Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > November 2011 > Experten warnen vor Risiken bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas
In Deutschland erkunden derzeit eine Reihe von Unternehmen die Förderung von unkonventionellem Erdgas mit der Fracking-Technologie. Dabei werden unter hohem Druck Wasser und Chemikalien durch ein Bohrloch in den Untergrund verpresst, um Gas zu gewinnen. „Unkonventionelle Lagerstätten“ bedeuten, dass dort das Gas so im Gestein gebunden ist, dass es nicht von alleine zum Bohrloch strömen kann, sondern herausgepresst werden muss. Dabei werden Stoffe eingesetzt, die nach Meinung von Experten das Grund- und Trinkwasser gefährden könnten.
„Wie kann man die Umwelteinflüsse beurteilen?“, fragte Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung zu Beginn der Anhörung. Genaue Prognosen der zu erwartenden Umweltbelastungen seien seiner Meinung nach nicht genau zu treffen, man könne jedoch die Risiken bewerten. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die bestehenden Regelungen nicht ausreichend seien. „Die Wasserbehörden werden zwar informiert, aber nicht beteiligt“, kritisierte er. Auch sei die Öffentlichkeit bislang nur „bedingt“ informiert worden.
Michael Kosinowski von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe vom Geozentrum Hannover erläuterte, welche Maßnahmen am Bohrloch durchgeführt würden, bevor das Fracking-Verfahren überhaupt angewandt werden könne. Es gebe „gute technische Voraussetzungen, bevor man den Frack in einer Bohrung ausführt“, erläuterte er. Der Vertreter des Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung, Hartmut Pick, verwies auf die Bedeutung der Gasförderung – gerade auch im Zeichen der Energiewende: 14 Prozent des in Deutschland benötigten Erdgases würden im Inland gefördert, womit 20.000 Arbeitsplätze und sieben Milliarden Euro an Förderabgaben verbunden seien. In seiner Branche, betonte Pick, gebe es eine jahrzehntelange Erfahrung, die eine gute Voraussetzung für die Erforschung des Verfahrens biete. Seiner Meinung bestehe ein Rechtssystem, „das hervorragend funktioniert“, allerdings bräuchte seine Branche Rechtssicherheit für kommende Projekte.
Der Sachverständige Manfred Scholle, der bis vor kurzem Vorstandsvorsitzender der Gelsenwasser AG war, erklärte, dass es derzeit keine Notwendigkeit gebe, das umstrittenen Fracking-Verfahren anzuwenden. Das Fracking-Gas entspreche zudem nicht dem Standard. „Die Ökobilanz stimmt an dieser Stelle überhaupt nicht“, sagte er. Überall dort, wo es Wasser gebe, dürfe nicht gefrackt werden. Einen „Gau“ dürfe sich niemand erlauben. Daher solle man sich mehr Zeit nehmen, um die Risiken abzuschätzen. Als ein „Kernproblem“ des Verfahrens nannte er die Abwasserentsorgung, die bislang überhaupt noch nicht geklärt sei.
Auch Martin Weyand vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft forderte, dass es Fracking in bestimmten Wasserschutzzonen nicht geben dürfe. „Die Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten muss grundsätzlich möglich sein“, sagte er. Die Sicherheit des Trinkwassers dürfe aber nicht gefährdet werden. Rechtlich sprach er sich dafür aus, dass es künftig eine Vorprüfung geben solle und eine Genehmigung für das Fracking nur „im Vernehmen“ mit den zuständigen Wasserbehörden erteilt werden dürfe. Für Volker Milk von der Bezirksregierung Arnsberg in Nordrhein-Westfalen gibt es gerade bei den Genehmigungsverfahren „Defizite“. „Das gesamte Instrumentarium ist nicht mehr zeitgemäÓ, gab Milk zu bedenken. Zwar habe sich das Bergrecht grundsätzlich bewährt, es müsse aber eine „Verstärkung des Umweltgedankens“ und eine größere Beteiligung der Bevölkerung geben, fordert er. Es solle daher für das Fracking-Verfahren generell eine Umweltverträglichkeitsprüfung eingeführt werden.
Für eine bessere Beteiligung der Bürger sprach sich auch Jan Krüger aus, der als Vertreter der Bürgerinitiative „Gegen Gasbohren“ im westfälischen Nordwalde eingeladen worden war. Er berichtete über seine Erfahrungen und kritisierte, dass bei einem Genehmigungsverfahren für geplante Gasbohrungen „weder Gemeinde noch Kreis“ die Fragen der Bürger hätten beantworten können. „Von Seiten der Industrie gab es unvollständige und verharmlosende Darstellungen“, berichtete er. Der Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung, einer Reform des Bergrechts und einer Umweltverträglichkeitsprüfung für alle Verfahren schloss sich auch der Vertreter des BUND für Umwelt und Naturschutz in Deutschland, Dirk Jansen, an. Es dürfe keine Erdgasförderung um jeden Preis geben, sagt er, denn es herrschten dabei „unkalkulierbare und unbeherrschbare Risiken“. Für ihn gebe es daher keine Alternative „als Fracking zu verbieten“.
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