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Als das Bundesverfassungsgericht am 12. September den Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und den europäischen Fiskalpakt für verfassungskonform erklärte, geschah dies nicht ohne Auflagen. Der Bundestag hat sich am Mittwoch, 26. September 2012, in einer kurzfristig anberaumten Debatte mit der Umsetzung dieser Auflagen beschäftigt. Die Bundesregierung hatte dazu eine Unterrichtung (17/10767) vorgelegt, die der Bundestag mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zur Kenntnis nahm. Dagegen stimmte die Linksfraktion, die verlangt hatte, die Unterrichtung zur weiteren Beratung an die Ausschüsse zu überweisen.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), stellte die Unterrichtung vor und würdigte das Karlsruher Urteil als Signal für mehr Rechtsfrieden und Entspanntheit in der Debatte um den ESM.
Die Richter hatten die Bundesregierung beauftragt sicherzustellen, dass die im ESM-Vertrag geregelte Haftungsbeschränkung sämtliche Zahlungsverpflichtungen Deutschlands aus diesem Vertrag der Höhe nach auf gut 190 Milliarden Euro begrenzt, dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden darf, dass für Deutschland höhere Zahlungsverpflichtungen begründet werden, ohne dass der deutsche Vertreter den ESM-Gremien zugestimmt hat, und dass die Regelungen über die Unverletzlichkeit der Unterlagen des ESM und die berufliche Schweigepflicht aller für den ESM tätigen Personen einer umfassenden Unterrichtung des Bundestages und des Bundesrates nicht entgegenstehen.
Nachdem das Bundeskabinett am 26. September Textentwürfe für eine gemeinsame Erklärung aller Unterzeichnerstaaten des ESM-Vertrags und einer einseitigen Erklärung Deutschlands gebilligt hatte, soll die gemeinsame Erklärung noch am gleichen Tag von den Vertragsstaaten völkerrechtlich bindend in Brüssel angenommen und anschließend vom Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union notifiziert werden.
In der Unterrichtung heißt es dazu wörtlich: "Da mit der Erklärung lediglich der Inhalt des ESM-Vertrages klargestellt wird und sich die vorgenommene Fassung vollständig im Rahmen der stets von Bundesregierung und Bundestag vertretenen Auslegung bewegt und diese bestätigt, stellt sie nach Auffassung der Bundesregierung keine Änderung des ESM-Vertrages dar und löst daher für Bundestag und Bundesrat keine erneuten Zustimmungs- oder Ratifizierungserfordernisse aus."
Geplant sei, dass Deutschland unmittelbar nach Beschluss und Notifizierung der gemeinsamen Erklärung den ESM-Vertrag ratifiziert und damit den ESM in Kraft setzt. "Damit steht uns ein robustes Instrument zur Bewältigung der Krise in einem nach wie vor unruhigen Marktumfeld zur Verfügung, und wir haben einen entscheidenden Schritt hin zu einer stabileren Lage im Euroraum getan", heißt es in der Unterrichtung.
"Es ist uns gelungen, Handlungsfähigkeit auf europäischer Ebene zu beweisen und grünes Licht für den ESM zu schaffen", fügte Kampeter in der Debatte hinzu.
Dieser Auslegung widersprach hingegen Dr. Diether Dehm von der Linksfraktion. Er sieht in den Erklärungen, die die Vorbehalte des Verfassungsgerichts umsetzen sollen, eine Vertragsänderung, die ratifiziert werden müsse: "Das Mindeste ist eine ordentliche Behandlung im Bundestag."
Die Bundeskanzlerin rief Dehm auf, "rücksichtslos" gegenüber den Verursachern der Krise zu sein und dafür zu sorgen, dass die Staaten neue Einnahmen bekommen. Ohne die Klage der Linken in Karlsruhe hätte es die rechtlich verbindlichen Vorbehalte überhaupt nicht gegeben, sagte Dehm.
Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD, erklärte, seine Fraktion trage die Erklärungen mit. Die ESM-Gremien seien dem Bundestag auskunftspflichtig. Entscheidend sei aber die Frage der unbegrenzten Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB). Wenn die Regierung den Eindruck erwecke, die Haftungssumme Deutschlands wäre auf den ESM begrenzt, dann führe sie die Öffentlichkeit an der Nase herum. Die Haftungssumme sei deutlich größer, und der Bundestag sei der richtige Ort, um über Haftungsrisiken zu reden.
Die SPD sei bereit, die Kosten zu benennen, aber nicht bereit, diese über die Bilanz der EZB zu sozialisieren. Die SPD habe ihre Zustimmung zum ESM von der Einführung einer Finanztransaktionssteuer abhängig gemacht und erwarte dazu noch im Oktober einen "Fahrplan".
Schneiders Aussagen stießen bei Otto Fricke (FDP) auf heftigen Widerspruch. Fricke hielt ihm "Brandstifterei" vor. "Unsere Aufgabe hier ist, Vertrauen für die Entscheidungen dieses Parlaments beim Bürger zu erzeugen. Sie wollen durch Misstrauen plumpe, primitive Politik machen", sagte Fricke an Schneider gerichtet.
Europa sage, was der Bundestag beschlossen habe, sei "das, was wir wollen". Es gebe keinen anderen Interpretationsspielraum. Das Gesetz nenne eine feste Haftungsobergrenze, und das Gericht "hat uns darin bestätigt". Seiner Fraktion gefalle zwar nicht, was die EZB gemacht habe, doch achte sie sowohl die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts als auch der EZB.
Manuel Sarrazin (Bündnis 90/Die Grünen) griff sowohl Fricke als auch Dehm an. An Fricke gewandt sagte er: "Sie sind doch heilfroh, dass die Koalition nicht dadurch zu Bruch geht, dass Sie mal eine Entscheidung für Europa treffen müssen."
Die Linke bezeichnete er als "schlechte Verlierer". Sie wolle den Euro kippen, habe dafür aber keine Mehrheit im Bundestag. Zu den von der Linken betriebenen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht merkte Sarrazin an, Die Linke beschädige das Bundesverfassungsgericht in seiner "legitimatorischen Funktion".
Der CSU-Abgeordnete Bartholomäus Kalb verurteilte wie Fricke die Aussagen Carsten Schneiders, die mit dem Thema dieser Debatte nichts zu tun hätten. "Wir haben allergrößten Wert auf eine unabhängige EZB gelegt", betonte Kalb. "Wir werden noch sehr dankbar sein über eine unabhängige Zentralbank."
Die SPD rede anders als ihr haushaltspolitischer Sprecher, die Partei- und Fraktionsführung vertrete eine klarere Linie als dieser, konstatierte Kalb. Er begrüßte die Erklärungen der Bundesregierung und unterstrich, dass Karlsruhe die Bundestagsbeschlüsse im Einklang mit der Verfassung sehe. (vom/26.09.2012)