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Im Verkehrsausschuss äußerten sich Experten zu Maßnahmen gegen Verkehrslärm. © pa/Bildagentur online
Lärm kann krank machen. Darin waren sich die Sachverständigen bei der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung unter Vorsitz von Dr. Anton Hofreiter am Mittwoch, 14. Dezember 2011 einig. Grundlage des Hearings waren ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/4652) "Schutz vor Bahnlärm verbessern – Veraltetes Lärmprivileg Schienenbonus abschaffen" sowie ein Antrag der SPD-Fraktion (17/5461) mit dem Titel "Für einen Infrastrukturkonsens – Schutz der Menschen vor Straßen- und Schienenlärm nachdrücklich verbessern".
Prof. Dr. Rainer Guski von der Ruhr-Universität Bochum, wies in seiner schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass in der Lärmwirkungsforschung äquivalente Dauerschallpegel oberhalb von etwa 60 Dezibel (dB) am Tag und 50 dBA in der Nacht als gesundheitliche Bedrohung angesehen werden. Beziehe man diese Pegel auf die bundesdeutsche Wohnbevölkerung, dann bedrohe der Straßenlärm tags und nachts jeweils 30,9 Prozent der Bevölkerung, der Schienenlärm tags 9,3 Prozent und nachts 21,1 Prozent.
Für Dr. Wolfram Bartolomaeus von der Bundesanstalt für Straßenwesen handelt es sich bei der Festlegung von Grenzwerten bei Lärmvorsorge um "politische Entscheidungen“. Das Wünschenswerte steht dabei dem finanziell Machbaren gegenüber und es müssten "vernünftige Kompromisse“ gefunden werden. Er wies in seiner Stellungnahme auf die Lärmschutzpakete der Bundesregierung aus den Jahren 2007 und 2009 hin, mit dem der Verkehrslärmschutz verbessert werden solle.
Dazu habe der Bund 2006 die für Lärmsanierung zur Verfügung stehenden Mittel von 25 Millionen Euro auf 50 Millionen Euro pro Jahr verdoppelt sowie im vergangenen Jahr die Auslösewerte für Lärmsanierung an Bundesfernstraßen um drei dB abgesenkt. Diese Maßnahmen würden eine deutliche Verbesserung der Lärmsanierung an Bundesfernstraßen darstellen. Grundsätzlich hielt er eine quellennahe Lärmbekämpfung für sinnvoll. Dies könne durch lärmarme Straßenbeläge, lärmgeminderte Reifen und zukünftig verstärkt auch durch lärmarme Fahrzeuge (Elektromobile) geschehen.
Christian Popp, Lärmkontor GmbH, kritisierte, dass in Deutschland eine systematische Erprobung von für den Innerortsbereich geeigneten Straßenbelägen mit lärmmindernder Wirkung fehle. "Gelingt es nicht, für die Innerortsstraßen, die die meisten Lärmbetroffenen in Deutschland erzeugen, geeignete Straßenbeläge sicher zu identifizieren, werden die Kommunen weiter an individuellen Lösung basteln", sagte er.
Für Michael Jäger-Cüppers von der Deutschen Gesellschaft für Akustik ist trotz einiger Fortschritte die Beeinträchtigung durch Verkehrslärm in Deutschland nach wie vor zu hoch. Relevante Teile der Bevölkerung seien Pegeln ausgesetzt, die gesundheitliche Risiken durch Verkehrslärm befürchten lassen würden. Im Bereich der Straßenverkehrs würden diese Menschen vor allen an kommunalen Straßen wohnen. Die meisten Kommunen hätten jedoch keine Programme, die den Lärmsanierungsprogramm des Bundes an Bundesfernstraßen und –schienenwegen vergleichbar seien.
Beim Schienenverkehrslärm setzte sich Jäger-Cüppers für die Abschaffung des Schienenbonus mindestens für Belastungen, die gesundheitliche Risiken mit sich bringen, ein. Der sogenannte Schienenbonus besagt, dass fünf dBA vom gemessenen Schallpegel abgezogen werden. Ulrich Möhler, Möhler + Partner Ingenieure AG, wies auf die unterschiedlichen Schallpegel beim Lärm von der Schiene und der Straße hin.
Während es beim Straßenverkehrslärm eine Dauerbelastung gebe, seien für den Schienenverkehrslärm nach Ruhephasen Pegelspitzen typisch. "Die Bahngeräusche werden als weniger andauernd und unausweichlich bewertet und der Bahnlärm wird insgesamt als weniger beeinträchtigend empfunden, da die Geräusche für Betroffene vorhersagbar sind", schreibt er.
Möhler hielt eine generelle Abschaffung des Schienenbonus auf der Grundlage der jüngsten Untersuchungen der Lärmwirkungsforschung für "nicht begründbar“. Es habe sich jedoch gezeigt, dass der pauschale Ansatz des Korrekturwertes von fünf dBA für alle Situationen des durchgehenden Schienenverkehrs nicht angemessen sei.
Insbesondere für die Situation überdurchschnittlich hoher Vorbeifahrthäufigkeit von Güterzügen und mit geringen Abständen zwischen dem Verkehrsweg und der Wohnbebauung solle die Anwendung des Korrekturwertes überprüft werden.
Für Dr. Roland Diehl, Sprecher der Interessengemeinschaft Bahnprotest an Ober- und Hoch-Rhein (IG Bohr), hat sich der Schienenverkehrslärm inzwischen zu einem zentralem Umweltproblem entwickelt. Während sich beim Straßenlärm durch leisere Motoren lärmmindernde Reifen und Straßenbeläge eine erfreuliche Entwicklung abzeichne, sei der Schienengüterverkehr auf Grund des noch immer "überwiegend eingesetzten (ur)alten Wagenmaterials laut wie eh und je“.
Deshalb forderte er den Schienenbonus angesichts der zu erwartenden hohen Belastungen des Schienennetzes mit immer schnelleren, schweren und zahlreicheren Güterzügen "unverzüglich“ auszusetzen. „Wir können uns ein Privileg für den Bahnlärm nicht mehr leisten“, sagte er. (mik)