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Die Wahl des neuen Menschenrechtskommissars des Europarats, die für politischen Konfliktstoff sorgt, gehört zu den Schwerpunkten der Wintersession der Parlamentarischen Versammlung des Staatenbunds vom 23. bis 27. Januar 2012. Dieser müsse sich bei seiner Arbeit anders als Amtsinhaber Thomas Hammarberg auf jene Länder konzentrieren, wo wie etwa in Russland, Aserbaidschan oder der Türkei besonders gravierende Grundrechtsverletzungen zu beklagen seien. Dies fordert Joachim Hörster, Leiter der Bundestagsdelegation in Straßburg, im Interview. Der CDU-Bundestagsabgeordnete kritisiert das Ministerkomitee des Europarats, weil sich unter den drei Kandidaten für Hammarbergs Nachfolge, die dieses Gremium den Abgeordneten zur Wahl vorschlägt, kein Politiker mit parlamentarischer Erfahrung befinde. Außerdem äußert er sich zu kritischen Lage in der Ukraine. Das Interview im Wortlaut:
Bei der Wahl des Menschenrechtskommissars konkurrieren der Belgier Pierre-Yves Monette, der Lette Nils Muiznieks und der Holländer Frans Timmermans. Von diesem Ringen beim Europarat erfährt die Öffentlichkeit jedoch kaum etwas. Selbst der Menschenrechtsausschuss des Parlaments debattiert darüber hinter verschlossenen Türen. Wie ist diese Geheimniskrämerei zu vereinbaren mit der von Straßburg immer wieder eingeforderten Transparenz bei Wahlen etwa in osteuropäischen Ländern?
Es ist richtig, dass die Öffentlichkeit von der Wahl des Kommissars nichts mitbekommt. Indes ist bei solch heiklen Personalentscheidungen Transparenz nach außen nur schwer herzustellen. Die Abgeordneten sind im Übrigen durchaus in diese Wahl einbezogen, so stellen sich die Kandidaten bei mehreren nationalen Delegationen vor, es läuft also nichts klammheimlich. Kritisch zu hinterfragen ist die Benennung der drei im Parlament zur Wahl stehenden Bewerber durch das Ministerkomitee, in dem die Straßburger Botschafter der 47 Außenminister sitzen. Auf der Dreierliste fehlt etwa ein Kandidat mit parlamentarischer Erfahrung, nicht berücksichtigt wurde der Zypriote Christos Pourgourides, der sich als Vorsitzender des Rechtsausschusses bewährt hat und dessen Bewerbung auch von der deutschen Regierung unterstützt wurde. Zudem wurde keine Frau vorgeschlagen. Das Vorgehen des Ministerkomitees ist intransparent, was bei den Abgeordneten für Unmut sorgt.
Welche Schwerpunkte sollte der neue Menschenrechtskommissar setzen? Muss sich gegenüber der Politik des bisherigen Amtsinhabers Thomas Hammarberg aus Schweden etwas ändern?
In der Tat sollte sich die Arbeit neu orientieren. Hammarberg hat sich allen Europaratsnationen gleichermaßen gewidmet. Doch in Ländern wie etwa der Bundesrepublik oder Frankreich existieren keine gravierenden Verstöße gegen die Straßburger Menschenrechtscharta. Der neue Kommissar sollte sich vor allem um jene Staaten kümmern, wo vieles im Argen liegt. Man denke etwa an Russland mit teils katastrophalen Zuständen in Gefängnissen und Grundrechtsverletzungen in Tschetschenien, nicht zu vergessen die völkerrechtswidrige Intervention Moskaus in den georgischen Regionen Südossetien und Abchasien. In Aserbaidschan sind Bürger aus politischen Gründen inhaftiert. Und in der Türkei ist die Religionsfreiheit nicht garantiert, worunter Christen zu leiden haben.
Gewählt wird auch ein neuer Präsident des Europarat-Parlaments, der Franzose Jean-Claude Mignon ist der einzige Aspirant. Muss unter Mignon ein frischer Wind wehen?
Wir von der EVP-Fraktion sind überzeugt, dass Mignon ein sehr guter Bewerber ist, wir rechnen mit einer breiten Mehrheit für unseren Kandidaten. Mignon ist in der Lage, die politische Schlagkraft der Parlamentarischen Versammlung zu erhöhen. Dazu gehört vor allem, sich auf die Kernaufgabe des Europarats konzentrieren, nämlich die Sicherung freiheitlicher Rechtsstaatlichkeit, und sich nicht in einer Vielzahl von Themen zu verzetteln. Mit Fragen der Klimaerwärmung oder der demografischen Entwicklung müssen wir uns nicht befassen. Auch die parlamentarische Arbeit muss straffer werden, ein erster Schritt ist die Zusammenlegung des Umwelt- und des Sozialausschusses.
Ein heißes Thema dürfte die Lage in der Ukraine werden, wo die Spannungen wegen der Verurteilung der Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko steigen.
Ein Beleg für die kritische Situation ist auch die wachsende Zahl von Klagen ukrainischer Bürger vor dem Menschenrechtsgerichtshof. Die Europaratsabgeordneten dürften Kiew mit Nachdruck auffordern, rechtsstaatliche Standards zu gewährleisten und besonders die Unabhängigkeit der Justiz zu garantieren. Im Parlament kursieren sogar Überlegungen, der ukrainischen Delegation das Stimmrecht zu entziehen, um den Druck zu verschärfen. Timoschenkos Verurteilung ist mehr als fragwürdig: Sie soll einst als Regierungschefin ein für die Ukraine nachteiliges Gasabkommen mit Russland vereinbart haben. Über solche Geschäfte lässt sich politisch trefflich streiten, das ist aber nichts für die Justiz. Nach den Kiewer Maßstäben könnte man in vielen Ländern Minister mit Strafverfahren überziehen.
Der Menschenrechtsgerichtshof hat beschlossen, eine Klage Timoschenkos gegen ihre Verurteilung vorrangig zu behandeln. Lässt sich eine solche Privilegierung gegenüber anderen Beschwerdeführern rechtfertigen, die in Straßburg lange auf ein Urteil warten müssen?
Auf den ersten Blick sieht das natürlich nicht gut aus. In diesem Fall lässt sich aber ein solcher Schritt rechtfertigen, geht es doch um ein Grundsatzproblem: Ist es legitim, dass sich Regierungen für internationale Geschäfte, über die selbstverständlich politisch gestritten werden kann, auch vor Gericht verantworten müssen? Ein Urteil zu dieser Frage betrifft alle 47 Europaratsländer.
(kos)