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Vielen Dank, Herr Königshaus, Hellmut.
Sehr geehrte Gäste, liebe Veteranen, Mitglieder der Bundeswehr, sehr geehrter Herr Vizekanzler, sehr geehrter Herr Verteidigungsminister de Maizière, sehr geehrter Herr Minister Jung, sehr geehrte Abgeordnete, liebe Kollegen.
Es ist eine große Ehre für mich, heute hier zu sein, und ich möchte Ihnen danken, dass Sie an dieser Veranstaltung teilnehmen, die meiner Ansicht nach sehr wichtig ist, weil wir dieselben Prioritäten teilen: unsere Veteranen, ihre Familien und ihr Wohlbefinden. Deshalb sind wir heute Abend hier. Wir sind heute hier, um zu sehen, wie wir als Soldaten, Politiker, Beamte die Betreuung unserer Veteranen gewährleisten können. Ich konnte Hellmut im letzten Herbst in Ottawa kennen lernen, es schüttete, aber das hat uns nicht von einer gemeinsamen Kranzniederlegung abgehalten und es war eine Ehre für mich, gemeinsam mit einem deutschen Abgeordneten einen Kranz niederzulegen. Ich möchte Ihnen heute berichten, welche Pläne wir für unsere Veteranen in Kanada haben, und mit Ihnen über unsere Erfahrungen sprechen, damit wir unseren Veteranen besser dienen können.
Wir haben in Kanada zwei Arten von Veteranen. Wir sagen immer, wir haben etwa 700 000 Veteranen. Wir haben die traditionellen Veteranen, sie sind 88 Jahre alt. Wir betreuen sie, wie wir Großväter betreuen würden, und so machen wir das in der Regel. Wir helfen ihnen nicht nur mit dem Veteranenunabhängigkeitsprogramm (Veterans Independence Program). Sie brauchen hauswirtschaftliche Leistungen, damit sie in ihrer Wohnung bleiben können, und wir haben diesen Prozess vereinfacht, weil wir einen gemeinsamen Feind haben – die Bürokratie. Wir müssen unsere Prozesse verschlanken und mit dem Papierkrieg aufräumen. Bisher musste ein Veteran jedes Mal, wenn er Fenster putzen lassen wollte, eine Rechnung und eine Quittung einsenden und dann haben wir einen Scheck ausgestellt. Deshalb haben wir gesagt, vielleicht können wir eine andere Lösung finden. Jetzt bezahlen wir diese Leistungen im Voraus. Das war einfach, aber dadurch entfielen Millionen von Transaktionen und damit helfen wir unseren traditionellen Veteranen.
Aber da sind auch die modernen Veteranen. Diejenigen, die aus Afghanistan zurückkehren, von unserem gemeinsamen Friedenssicherungseinsatz. Diese Veteranen sind viel jünger, ihre Bedürfnisse sind andere und sie erwarten mehr von uns. Deshalb ist dies eine Herausforderung.
Jeder Politiker beginnt seine Rede mit einem Beispiel und ich möchte Ihnen von General Roméo Dallaire erzählen. General Dallaire befehligte die Mission in Ruanda – die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Ruanda UNAMIR. Er versuchte, den Völkermord zu verhindern, aber es kam zum Völkermord und 800 000 oder mehr Menschen, bis zu 1 Millionen Ruander wurden ermordet. General Dallaire kam 1994 nach der Mission zurück, sechs Jahre später aber versuchte er mit Hilfe von Alkohol und Antidepressiva Selbstmord zu begehen. Da war es. Das Thema psychische Gesundheit. Das, wofür wir keinen Namen haben: Granatenschock, posttraumatischer Stress. Er hatte den Mut zuzugeben, dass er ein Problem hatte. Wir müssen General Dallaire, der sich so offenbart hat, dankbar sein. Heute ist er Senator. Wir sind nicht in derselben Partei, aber das macht nichts. Er leistet gute Arbeit und ist Mitglied des Veteranenausschusses. Vor allem aber kämpft gegen die Existenz von Kindersoldaten. Und ebenso wichtig ist, dass er mit sich selbst im Reinen ist und mich sehr gut berät. Aber er hat viel früher angefangen. 2006, als wir sagten, wir können einem Veteranen nicht einfach nur eine kleine Rente geben und ihm sagen, lebe Dein Leben weiter. Wir müssen ihm Unterstützung bieten. Aus diesem Grund haben wir 2006 die Neue Veteranencharta entwickelt. Wir bieten eine ganze Palette von Leistungen. Rehabilitationsleistungen, Verdienstausfallzahlungen etc. Ziel des Programms ist der erfolgreiche Übergang ins zivile Leben. Ist das Programm perfekt? Nein. Es ist ständig im Fluss. Darum haben wir im letzten Jahr die Neue Veteranen-Charta geändert und verbessert.
Wir arbeiten täglich daran. Auch in der letzte Woche haben wir an Verbesserungen gearbeitet, weil wir unseren Veteranen die besten Leistungen bieten wollen. Natürlich arbeiten wir eng mit dem Verteidigungsministerium zusammen. Wenn ein Soldat aus medizinischen Gründen entlassen wird, dann kommt er zu uns. Er kommt zu uns und dann schauen wir gemeinsam, wie wir ihn ins zivile Leben bringen können. Natürlich ist das Thema psychische Gesundheit wichtig. Deshalb verfügen wir auf Militärbasen über Kliniken für Erkrankungen bedingt durch Einsatzbelastungen und arbeiten Hand in Hand mit der Armee. Wenn ein Soldat überwiesen wird, können wir ihn im Empfang nehmen, begrüßen und ihm die Leistungen bieten, auf die er Anspruch hat. Auf eine Sache in unserem Leistungsangebot bin ich wirklich stolz. Für uns arbeiten Veteranen, die posttraumatischen Stress erlebt haben. Ein Veteran kann also zu uns kommen und sagen: "Ich weiß, was Du durchgemacht hast. Ich habe selber etwas Ähnliches erlebt." Wir nennen es gegenseitige Unterstützung, eine Basisinitiative und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass den Veteranen so am besten geholfen wird. Und in diese Richtung gehen wir.
Natürlich betreuen wir unsere Veteranen. Am Ende des 2. Weltkriegs, hatten wir keine Krankenhäuser, also stellten wir unseren Veteranen Betten zur Verfügung. Wir kümmern uns um die Medikamentenversorgung und die Unterstützung zu Hause. Und bei den modernen Veteranen müssen wir neue Wege finden, sie zu erreichen. Deshalb haben wir in der letzten Woche den Veteranen-Leistungs-Browser ins Netz gestellt. Was das ist? Es ist eine Website, denn unsere Veteranen sind auf Twitter, auf Facebook, sie vernetzen sich und wollen wissen: "Was gibt es für mich?" Mit diesem Browser können sie durch die vielen Programme und Beschreibungen, die wir ihnen bieten, schauen. Jetzt haben sie Zugriff, wann immer sie das wollen. Das als Beispiel dafür, was wir für unsere Veteranen tun. Wir tun es und wir werden es weiter tun. Ich habe einen Kontrolleur in Kanada, der mir sagt, was ich besser machen könnte. Unter anderem hat er mit gesagt, ich sollte mit meinen Veteranen auf verständliche Weise kommunizieren, denn sie verstehen es nicht. Das war ein großes Problem, denn ein Veteran muss verstanden werden, weil sonst eine Menge Frustration entsteht. Wir haben festgestellt, wenn wir ihn respektvoll und effizient fragen, was er fordert, und ihm mitteilen, wie die Entscheidung lautet, was die Fakten sind, und erklären, worauf diese Entscheidung beruht und wie wir dazu gelangt sind, dann mindert das die Frustration und manchmal – selbst wenn es nicht die Antwort ist, die der Veteran erwartet – kann er damit leben, weil er sie versteht.
Es gibt 700 000 Veteranen in Kanada. Wir als Veteranen kümmern uns um die Betreuung in Fällen von Einsatzverwundungen. Wenn also eine psychische oder physische Verletzung mit dem Einsatz zu tun hat, dann kommen sie zu uns. Wir betreuen etwa 200 000 Veteranen. Ein Drittel sind traditionelle Veteranen und ihre Zahl nimmt wirklich schnell ab. Wir betreuen unsere modernen Veteranen sowie deren Ehepartner. Das sind die Menschen, mit denen wir arbeiten, und wir erwarten natürlich, dass wir uns um mehr moderne Veteranen zu kümmern haben: beispielsweise diejenigen, die aus dem Einsatz in Afghanistan zurückkommen. Ein, zwei, drei, vier, fünf Jahre nach ihrem Einsatz können sie zu uns kommen, wenn sie ein Problem haben. So sieht es in etwa mit unseren Veteranen aus.
Das sind kurz gesagt die Dinge, die wir für unsere Veteranen tun, und wir arbeiten auch mit Wohlfahrtsorganisationen und der Privatwirtschaft zusammen. Wir werden ein neues Programm mit dem Titel "Stahlhelm zu Schutzhelm, von der Armee ins zivile Leben", auflegen. Und wir arbeiten derzeit mit Gewerkschaften zusammen, die die Fähigkeiten anerkennen, die unsere Veteranen in der Armee hatten. Wir brauchen in Kanada Arbeitskräfte in der Bauindustrie. Wir setzen viel auf Energie und es gibt viele Ressourcen. Wir helfen daher unseren Veteranen gemeinsam mit den Provinzregierungen, Wohlfahrtsorganisationen und der Privatwirtschaft beim Übertritt ins zivile Leben. Auf diese Weise bewegen wir uns voran. Zwei Dinge noch und dann beantworte ich gern Fragen. Als erstes möchte ich das Thema Gedenken ansprechen. Das ist wichtig und Herr Königshaus und ich haben darüber gesprochen. Es ist wichtig, dass der Veteran das Gefühl hat, dass er etwas tut, was wichtig für sein Land ist. Das ist Teil des Heilungsprozesses des Veteranen. Denn wenn Sie von einer harten Mission, bei der Sie Ihr Leben riskieren, zurückkommen und niemand anerkennt, dass Sie Ihr Leben für Ihr Land aufs Spiel gesetzt haben, dann ist das schlecht für die Moral und auch die Familie. Deshalb gedenken wir in Kanada nicht des Sieges oder der Streitkräfte und der Waffen – wir gedenken der Opfer, darum geht es. Wir gedenken nicht der Schlachten, die wir gewonnen oder verloren haben, wir gedenken der Menschen, die wir verloren haben. Das ist sehr wichtig und das macht es sehr emotional und deshalb sind 91 % der Kanadier der Meinung, dass die Veteranen Anerkennung für die Opfer erhalten sollten, die sie gebracht haben. Die Veteranen genießen stets die Anerkennung der Öffentlichkeit. Manchmal ist es eine Herausforderung für die Politiker, aber so sollte es sein und so ist es für uns.
Wir gehen also voran. Vor meinem Besuch hier war ich im französischsprachigen Teil Kanadas. 700 Soldaten werden nach Kabul, Afghanistan reisen und dort im Rahmen unserer gemeinsamen Ausbildungsmission Dienst tun. Vielleicht nicht in den gleichen Regionen, aber wir arbeiten und helfen der afghanischen Armee, Verantwortung und Führung im Land zu übernehmen. Ich möchte Ihnen noch sagen, dass ich letztes Jahr 5000 junge Kanadier begleitet habe, die aus Kanada nach Flandern gereist sind, um der Schlacht um den Höhenrücken von Vimy zu gedenken. Da ist eine wichtige Schlacht für uns Kanadier. 60 000 Kanadier verloren ihr Leben. Für ein Land, das damals weniger als 6 Millionen Einwohner hatte, ist das eine riesige Zahl. Natürlich ist das 95 Jahre her, aber die jungen Menschen konnten sich in einen 20 Jahre jungen Soldaten, der sein Leben für sein Land opferte, einfühlen. Ich denke, das ist eine wichtige Botschaft. Wir haben die Pflicht, uns zu erinnern.
In diesem Zusammenhang sind Sie ein hervorragendes Beispiel und deshalb haben sie den Friedens-Nobel-Preis erhalten. Sie, Deutsche und Europäer, verdienen diesen Preis. Ich habe mich sehr darüber gefreut, denn dieser Preis belohnt all die Arbeit, die in Europa für den Frieden geleistet wurde, und Sie stehen im Mittelpunkt. Sie können sehr stolz darauf sein und ich möchte Sie dafür beglückwünschen. Wir freuen uns über die große Anerkennung, die das Nobelpreiskomitee Europa und seinem Beitrag zum Frieden zuteilwerden lässt. Ich denke auch, dass es Teil unserer Agenda für den 100. Jahrestag des 1. Weltkrieges ist, denn gemeinsam müssen wir der neuen Generation erklären, was geschehen ist, welche Opfer dort gebracht wurden, damit wir die Lehren daraus ziehen, wie Sie es dies getan haben, wie wir gesehen haben.
Ich möchte Ihnen noch einmal für Ihre Einladung danken. Es ist ein großes Privileg und ich möchte schließen mit dem Zitat "Wir sind alle Weltbürger". Vielen Dank.