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Für die Koalition ist es die Gewährung echter Wahlfreiheit, die Opposition sieht darin eine vollkommen falsche Weichenstellung: Der Bundestag hat am Mittwoch, 9. November 2011, in einer Aktuellen Stunde hoch emotional über das von der Koalition angekündigte Betreuungsgeld diskutiert. Familienministerin Dr. Kristina Schröder (CDU) verteidigte die auch in der Union umstrittene Einigung, nach der ab 2013 monatlich 100 Euro an Familien gezahlt werden sollen, die ihre zweijährigen Kinder nicht in einer Kita betreuen lassen, sondern sich daheim um sie kümmern. Man gewähre damit den Familien in Deutschland mehr Unterstützung und erkenne die "Erziehungsleistung" der Eltern an, sagte Schröder.
Sie habe darauf gedrungen, dass angesichts der Haushaltslage das Betreuungsgeld "finanzierbar und praktikabel" sein müssen. Dies sei mit der Regelung, dass erst ab 2014 auch Eltern das Geld bekommen, die ihre Kinder im dritten Lebensjahr daheim betreuten, gelungen. Schröder betonte, das Betreuungsgeld solle auch "Mütter unterstützen, die berufstätig sind".
Sie finde die "ideologische Debatte" um die Lebensentwürfe von Familien "unerträglich", so die Ministerin. Der Opposition warf Schröder vor, es sei "beschämend und anmaßend", wenn sie Eltern unterstelle, selbst nicht gut für ihre Kinder sorgen zu können. Es gebe zweifellos Familien, in denen es besser sei, wenn Kinder möglichst früh in Kitas gefördert würden. Diese seien aber "in der Minderheit"; einen "Generalverdacht" gegen Eltern dürfe es nicht geben.
Für die Union sagte die familienpolitische Sprecherin von CDU/CSU, Dorothee Bär, das Betreuungsgeld sei "Zukunftsgeld“ und ermögliche echte Wahlfreiheit. Es gebe kein "staatlich verordnetes Familienmodell".
Deshalb investiere der Staat auch in einen Ausbau der Kindertagesbetreuung. Die heftige Reaktion vor allem der SPD zeige, dass sie Angst habe, die "Lufthoheit über den Kinderbetten zu verlieren".
Skeptischer zeigte sich Miriam Gruß, familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Sie betonte, das Betreuungsgeld sei nur ein Teil des Gesamtpakets, auf das die Koalition sich am Wochenende geeinigt habe und mit dem die Situation von Familien verbessert werde. Ihnen komme zudem die Anhebung des Grundfreibetrags wie auch die Abmilderung der sogenannten kalten Progression im Einkommensteuertarif zugute.
Beim Betreuungsgeld komme es auf die konkrete Ausgestaltung an: Fehlanreize müssten dabei unbedingt vermieden werden. Zur Wahlfreiheit für Familien gehöre auch entscheidend der Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten, für den der Bund vier Milliarden Euro zur Verfügung stelle. Dieses Geld würde aber von den Ländern unterschiedlich abgerufen - sie seien nun in der Pflicht.
Harsch fiel die Kritik der Oppositionsfraktionen aus. SPD-Fraktionschef Dr. Frank-Walter Steinmeier bezeichnete das Betreuungsgeld als finanz-, familien-, integrations-, frauen- und wirtschaftspolitischen "Unsinn".
Die Koalition tue so, als würde Frauen, die ihre Kinder daheim betreuen, die Anerkennung verwehrt und setze die Chancen der Kinder aufs Spiel, die eine Betreuung am dringendsten benötigen.
Für Die Linke betonte Ralph Lenkert, die Koalition unterstelle berufstätigen Eltern, ihre Kinder nicht zu erziehen. Er führte aus, dass die CDU in Thüringen vor einigen Jahren ein Landeserziehungsgeld eingeführt und dafür beim Ausbau der Kinderbetreuung gespart habe.
Dies sei auf großen Widerstand der Eltern gestoßen, denen es inzwischen gelungen sei, über ein Volksbegehren die Qualität der Kita-Betreuung deutlich zu erhöhen.
Die stellvertretende Vorsitzende von Bündnis 90/die Grünen, Ekin Deligöz, erinnerte die Koalition daran, dass es ihr in einer Anhörung des Bundestages nicht gelungen sei, einen Experten zu finden, der das Betreuungsgeld verteidigt hätte. Über das Ehegattensplitting, die kostenlose Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung und den Sockelbetrag beim Elterngeld für Hausfrauen würden Familien, bei denen ein Partner daheim bleibe, bislang schon stark unterstützt.
Die Koalition hänge "längst überholten Rollenbildern" an, die nicht das seien, was junge Eltern wollten. Die Debatten um die Verantwortung der Länder beim Kita-Ausbau, bei der alle Seiten sich den schwarzen Peter zuschöben, ohne dass etwas passiere, seien "Spielchen auf dem Rücken der Kinder". (suk)