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Kurz vor Beginn des Starts der Rente mit 67 im Januar 2012 hat der Bundestag am Donnerstag, 15. Dezember 2011, noch einmal das kontroverse Thema diskutiert. Konkreter Anlass war eine Große Anfrage der Fraktion Die Linke (17/5106) zu diesem Thema und die Antwort der Bundesregierung darauf (17/7966). Außerdem legten Die Linke und die SPD noch Entschließungsanträge vor, die jedoch beide keine Mehrheit fanden. In namentlicher Abstimmung votierten nur 72 Abgeordnete für die Initiative der Linksfraktion, 488 lehnten sie bei 15 Enthaltungen ab. Die Linke hatte in ihrem Entschließungsantrag (17/8151) gefordert, die Rente mit 67 zu stoppen. Die SPD hatte in ihrem Entschließungsantrag (17/8150) verlangt, die Anhebung des Rentenalters auszusetzen, bis mindestens 50 Prozent der 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind.
In ihrer Großen Anfrage „Rente erst ab 67 – Risiken für Jung und Alt“ bezeichnen die Abgeordneten die für das Jahr 2012 beschlossene Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre als „unvertretbar.“ Außerdem werfen sie der Bundesregierung vor, die Auswirkungen für die Bevölkerung zu verschweigen. „Wer im Alter erwerbslos ist, hat nur wenige Chancen, wieder eine reguläre Beschäftigung zu finden“, schreibt die Fraktion.
„Insbesondere Personen mit relativ geringer Bildung oder jene mit gesundheitlichen Einschränkungen bekommen jenseits der 50 kaum mehr eine Chance auf einen guten, geschweige denn auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz“, so Die Linke.
In ihrer Antwort darauf macht die Bundesregierung deutlich, dass sie zur Rente ab 67 steht: „Die Entscheidung von damals bleibt auch heute richtig“, betont sie. Denn der demografische Wandel verändere den Altersaufbau der Bevölkerung tiefgreifend. Künftig würden weniger und durchschnittlich ältere Erwerbstätige Wohlstand und soziale Sicherung erwirtschaften müssen.
Schon in wenigen Jahren drohe ein Arbeitskräftemangel. Aber, so schreibt die Regierung weiter: „Die Folgen der Veränderung des Altersaufbaus der Bevölkerung sind gestaltbar – auch deshalb, weil die heutigen und künftigen Älteren nicht nur länger leben als Ältere früherer Generationen, sondern auch länger gesund und aktiv sind."
In der Debatte betonte Klaus Ernst (Die Linke) noch einmal, dass die Voraussetzungen für die Rente mit 67 nicht erfüllt sind. Dazu gehöre, „dass man mit 64 Jahren überhaupt noch Arbeit hat. Denn wenn das nicht der Fall ist, dann bekommt man auch mit 65 oder 66 keine Arbeit mehr“, empörte sich Ernst. Derzeit seien aber nur knapp neun Prozent der 64-Jährigen vollzeiterwerbstätig, bei den Frauen nur fünf Prozent.
Für 90 Prozent der Menschen bedeute die Anhebung des Renteneinstiegsalters deswegen nichts anderes als eine „äußerst brutale Rentenkürzung“. Deshalb müsse man von dem Vorhaben „dringend Abstand nehmen“, forderte Ernst. Auch das Argument einer Beitragsstabilisierung ließ er nicht gelten: 0,5 Prozent geringere Beiträge rechtfertigten nicht, zwei Jahre länger arbeiten zu müssen.
Man müsse schon so „betonhart in der Vergangenheit leben“ wie Die Linke, entgegnete Bundesarbeitsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU), um die aktuellen Entwicklungen nicht zu erkennen. Weder könne man behaupten, die Lebenserwartung von Geringverdienern sinke, noch könne man leugnen, dass sich die Arbeitsmarktlage Älterer in den vergangenen Jahren deutlich verbessert habe.
In den letzten zehn Jahren habe sich die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen verdoppelt, so der Einwand der Ministerin. Es sei ein Gebot der Fairness den Jungen gegenüber, das Renteneintrittsalter anzuheben. „Europa ist ein Kontinent des langen Lebens, und darauf müssen wir reagieren. Wir machen keine Rolle rückwärts, wir bleiben standfest“, verteidigte die Ministerin die Rente mit 67.
Elke Ferner (SPD) warf ihr daraufhin vor, die soziale Lage der Menschen in diesem Land „überhaupt nicht zu kennen“. Nur jeder Fünfte sei bei Renteneintritt tatsächlich versicherungspflichtig beschäftigt, ein Viertel der Menschen gehe dagegen aus der Arbeitslosigkeit in Rente. Sie warf der Bundesregierung vor, bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik Milliarden zu kürzen und so die Chancen Älterer, im Arbeitsleben zu bleiben oder wieder hineinzufinden, massiv zu beschränken.
Die SPD-Politikerin forderte, Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit für Renten höher zu bewerten und die Bedingungen für den Erhalt einer Erwerbsminderungsrente zu verbessern. Die Zurechnungszeiten sollten auf 62 Jahre angehoben und die Abschläge auf diese Rentenform abgeschafft werden, so Ferner.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) betonte, es sei die SPD gewesen, die die Rente mit 67 eingeführt habe. In Bezug auf den Verweis der SPD-Fraktion auf die Überprüfungsklausel des Gesetzes fragte er: „Was haben Sie denn damals erwartet, wie sich die Erwerbslage der Älteren entwickeln würde?“ Immerhin sei die Erwerbstätigenquote der Älteren um 40 Prozent seit 2000 gestiegen.
Kolb warf auch der Linken vor, unseriös mit Zahlen umzugehen, die die Regierung vorgelegt habe. „Es ist unglaublich, wie Sie hier den Eindruck erwecken, dass die Bundesregierung an einem sozialverträglich frühen Ableben der Menschen interessiert sei“, empörte er sich.
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) wehrte sich dagegen, die Rente mit 67 grundsätzlich abzulehnen. Zwar müsse man die Nachteile klar benennen, aber auch die Vorteile nicht außer Acht lassen. Es klinge zunächst nicht viel, wenn man sagt, der Beitragssatz in der Rentenversicherung würde sich ohne die Rente mit 67 um 0,5 Prozentpunkte erhöhen. Insgesamt würden die Arbeitnehmer aber dadurch um vier Milliarden Euro entlastet, rechnete Strengmann-Kuhn vor.
Er forderte aber dennoch, die Übergänge in die Rente flexibler zu gestalten. Jeder soll frei entscheiden können, wann und wie er in Rente gehen will. Außerdem müsse das Erwerbsleben so gestaltet werden, dass man auch gesund länger arbeiten könne. Er plädierte zudem für eine grüne Garantierente, die den Menschen nach 30 Versicherungsjahren ein Niveau über der Grundsicherung garantiert.
Karl Schiewerling (CDU/CSU) wies in der Debatte darauf hin, dass die Rentenversicherung gestärkt aus der aktuellen Finanzkrise hervorgegangen und ihre Akzeptanz so groß wie nie zuvor sei. Immer weniger junge Menschen müssten jedoch in Zukunft immer mehr ältere versorgen, deshalb müsse man die Stellschrauben für die Zukunft der Rentenversicherung richtig stellen, betonte er.
Eine Anhebung der Beiträge, eine Absenkung des Sicherungsniveaus oder eine Erhöhung des Bundeszuschusses seien keine ernsthafte Alternative zur Rente mit 67, sagte Schiewerling. (che)