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Der 34-jährige Moskauer Jurist Nikolai Alexejew ist einer der bekanntesten Kämpfer für die Gleichbehandlung von Homosexuellen in Russland. Repressalien und Behördenwillkür musste er schon oft am eigenen Leib erfahren. Der menschenrechts- politische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, unterstützt den Aktivisten und übernahm 2006 im Rahmen des Programms "Parlamentarier schützen Parlamentarier" (PsP) die Patenschaft.
Das erste Mal sind sich Volker Beck und Nikolai Alexejew 2002 auf der Weltkonferenz des Internationalen Lesben- und Schwulenverbandes (ILGA) in Genf begegnet. Damals hatte Alexejew schon erste Pläne, den Christopher-Street-Day (CSD) auch in die russische Hauptstadt zu holen. Bis zur Umsetzung sollten aber noch vier weitere Jahre vergehen.
Am 27. Mai 2006 trafen sich internationale Menschenrechtsaktivisten zur ihrer ersten Manifestation in Moskau. Das Datum erinnert an die Legalisierung von Homosexualität 1993 in Russland. Auch Volker Beck ist dabei. Die Repressalien, denen Homosexuelle in Russland bis heute ausgesetzt sind, konnte Beck dort am eigenen Leib erleben. Der deutsche Bundestagsabgeordnete wurde verprügelt und verletzt.
Seit diesem Erlebnis setzt sich Beck zusammen mit Alexejew dafür ein, dass auch in Russland Lesben und Schwule frei für ihre Rechte demonstrieren können. Beck übernahm die Patenschaft für Alexejew, der bis heute der bekannteste und engagierteste Kämpfer für die Rechte von Homosexuellen in Russland ist.
Welcher Gefahr Menschenrechtsaktivisten ausgesetzt sind, zeigt auch die Verhaftung von Alexejew am 15. September 2010 durch den russischen Geheimdienst auf dem Moskauer Flughafen. Drei Tage war der Jurist spurlos verschwunden. Auch Beck ist besorgt, informiert sofort die Medien und das Auswärtige Amt. Aufgrund seiner Initiative unterzeichneten Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen einen Aufruf mit der Forderung nach sofortiger Freilassung von Alexejew, der der russischen Botschaft übergeben wurde.
Tatsächlich wurde Alexejew kurz darauf auf freiem Fuß gesetzt. Beck spricht von einem "kleinen Erfolg". Die Ängste vor Staatswillkür und Unterdrückung durch die Verschleppung sind bei Alexejew durch diesen Vorfall noch gestiegen. Nach eigenen Angaben wurde Alexejew in die Stadt Tula rund 180 Kilometer außerhalb von Moskau, verschleppt. Er sollte gezwungen werden, seine Klagen beim Europäischen Gerichtshof und gegen die Moskauer Stadtverwaltung wegen des Demonstrationsverbots für die Rechte von Homosexuellen zurückzunehmen. In einer Pressekonferenz informierte der Menschenrechtsaktivist detailliert über die erfahrenen Repressalien und bedankte sich für die internationale Solidarität.
"Das Menschenbild in der russischen Politik ist nach wie vor geprägt von der Maxime der Ungleichwertigkeit", begründet der Grünen-Politiker sein Engagement. Ein Beispiel dafür sei das jährliche Verbot des Christopher-Street-Days durch den für schwulenfeindliche Äußerungen bekannten Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow. „Das bisherige CSD-Verbot in Moskau war unter allen Umständen diskriminierend und rechtswidrig", sagt Beck. Es habe gegen die Versammlungsfreiheit, gegen die Meinungsfreiheit und den Gleichheitsanspruch von Lesben und Schwulen verstoßen.
Doch trotz internationaler Proteste und eines Urteils vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird auch in diesem Jahr der Christopher-Street-Day in der russischen Hauptstadt untersagt, weil angeblich nicht für die Sicherheit der Teilnehmer garantiert werden könne. Beck spricht von einer "fadenscheinigen Farce". Er fügt fragend hinzu: "Ein Staat, der mit einem gigantischen Sicherheits- und Militärapparat Menschen zu Hunderten verschleppen, foltern und ermorden lassen kann, will seine Minderheiten nicht schützen."
Die Haltung der russischen Machthaber empört den menschenrechtspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen jedes Mal aufs Neue. Er brachte im Bundestag zahlreiche Resolutionen ein, in denen er sich zusammen mit seinen Abgeordnetenkollegen für Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Russland einsetzt. Dabei steht Beck stets in engem Kontakt mit Alexejew, der inzwischen auch internationale Anerkennung genießt. Beide stehen in ständigem Kontakt und treffen sich regelmäßig.
"Das Erstaunliche an der Situation in Russland ist, das – von wenigen Ausnahmen abgesehen – alle Grund- und Menschenrechte bereits Gesetz sind", sagt der Bundestagsabgeordnete. Wirklich frustrierend sei aber, wenn die Gesetzeslage mit den tatsächlichen Verhältnissen verglichen werde. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit werde systematisch eingeschränkt, Menschenrechtsverteidiger unter Druck gesetzt, verfolgt und aufgrund fadenscheiniger Vorwürfe eingesperrt.
Eine freie Presse- und Medienlandschaft werde unterdrückt, zählt Beck auf. Nicht ohne Grund sei Russland der Staat mit den meisten Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die dort verhängten Strafgelder zahle Russland anstandslos, doch ändert sich dadurch nichts an dem eigentlichen Problem. Umso wichtiger ist nach Überzeugung des Grünen-Politikers deshalb internationale Rückendeckung für Bürgerrechtler in Russland. Mit der Patenschaft für Alexejew geht er einen ersten Schritt. (sn)