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Die Künstlerin Katharina Sieverding hat die Gedenkstätte für die verfolgten Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik bereits im Jahr 1992 für das Reichstagsgebäude gestaltet. Das fünfteilige Fotogemälde erweckt mit dem Hintergrundmotiv der lodernden Sonnenkorona Assoziationen sowohl an den Reichstagsbrand und den von den Nationalsozialisten ausgelösten Weltenbrand als auch an die geläuterte Wiedergeburt des demokratischen Deutschlands als "Phoenix aus der Asche".
Katharina Sieverding, die an der Kunstakademie Düsseldorf bei Joseph Beuys studierte, gehört zu den Pionieren einer Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeiten des Mediums Fotografie. Ihre seriellen Fotofolgen, die mit Überblendungen arbeiten, Selbstdarstellungen und Rollenspiele vorführen, sind sowohl Ausdruck von Reflexionen zur eigenen Identität als auch Stellungnahme zu politisch-gesellschaftlichen Fragen.
In dem Fotogemälde ist eine Röntgenaufnahme in Gelb vor ein Flammenmeer gesetzt. Sie zeigt in der Mitte ein Rückgrat, links davon einen Krebstumor, und wirkt als Menetekel auf den Tod des Organischen wie eine bedrohliche Tür in den Flammenofen. Gleichzeitig jedoch stellt das zentrale Motiv des Rückgrats den Bezug zu den Mitgliedern des Reichstags her, die wortwörtlich Rückgrat bewiesen und sich dem Terror der Nationalsozialisten nicht gebeugt haben. Die ihr Schicksal würdigenden Gedenkbücher liegen vor dem Mahnmal auf drei Holztischen aus. Im zentralen der drei Gedenkbücher sind die Schicksale der 120 ermordeten Mitglieder des Reichstags jeweils mit einem Porträtfoto und einer Lebensdarstellung gewürdigt. Die beiden anderen erinnern an die Abgeordneten, die inhaftiert, in die Emigration getrieben wurden oder anderen Verfolgungen ausgesetzt waren. Der Düsseldorfer Künstler Klaus Mettig entwarf die Gedenkbücher auf der Grundlage eines vom Deutschen Bundestag in Auftrag gegebenen Forschungsprojekts.
Katharina Sieverding wiederum schlug mit dem quasi-dokumentarischen Medium der Fotografie den Bogen zu den wissenschaftlichen Vorarbeiten, die dem Projekt zugrunde liegen. Ihr Entwurf hatte überzeugt, weil sie den Rückblick auf die Greuel des nationalsozialistischen Terrors mit einer Würdigung der verfolgten Abgeordneten und einem freien assoziativen Blick auf Gegenwart und Zukunft deutscher Geschichte zu verbinden wusste. Die Künstlerin selbst erläuterte ihr Entwurfskonzept mit den Worten: "Hier wird gemahnt an die Vorgeschichte der schleichenden ›Krise‹, ebenso der Blick für die zukünftige Dimension verschärft." Das janusartige Tormotiv, ambivalent dem Blick sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft offen, lässt die deutlich durchschlagende Feuerlohe wie ein Menetekel an der Wand als Mahnung verstehen, die Sicherung dieser Zukunft unserer Demokratie als eine fortwährende Aufgabe und Herausforderung zu begreifen.
geboren 1944 in Prag, lebt und arbeitet in Düsseldorf und Berlin.
Text: Andreas Kaernbach
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages