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Erika Steinbach setzt sich im Rahmen von "Parlamentarier schützen Parlamentarier" für die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko ein. © DBT/Melde
"Ich stelle mich solidarisch auf die Seite von Julia Timoschenko", erklärte Erika Steinbach (CDU) bereits im Mai 2012. Die Bundestagsabgeordnete übernahm damit im Rahmen von "Parlamentarier schützen Parlamentarier" eine Patenschaft für die inhaftierte frühere ukrainische Premierministerin und heutige Oppositionspolitikerin. Ziel des Programms, das der Bundestag 2003 ins Leben gerufen hat, ist es, durch öffentliche Aufmerksamkeit bedrohten Politikern und Menschenrechtsaktivisten zu helfen.
Timoschenko, die zu den Anführern der "Orangenen Revolution" gehörte, wurde im Oktober 2011 in einem international umstrittenen Gerichtsverfahren zu sieben Jahren Haft wegen Amtsmissbrauch verurteilt.
Öffentlichkeit zu erzeugen, darin hat Erika Steinbach Erfahrung. Bereits seit 14 Jahren ist die 68-Jährige als Präsidentin des Bundes der Vertriebenen eine hartnäckige, wenngleich auch streitbare Anwältin der Mitglieder ihres Verbands. Vor allem mit Äußerungen zum Zweiten Weltkrieg, zu Polen oder zur NSDAP hat sie in der Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt.
Nun will Steinbach, die seit 2005 menschenrechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag ist und als "Galionsfigur des konservativen Flügels" gilt, ihre Bekanntheit für Julia Timoschenko einsetzen. Die frühere Regierungschefin der Ukraine ist ihrerseits ein Symbol: Als Anführerin der Orangenen Revolution von 2004 steht sie – vor allem im Westen – für Rechtstaat und Demokratie in der ehemaligen Sowjetrepublik.
Zweimal war Timoschenko Ministerpräsidentin: von Januar bis September 2005 und von Dezember 2007 bis März 2010. Im Januar 2010 trat sie auch als Kandidatin bei den Präsidentschaftswahlen gegen den heutigen Amtsinhaber Viktor Janukowitsch an – und verlor.
Am 3. März 2010 dann stürzte die Frau, deren Markenzeichen der geflochtene Haarkranz ist, über ein Misstrauensvotum der Mehrheit der Abgeordneten im Parlament. Wenig später leitete die Staatsanwaltschaft mehrere Strafverfahren ein – gegen die "Gasprinzessin", wie Timoschenko aufgrund ihrer früheren Tätigkeit als Generaldirektorin von "Ukrainiski Benzin" und später als Chefin des Energiekonzerns EESU genannt wird, aber auch gegen Mitglieder ihres früheren Kabinetts.
Die Liste der Vergehen, welche die Staatsanwaltschaft der Politikerin vorwirft, ist lang: Bestechung, zweckentfremdete Verwendung öffentlicher Gelder, Amtsmissbrauch. Die offizielle Anklage im Dezember 2010 lautete schließlich: Veruntreuung von Staatsgeldern. Nach zehn Monaten Prozess verurteilte das Gericht Timoschenko im Oktober 2011 zu sieben Jahre Haft in der Strafkolonie Charkiw.
Ein Urteil, das Timoschenko nicht akzeptiert. Sie wirft wiederum dem Gericht "selektive Justiz" vor. Eine Meinung, die auch Erika Steinbach teilt: "Da steckt ganz deutlich der Wille dahinter, diese Frau und mit ihr die gesamte Opposition auszuschalten", sagt die CDU-Politikerin. Deshalb habe sie auch nicht gezögert, sich für Timoschenko, die in ihrem Heimatland umstritten ist, im Namen des Bundestagsprogramms zu verwenden. "Das Urteil ist politisch motiviert." Darum übernimmt Steinbach auch bewusst für Timoschenko die Patenschaft: "Sie ist ein Symbol. An ihrer Person wird deutlich, wie repressiv das Regime in der Ukraine ist."
Der Anlass ihr zur Seite zu springen, sei aber auch die schwierige gesundheitliche Situation der früheren Ministerpräsidentin gewesen. Timoschenko leidet bereits seit Monaten an einem Bandscheibenvorfall, der nicht ausreichend behandelt worden sein soll. Timoschenkos Verteidiger beklagten zudem vorenthaltene Medikamente und Misshandlungen. Im April 2012 trat die 51-Jährige in einen Hungerstreik, um gegen die Haftbedingungen in der Strafkolonie zu protestieren.
Wie aber kann eine Bundestagsabgeordnete im fast 2000 Kilometer entfernten Berlin tun, um der politische Gefangenen in Charkiw zu helfen? "Das Wichtigste ist, Öffentlichkeit herzustellen, so dass sie nicht in Vergessenheit gerät", betont Steinbach. So schwierig es gewesen sei, dass die Fußball-Europameisterschaft auch in der Ukraine stattgefunden habe, so sei doch wenigstens der Blick verstärkt auf die "Unrechtmäßigkeit dieses Regimes" gelenkt worden, so die Menschenrechtspolitikerin.
"Wenn man weiß, dass Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka der Patenonkel von Janukowitschs Sohn ist – der auch schon öffentlich bekundet hat, er mache alles, was der Präsident will – dann weiß man, wie es um den Rechtsstaat in diesem Land bestellt ist."
Was Steinbach antreibt, ist auch Enttäuschung über die politische Entwicklung in der Ukraine: "Es ist traurig, dass das Land eine Rolle rückwärts macht. Nach der Orangenen Revolution war die ukrainische Regierung auf einem guten Weg in Richtung Demokratie und Rechtstaatlichkeit. Doch nun wird alles platt gemacht – mit Gewalt, allen juristischen Möglichkeiten und mit latenter Bedrohung von Journalisten und Menschenrechtsaktivisten. Ziel ist, die Opposition vor den im Oktober anstehenden Parlamentswahlen mundtot zu machen."
Hier dürfe man nicht wegschauen, fordert die CDU-Politikerin. In den kommenden Monaten werde sie deshalb mit regelmäßigen Pressemitteilungen versuchen, die Aufmerksamkeit weiterhin auf die Ukraine zu lenken. "Als Patin bin ich jetzt, wo die Europameisterschaft vorbei ist und nicht mehr so viele auf das Land schauen, gefordert."
Denn dass Öffentlichkeit schützen kann, davon ist Steinbach überzeugt: "Für Julia Timoschenko konnte so wenigstens erreicht werden, dass sie von deutschen Ärzten behandelt wird. Und so lange die Regierung in Kiew weiß, dass die internationale Aufmerksamkeit da ist, wird man es auch nicht wagen, sie zusammenzuschlagen oder in ihrer Zelle verhungern zu lassen." (sas)