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Mit der Organisation von bürgerschaftlichem Engagement in Kommunen befasste sich der Unterausschuss. © dpa
Auf kommunaler Ebene muss das bürgerschaftliche Engagement gegen die klassischen Muster der Verwaltungsorganisation entwickelt und aufgebaut werden. Diese Ansicht vertrat der Verwaltungswissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Kegelmann von der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl am Mittwoch, 14. Dezember 2011, vor dem Unterausschuss "Bürgerschaftliches Engagement" des Familienausschusses. Gemeinsam mit den Abgeordneten unter Vorsitz von Markus Grübel (CDU/CSU) diskutierte Kegelmann über das Thema „Organisation und Koordinierung der Engagementförderung in Gemeinden und Kommunen“. Auf die eingangs genannte These aufbauend, analysierte Kegelmann: „Es gibt einen Widerspruch zwischen althergebrachten Strukturen und den Anforderungen, die das bürgerschaftliche Engagement stellt.“
Bei der Organisation des bürgerschaftlichen Engagements vor Ort gebe es drei Ansätze, erläuterte der Verwaltungswissenschaftler weiter. Zum einen sei dies die Schaffung einer langfristigen Struktur - entweder zentral in einer Stabstelle oder dezentral in einem eigenen Amt. Andere Kommunen wiederum schüfen keine Funktionseinheit, sondern gestalteten einen Prozess.
Bei einem solchen „Prozess Bürgerschaftliches Engagement“ würden sehr viele zivilgesellschaftliche Akteure eingebunden, die sich darüber Gedanken machen, „wo es Probleme und Defizite in der Stadt gibt“ und dazu dann Programme entwickelten.
Der dritte Ansatz sei der projektorientierte, der den Aufbau einer langfristigen Struktur nicht vorsieht, sondern stattdessen die Organisation von Projekteinheiten, mit denen die Akteure zusammengebracht werden. Am sinnvollsten, so machte Kegelmann deutlich, sei die Kombination der drei Ansätze.
Gebraucht werde also ein zentral organisierter Ansprechpartner, „möglichst im Rathaus“. Parallel dazu müssten jedoch externe Strukturen aufgebaut werden, damit auch von außen Druck auf das Thema aufgebaut werden könne.
Ebenfalls wichtig sei die Verankerung des Themas in den Fachämtern der Kommunen, die auch Verantwortung übernehmen müssten. Wenn nun noch eine sinnvolle Vernetzung mit Projektarchitekturen erfolge, könne das Thema "Bürgerschaftliches Engagement" in der Kommune gut organisiert werden, urteilte Professor Kegelmann.
Im Verlaufe der anschließenden Diskussion forderte die SPD-Abgeordnete Ute Kumpf, die Kommunen müssten sich für das bürgerschaftliche Engagement „mehr öffnen“. Zugleich kritisierte sie, dass der Städtetag noch nicht erkannt habe, dass sich die Verwaltungsstrukturen ändern müssten.
Auf die Situation hochverschuldeter Kommunen ging Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) ein. Eine Stadt im Haushaltsnotstand werde lediglich die Pflichtaufgaben übernehmen, statt Geld für die Strukturen des bürgerschaftlichen Engagements bereitzustellen.
In solchen Fällen, so entgegnete Professor Kegelmann, sollte die Unterstützung in anderer Form erfolgen. Mit Fortbildungen und Datenbanken etwa könne man „niedrigschwellige Angebote schaffen, die mit wenig Ressourcen verbunden sind“ und auch fortgeführt werden könnten, wenn die finanzielle Unterstützung ausläuft. Fatal hingegen wäre es zu sagen: „Wir machen nichts“, warnte Kegelmann.
Der Widerspruch – auf der einen Seite sich beim bürgerschaftlichen Engagement nicht vom Staat reinreden lassen zu wollen, aber auf der anderen Seite sich von dort Hilfe zu erwarten – ist aus Sicht Kegelmanns lösbar. „Es geht beides“, sagte er. Schließlich habe der Staat ein Interesse am bürgerschaftlichen Engagement, da so kommunale Aufgaben übernommen werden könnten.
Der Staat versuche also, das bürgerschaftliche Engagement „zu instrumentalisieren“. Das dürfe jedoch nicht überstrapaziert werden, denn: „Der Zivilbürger lässt sich nicht instrumentalisieren“, zeigte sich der Experte überzeugt. Aufgaben würden nur übernommen, wenn es ein Interesse dafür gibt. „Der Diskurs darüber muss aber geführt werden“, forderte Kegelmann. (hau)