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Ob bestimmte Inhalte im Internet schneller als andere transportiert werden dürfen oder ob dies gegen die Netzneutralität verstößt, ist unter Experten umstritten. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ unter Vorsitz von Axel E. Fischer (CDU) am Montag, 4. Oktober, deutlich. Hintergrund der Diskussion ist die ständig steigende Datenmenge im Netz, die möglicherweise zu Übertragungsengpässen führen könnte.
Die Transportkapazität sei keine unbegrenzte Ressource, sagte Thomas Aidan Curran von der Deutschen Telekom AG. Mit Netzmanagement, das der europäische Rechtsrahmen erlaube, glaube man das Problem vernünftig lösen zu können, sagte Curran.
"Nur durch diese intelligente Verkehrssteuerung kann die Funktionsfähigkeit des Netzes abgesichert werden." Diskutiert werden dürfe daher nicht ob es ein Netzmanagement geben dürfe, sondern wie dieses aussehen solle.
Die Frage, ob ein solches Netzmanagement einen Verstoß gegen die Netzneutralität darstelle, könne nur beantwortet werden, wenn dafür eine klare Definition vorliege, sagte Sebastian von Bomhard vom Internetprovider Spacenet AG. Bis vor Kurzem hätten die Provider unter Netzneutralität noch die Selbstverpflichtung verstanden, den Datenschutz zu wahren und nicht in die transportierten Datenpakete hineinzuschauen.
Versuche der Politik, bestimmte Inhalte zu sperren, hätte man als Verstoß gegen die Netzneutralität empfunden. Heute gehe es dagegen vielmehr um die Frage der "Priorisierung von Angeboten".
"In dem Moment, in dem in Inhalte von Datenpaketen geschaut wird oder nach Absender und Empfänger die Entscheidung über die Zustellung eines Datenpakets getroffen wird, ist die Netzneutralität verletzt", sagte Andreas Bogk vom Chaos Computer Club.
Zwar könne es "technische Gründe" für eine andere Behandlung geben, doch müsse die "demokratische Vielfalt im Wettbewerb" erhalten bleiben. Schließlich sei Netzneutralität nicht nur ein wirtschaftliches sondern auch ein "demokratisches Thema".
Er könne sich nicht vorstellen, wie eine Priorisierung eines bestimmten Dienstes ohne die gleichzeitige Diskriminierung eines anderen Angebotes erfolgen solle, sagte Falk Lüke von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Im Interesse der Verbraucher sei es nicht wünschenswert, dass über die Maßgabe der Priorisierung eine "Verknappung der Bandbreite" angestrebt werde, durch die Anbieter höhere Preise erzielen könnten, indem bestimmte Dienste nicht mehr im Grundangebot enthalten seien, sagte er.
Aus Verbrauchersicht sei zudem das sogenannte Best-Effort-Modell, also die pauschale Qualitätszusicherung der Netzbetreiber, sehr erfolgreich und sollte Bestand haben.
Der Wirtschaftsrechtler Simon Schlauri von der Universität Zürich vertrat die Ansicht, dass eine Priorisierung nötig sei, um bestimmte Dienste überhaupt anbieten zu können. Dazu gehöre etwa das Internet-Fernsehen, sagte Schlauri. Gleichwohl bestehe bei der Zulassung der Priorisierung ohne Rahmenbedingungen das Risiko, "dass Provider anfangen, priorisierte Leitungen zu verkaufen oder Exklusiverträge mit Anwendungsanbietern zu schließen".
Dadurch könne der "Best-Effort-Weg zum Feldweg verkommen". Dem könne man entgegenwirken, indem Anbieter, die priorisierte Leitungen gegen Geld anböten, dazu verpflichtet werden, in Zeiten, in denen es keine Engpässe gibt, auch einen Best-Effort-Kanal zu einem angemessenen Preis freizuhalten.
Tim Mois von der Sipgate GmbH, einem Internet-Telefonie-Anbieter, lehnt eine grundsätzliche Priorisierung ab. Es ergebe sich dann eine Situation, in der jemand anderes als der Sender und Empfänger über Inhalte und Dienste des Internets entscheiden könnte, sagte Mois. Dies würde die Frage nach der grundsätzlichen Bedeutung des Internets für die Gesellschaft aufwerfen.
Seiner Auffassung nach könne die technische Fragestellung, ob sich mit Priorisierung wirtschaftlichere Netze bauen ließen, keine Veranlassung sein, an der stabilen und funktionierenden Situation des heutigen Internets Änderungen vorzunehmen. (hau)