Ghostwriter, Datenerfindung und Bestechung.
Zur Verbesserung der Situation schlug sie unter anderem eine nationale Beratungsstelle zu Plagiat und wissenschaftlichem Fehlverhalten vor, außerdem eine „schonungslose Transparenz und Offenheit“ hinsichtlich wissenschaftlicher Prozesse und Ergebnisse und die Eindämmung der „ausufernden Publikationsliste“. Zudem sollte es ihrer Meinung nach nicht mehr möglich sein, den Doktorgrad im Personalausweis eintragen zu lassen, damit wissenschaftliche Grade keinen Platz mehr im zivilen Leben haben. (tyh)