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Die landwirtschaftliche Sozialversicherung in Deutschland wird umfassend neu strukturiert. Das beschloss der Deutsche Bundestag am Donnerstag, 9. Februar 2012. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD nahm er einen Gesetzentwurf zur Neuordnung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (17/7916, 17/8459) in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung (17/8616) an. Abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/8619), in dem unter anderem gefordert worden war, Höchstgrenzen für die Beitragsmaßstäbe und Bruttobeiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung festzulegen.
Das Gesetz sieht vor, einen Bundesträger als Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts zu errichten. Dieser bundeseinheitliche Träger soll künftig für die Alterssicherung, Unfall-, Kranken- und Pflegeversicherung der Branche zuständig sein und den Titel „Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau“ tragen.
Die bisherigen regionalen Träger der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, die Träger für den Gartenbau und der Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung sollen in den neuen Bundesträger eingegliedert werden.
Die Bundesregierung begründet diese Initiative mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft und den seit Jahren rückläufigen Versichertenzahlen. Die landwirtschaftliche Sozialversicherung habe diesen Veränderungen nicht in gleicher Weise Rechnung getragen wie die allgemeine Sozialversicherung, schreibt die Regierung. Bisher verhindere die vorrangig räumliche Aufteilung, dass die Träger ihre Aufgaben effizient und wirtschaftlich erfüllen.
Zudem bestünden gravierende Belastungsunterschiede durch regional unterschiedlich hohe Beiträge für gleich strukturierte Betriebe, was zu spürbaren Wettbewerbsverzerrungen in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung führe, heißt es in dem Entwurf weiter.
In der Debatte verwies Gitta Connemann (CDU/CSU) auf die Notwendigkeit einer Strukturreform angesichts sinkender Beitragszahler. Auf einen aktiven Landwirt kämen heute 2,5 Ruheständler. Die dadurch entstehende Finanzierungslücke puffere der Bund ab, was im letzten Jahr mit 3,9 Milliarden Euro im Agrarhaushalt zu Buche schlug, rechnete Connemann vor.
Ein einheitlicher Bundesträger bedeute mehr Effektivität und die damit einhergehende Schaffung eines neuen Beitragssystems mehr Gerechtigkeit. „Heute wird ein Betrieb je nach Region unterschiedlich zur Kasse gebeten und das trotz gleichen Risikos. Diese schmerzhaften Wettbewerbsverzerrungen können wir nicht länger hinnehmen“, sagte die CDU-Abgeordnete.
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) erinnerte daran, dass noch vor 40 Jahren viele Landwirte schlecht oder gar nicht krankenversichert waren. Deshalb habe sich das heutige System der LSV bewährt und müsse in seiner Eigenständigkeit auch erhalten bleiben. Nötig sei aber ein schlankeres System, so Preismeier.
Kritik übte er an der Hofabgabeklausel, die seiner Meinung nach ihre agrarpolitische Bedeutung verloren habe. Es könne nicht sein, dass Bauern gezwungen sind, ihren Beruf aufzugeben, um eine Rente zu bekommen, obwohl diese Rente nicht ausreicht und sie eigentlich etwas hinzuverdienen wollen.
Für die FDP hob Dr. Edmund Peter Geisen hervor, dass die "Grünen Berufe" der „Erdungsanker für die ganze Gesellschaft“ seien. Ein Festhalten an den bisherigen kleinteiligen Strukturen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung gefährde jedoch auf lange Sicht die Stabilität des Systems.
Der neue Bundesträger sei auf Basis eines breiten Konsenses zustande gekommen und werde dem Strukturwandel gerecht, so Geisen. Im Gegensatz zu seinem Vorredner verteidigte er jedoch die Hofabgabe. Deren Abschaffung würde das Ende der eigenständigen Alterssicherung für Landwirte bedeuten.
Auch Matthias W. Birkwald (Die Linke) bestätigte den Reformbedarf in diesem Bereich. Zufrieden mit dem Ergebnis sei seine Fraktion dennoch nicht. Zwar sei es richtig, die Beitragszahlungen an die Berufsgenossenschaften zu vereinheitlichen und das System zu zentralisieren. Die Abschaffung der halbparitätischen Arbeitnehmervertretung im Gartenbau zugunsten einer Drittel-Parität schwäche jedoch die Interessen der Arbeitnehmer.
Auch sei nicht nachvollziehbar, warum die Forderung der Landfrauen nach einer Frauenquote in den Gremien der LSV im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt werde. Birkwald stellte Frage, ob ein eigenständiges Alterssicherungssystem für Landwirte angesichts des ungünstigen Verhältnisses zwischen Einzahlern und Empfängern langfristig Bestand haben könne.
Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Regelung, wonach kleine landwirtschaftliche Betriebe höhere Beiträge in die Unfallversicherung entrichten sollen als größere. Dies sei absurd, sagte er. Ferner forderte er, das Beratungsmonopol des Deutschen Bauernverbandes abzuschaffen.
Eine Beratung müsse ausschließlich durch Fachleute der LSV erfolgen, da viele Bauern gar kein Mitglied im Deutschen Bauernverband sind. Auch Ostendorff plädierte für das Ende der Hofabgabeklausel. Diese passe nicht mehr ins Bild einer sich wandelnden Gesellschaft, sagte er. (che)