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In der Aussprache über den Haushalt des Bundeskanzleramtes haben sich am Mittwoch, 15. September 2010, Regierungskoalition und Opposition traditionell einen heftigen Schlagabtausch geliefert. SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte die Regierungsführung als katastrophal und klientelistisch. "Ihnen fehlt jede Vorstellung, was Gemeinwohl in Deutschland ist“, sagte er an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) gerichtet. Der Fraktionsvorsitzende von CDU/CSU, Volker Kauder, hielt Gabriel daraufhin "verantwortungsloses, perspektivloses, demagogisches Geschrei“ vor. "Mit Ihnen ist eine Weiterentwicklung des Landes nicht möglich“, sagte er an die Adresse des SPD-Vorsitzenden. In der rund dreieinhalbstündigen Debatte waren die Bewältigung der Finanzkrise und die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme die bestimmenden Themen.
Die Bundeskanzlerin zog in ihrer 30-minütigen Rede eine positive Bilanz der wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Monate. "Nach der mit Abstand schwersten Rezession der Nachkriegszeit ist Deutschland wieder auf Wachstumskurs“, sagte sie. Allerdings liege für einen nachhaltigen Aufschwung noch ein Weg bevor.
Die Kanzlerin verwies darauf, dass zu Beginn ihrer Regierungszeit die Arbeitslosigkeit noch bei fünf Millionen gelegen habe.“Wir sind heute die Wachstumslokomotive in Europa. Damit wird Deutschland seiner Verantwortung gerecht.“
Merkel verteidigte den Bundeshauhalt, weil zum ersten Mal eine Schuldenbremse eingeführt worden sei. "Wir brauchen Spielräume für Zukunftsinvestitionen“, betonte sie. Insgesamt blieben vom Gesamtetat nur 28 Prozent der Ausgaben für Investitionen und Zukunftsgestaltung übrig. 1991 seien es 43 Prozent gewesen. "Da müssen wir wieder hin“, sagte Merkel.
Sie hob hervor, dass trotz aller Sanierungsanstrengungen nicht bei den Ausgaben für Bildung und Forschung sowie bei der Kinderbetreuung gespart werde.
"Wir wollen keine Zwei-Klassen-Medizin“, sagte Merkel zu den Reformen im Gesundheitswesen. Aber zur Wahrheit gehöre auch, dass die Gesundheitskosten in einer alternden Gesellschaft steigen würden, die medizinischen Möglichkeiten aber auch. Deshalb sei es nicht möglich, eine volle Kopplung an die Arbeitskosten aufrechtzuerhalten. Mit dem Solidarausgleich werde dafür gesorgt, dass die Menschen nicht überfordert werden.
In der Debatte über eine Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke verteidigte Merkel die Atomkraft als notwendige Brückentechnologie. Richtig sei, dass dadurch für die Betreiber Gewinne entstünden, sagte die Kanzlerin. "Davon wollen wir einen Großteil haben, um erneuerbare Energien zu fördern.“
Gabriel hielt der Bundesregierung vor, die Falschen für die Kosten der Finanzkrise zahlen zu lassen. So lege die Bundesregierung die Axt an erfolgreiche Mittelstandsprogramme wie die energetische Gebäudesanierung. Das koste Tausende Jobs im Handwerk.
Außerdem werde das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger gestrichen, kritisierte Gabriel. Gleichzeitig würden aber den Kommunen 2,8 Milliarden Euro weggenommen. "Damit hätte man 280.000 Kindergartenplätze schaffen können“, sagte Gabriel. In der Energiepolitik warf der SPD-Chef der Regierung vor, sich zum Handlanger der Großkonzerne gemacht zu haben. Wieder einmal sei der Wirtschaftslobby nachgegeben worden, sagte er. "Größeren Schaden auf dem Energiemarkt konnten Sie gar nicht anrichten.“
Der Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Dr. Gregor Gysi, nannte den beschlossenen Atomvertrag verfassungswidrig, weil der Bundestag ausgeschlossen und der Vertrauensschutz der Kommunen verletzt worden sei. Er kündigte an, dass die Bundesländer mit Regierungsbeteiligung der Linkspartei eine Verfassungsklage einreichen würden, falls auch der Bundesrat nicht angehört werde. Lobbyisten würden in Deutschland inzwischen über politisches Handeln entscheiden, sagte Gysi.
Die Bundeskanzlerin forderte er auf zu erklären, warum das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger gestrichen, aber an eine nicht berufstätige Ehefrau eines Millionärs weitergezahlt werden soll. "Das ist einfach sozial ungerecht“, sagte Gysi.
Auch der Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, kritisierte den Bundeshaushalt als sozial ungerecht. Es werde bei denjenigen gespart, die sowieso nichts haben, sagte er und nannte den Wegfall des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger als Beispiel.
Außerdem sei die Zahl der Langzeitarbeitslosen mitnichten gesunken. Diese Gruppe sei am dringendsten auf Eingliederungshilfe angewiesen, die aber gekürzt werde. "Sie betreiben eine Spaltung der Gesellschaft“, sagte er an die Adresse der Regierungsfraktionen.
Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger nannte die Haushaltssanierung alternativlos. Jetzt würden die Fehler der rot-grünen Koalition rückgängig gemacht, sagte sie. So habe Bildungspolitik unter einer SPD-geführten Bundesregierung ein Schattendasein gefristet.
"Wir sind der Meinung: Bildung ist die soziale Frage unserer Zukunft“, sagte Homburger. Deshalb seien im Haushalt auch die Ausgaben für Bildung und Forschung erhöht worden. Das sei ein Paradigmenwechsel in der Politik. (sn)