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Vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) hat am Donnerstag, 1. Dezember 2011, Andreas Graf von Bernstorff über die Erkundungsbemühungen der Behörden am Gorlebener Salzstock berichtet. Dem Gutsbesitzer gehörte rund ein Drittel des Salzstocks. In ihm soll erkundet werden, ob er sich für ein Atommüll-Endlager eignet. Graf von Bernstorff sagte vor den Abgeordneten, er habe Mitte der siebziger Jahre in einem Gespräch mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) von den Erkundungsplänen für ein Nationales Entsorgungszentrum (NEZ) samt Wiederaufarbeitungsanlage und Endlager erfahren. „Albrecht sagte, er habe Verständnis, dass ich das Vorhaben nicht gleich begrüße“, sagte der 69-Jährige. In zwei Jahren, so der Landeschef damals zu ihm, würde sich die Bevölkerung daran gewöhnen. „Darin hat er sich getäuscht.“
Der Graf tritt bis heute die für die Erkundung nötigen Salzrechte nicht ab. „Mir wurde damals das Zehnfache des Marktpreises geboten“, sagte Graf von Bernstorff.
Der Gutsbesitzer sagte, die damals die Verhandlungen führende Deutsche Gesellschaft für die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) habe von allen Grundbesitzern eine Entscheidung binnen eines Monats gefordert. „Und es wurde verdeutlicht, dass bei einer Enteignung ein Bruchteil des Preises geboten würde.“
Als Hintergrund seiner Entscheidung deutete er an, ein vor 300 Jahren verfasstes Familienstatut stelle viele Anforderungen an den jeweiligen Grundbesitzer. „Man ist mehr Treuhänder des Guts, er soll es an die Nachkommen übertragen und nicht verkaufen.“
Der Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung, sich bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll auf den Standort Gorleben zu beschränken, zu Einflussnahmen oder Manipulationen gekommen ist.
„In den vergangenen 34 Jahren ist keine Rede gewesen von den Vorkommen von Kohlenwasserstoffen und Gas im Salzstock“, sagte Graf von Bernstorff. „Es hieß, man könne keinen anderen Standort untersuchen, und zwar wegen der herrschenden Gesetze.“ Zur geänderten Erkundungsstrecke sagte er: „Die hat nur den Sinn, die Salzrechte zu umgehen.“
Die Geologie habe nicht an erster Stelle bei der Auswahl des besten Standortes gestanden. „Wirtschaft und Politik haben es versäumt, den Konsens mit unserer Bevölkerung zu suchen.“ Die Übertragungsverhandlungen der DWK hätten eine schlechte Stimmung erzeugt. „Bis heute leidet die Bevölkerung unter der Spaltung in Pro und Kontra. Das hätte man anders angehen können.“
Aus den Koalitionsfraktionen wurde dem Grafen ein Vermerk vorgehalten, nach dem er 1983 sein Einverständnis in obertägige Erkundungen gab. „Ich gebe zu, dass ich nach dem Ende der Pläne einer Wiederaufarbeitung offen war. Mein Einverständnis galt hydrologischen Untersuchungen, das war weit entfernt von einem Endlagerbau.“
Auch sei diese Entscheidung vor dem Schachtausbau gefallen, der so breit ausgefallen sei, dass er schon für ein Endlager genutzt werden könnte. „Das war für mich eine ambivalente Situation.“ Schließlich müsse ja ein Endlager gefunden werden. „Aber es setzte sich bei mir immer mehr durch, dass hier nicht erkundet wird, sondern gleich ein Endlager gebaut wird.“
Wie reagierte der Landkreis Lüchow-Dannenberg auf die geplante Erkundung des Gorlebener Salzstocks als Endlager? Dazu sagte Klaus Poggendorf als Zeuge aus. Der Oberkreisdirektor von 1978 bis 1996 sagte, seit 1977 sei der Landkreis mit dem Projekt konfrontiert gewesen. „Der Kreistag hat sich deswegen mehrfach mit diesem Problem befassen müssen.“
Gerüchte über ein geplantes Nationales Entsorgungszentrum samt Wiederaufarbeitungsanlage und Endlager hätten erhebliche Unruhe in der Bevölkerung ausgelöst. „Als die Entscheidung fiel, äußerten auch die Gemeinden Gorleben und Gatow Bedenken. Es herrschte Furcht vor Demonstrationen. Man hatte gerade begonnen, den Fremdenverkehr auszubauen.“ Diese Befürchtung habe sich schließlich nicht bewahrheitet.
„Ministerpräsident Ernst Albrecht nahm Kontakt zur Bürgerinitiative und zum Grundbesitzer Graf Bernstorff auf“, erinnerte sich Poggendorf. „Die Kommunalpolitiker aber fühlten sich übergangen.“ Daher hätten sie die Gründung der so genannten Gorleben-Kommission betrieben, einer Experten-Anhörungsrunde für die Lokalpolitik. „Die Kommissionssitzungen wurden von Pressevertretern begleitet. Das war kein Geheimbund.“
Poggendorf schilderte, wie der Landkreis von Zahlungen des Bundes für das Zwischenlanger in Gorleben profitierte. Ein Zehn-Jahres-Vertrag von 1979 habe dafür gesorgt, das jährlich 4,1 Millionen DM an den Landkreis und die betroffenen Gemeinden geflossen seien. Eine so genannte Wohlverhaltensklausel verteidigte Poggendorf vor dem Ausschuss. Diese besagte, dass die Kommunalpolitiker das Projekt eines Zwischenlagers im rechtlichen Rahmen zu unterstützen haben.
Andreas Graf von Bernstorff, Gutsbesitzer im Landkreis, hatte bei seiner Zeugenvernehmung unmittelbar vor Poggendorf die Klausel kritisiert. „Diese Klausel beeinträchtigt die gewählten Vertreter in ihrer freien Meinung“, hatte er gesagt.
Poggendorf dagegen sagte, der seit 1991 von Kernkraftgegnern dominierte Kreisrat habe durch den Ansiedlungsvertrag zwischen 1992 und 2011 acht Millionen Mark eingenommen, davor seien es über drei Millionen Mark gewesen. „Wenn auch Kernkraftgegner dieses Geld annehmen, kann man diesen Beschluss ja wohl nicht als anstößig bezeichnen.“ Dieser Vertrag laufe noch heute. „Er kann jederzeit gekündigt werden.“
Vor dem Ausschuss räumte der 74-Jährige ein, viele Kommunalpolitiker hätten sich vom Entsorgungszentrum eine Lösung der wirtschaftlichen Probleme im Landkreis erhofft.
Zwischen 1979 und 1989 seien 21 Millionen Mark in den Landkreis investiert worden. „Das trug wesentlich zum Abbau der Strukturschwäche bei.“ (jr)