Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Archive > 2011 > Finanzrahmen der EU 2014–2020
Erstmals befasst sich der Deutsche Bundestag mit einem Finanzrahmen der EU - bevor dieser überhaupt von den Mitgliedsländern der Gemeinschaft beschlossen wird. Ein Umstand, den Joachim Spatz (FDP) am Donnerstag, 24. November 2011, als erster Redner in der Debatte zum Haushaltsrahmen der EU von 2014 bis 2020 eine "historische Neuerung" nannte. Spatz spielte damit auf die Beteiligungsrechte des Parlaments an, die sich der Bundestag in der Folge des Lissabon-Vertrags und nach einem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2009 selbst gegeben hatte. Anlass der Debatte waren ein Antrag der Koalitionsfraktionen (17/7767) und ein Antrag der Fraktion der SPD (17/7808). Beide wurden in die Ausschüsse überwiesen.
In Zeiten der europäischen Staatsschulden-Krise gehen die Meinungen zum EU-Haushalt auseinander. Das machte auch diese Europa-Debatte mitten in der Woche abschließenden nationalen Haushaltberatungen im Bundestag deutlich. Union und FDP fordern eine Begrenzung des EU-Budgets auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung des EU-Raumes und eine "Konzentration auf das Machbare". Die Oppositionsfraktionen hingegen sehen mehr Spielraum bei der Deckelung und fordern darüber hinaus eine konsequente Neuausrichtung der Ausgabenpolitik: Weg von großzügigen Agrarsubventionen - hin zu mehr Bildung, Forschung und Sozialprogrammen.
Der Liberale Joachim Spatz machte deutlich, dass Union und FDP sowohl die Einführung von Eurobonds als auch einer EU-eigenen Steuer ablehnen würden. Die europaweite Einführung einer Finanztransaktionssteuer soll nach seinen Worten angestrebt werden "zugunsten nationaler Haushalte". Als Schwerpunkte von Förderungen mit "europäischen Mehrwert" nannte Spatz unter anderem die Bereiche Forschung, Technologie, transnationale Netze bei Verkehr, Energie und Kommunikation.
Bettina Kudla vom Koalitionspartner CDU/CSU unterstrich, dass gerade in diesen Bereichen in den nächsten Jahren erhebliche Investitionen anstehen. Sie forderte eine "Vorfahrt für Investitionen vor konsumtiven Ausgaben" und schlug vor, für diese Bereiche durch öffentlich-private Partnerschaften privates Kapital zu mobilisieren.
Eine eigene EU-Steuer lehnte die Finanz- und Europaexpertin strikt ab: "Eigene Steuern bedeuten das Risiko, dass die EU eigene Schulden aufnimmt", warnte Kudla.
Michael Roth von der SPD-Fraktion warf der Koalition vor, sie verfahre nach dem Motto „wasch mich, aber mach mich nicht nass“. Wer sonntags mehr Europa, Montag bis Freitag aber weniger Beiträge für Brüssel fordere, mache sich unglaubwürdig.
Die Koalition und insbesondere Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) bediene über den EU-Haushalt die Interessen der deutschen Landwirte. Prioritäten sollten vielmehr Wachstum und Beschäftigung sein, sagte Roth und verwies auf die erschreckenden Jugendarbeitslosigkeit in Ländern wie Griechenland und Spanien.
Dr. Dieter Dehm, Europaexperte der Linksfraktion, sah im Koalitionsantrag den Geist eines "deutschen Marktextremismus" am Werk. "Ihr Dogma vom hemmungslosen Wettbewerb ist und bleibt antieuropäisch“, sagte Dehm.
Insbesondere kritisierte er eine Militarisierung der EU durch die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, eine fehlende Ausrichtung auf erneuerbare Energien und die Unterordnung des Sozialen unter die Maßstäbe des Wettbewerbs. Als Beispiel nannte er die Beteiligung privater Geldgeber an öffentlichen Aufgaben. Dies sei ein "Brandbeschleuniger für steigende Preise", sagte Dehm.
Von einem klug aufzustellenden EU-Haushalt "mit ausreichend Manövriermasse" zur Krisenbewältigung sprach Viola von Cramon-Taubadel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie forderte unter anderem eine großzügigere Deckelung des EU-Haushalts auf 1,12 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung – auch deshalb, weil frühere Eigenmittel der EU im Laufe der Zeit weggefallen und andererseits auch neue Kosten auf die EU abgewälzt worden seien. Im Gegensatz zu manchen Stammtischreden hätten sich die deutschen Nettozahlungen an die EU von 11,3 Milliarden Euro im Jahr 1994 auf heute noch acht Milliarden Euro verringert.
Cramon-Taubadel forderte einen "Green New Deal auf EU-Ebene" der sich "wie ein grüner Faden" durch den EU-Haushalt ziehen solle. "Wir wollen nicht in Beton investieren, sondern in Köpfe, in Bildung, Know-how und Teilhabe", sagte die grüne Abgeordnete. (ahe)