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Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM soll durch völkerrechtlichen Vertrag als internationale Finanzinstitution begründet und mit einem Stammkapital von 700 Milliarden Euro ausgestattet werden, heißt es im Gesetzentwurf zur finanziellen Beteiligung am ESM (17/9048). Davon sollen 80 Milliarden Euro bar eingezahlt werden und 620 Milliarden Euro aus abrufbarem Kapital bestehen. Der Anteil der Bundesrepublik Deutschland soll 21,72 Milliarden Euro an Bareinlagen und 168,3 Milliarden Euro an abrufbarem Kapital betragen. Das einzuzahlende Kapital soll in Teilbeträgen bereitgestellt werden. Die in diesem Jahr anfallende Tranche soll durch einen Nachtragshaushalt in Höhe von rund 8,4 Milliarden Euro bereitgestellt werden, den das Kabinett bereits verabschiedet hat.
Gegenstand der Debatte waren Gesetzentwürfe von CDU/CSU und FDP zum Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (17/9046), zum Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (17/9045), zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (17/9048), zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes (17/9049) und zum Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist (17/9047). Ebenfalls beraten wurde in erster Lesung ein gemeinsamer Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (17/9145). Er zielt darauf ab, die vom Bundesverfassungsgericht am 28. Februar 2012 gerügte Gesetzeslage zu korrigieren, wonach eilbedürftige Entscheidungen an ein neunköpfiges Gremium des Haushaltsausschusses delegiert werden können.
Für Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) wird mit dem europäischen Fiskalpakt der deutsche Weg der „wachstumsfreundlichen Defizitreduzierung“ auf Europa übertragen. Er wies in der Debatte am Donnerstag, 29. März 2012, darauf hin, dass die wachsende Staatsverschuldung in Europa zu einer Vertrauenskrise an den Finanzmärkten geführt habe. Dies gelte es konsequent zu bekämpfen. Mit dem Fiskalpakt und dem ESM würden die Weichen für ein nachhaltiges Wachstum in Europa gestellt.
Schäuble erklärte, dass Deutschland sich bei weiteren Beratungen dafür einsetzen werde, die 200 Milliarden Euro, die der vorläufige Euro-Rettungsschirm EFSF an Portugal, England und Griechenland bereits ausgeliehen habe, auf den ESM angerechnet werde. So würden dann insgesamt ein Ausgabevolumen von 700 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Darüber wird jedoch erst Mitte April endgültig entschieden.
Unterstützung fand Schäuble bei den Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP. Für Volker Kauder (CDU/CSU) haben ESM und Fiskalpakt „entscheidende Bedeutung“ für die Zukunft Europas. Rainer Brüderle (FDP) betonte die Wichtigkeit eines niedrigen Schuldenstandes. Nur so könne eine Inflation verhindert werden. „Geldwertstabilität ist stille Sozialpolitik“, sagte er.
Die Vorsitzenden der SPD-Fraktion und von Bündnis 90/Die Grünen erinnerten daran, dass die Koalition zumindest beim Fiskalpakt auf die Stimmen der Opposition angewiesen sei, da für die Zustimmung eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. „Großkrisen erledigen sich nicht von selbst“, sagte Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD).
Deshalb seien der Fiskalpakt und der ESM nur eine Wegemarke und nicht der Schlussstrich. Jetzt sei ein langfristiges Konzept notwendig, indem die Finanzmärkte einbezogen und indem Maßnahmen für mehr Beschäftigung ergriffen werden müssten. Es geht um den „zukünftigen Weg in Europa“, betonte er.
Für Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) ist der Fiskalvertrag ein „Pakt ohne Zähne“. Die Defizite des Paktes müssten bei den weiteren Beratungen noch beseitig werden. Deshalb regte er an, über den ESM und den Fiskalpakt nicht gemeinsam zu entscheiden, sondern getrennt. „Welchen Sinn macht es, den Fiskalpakt zu unterschreiben, wenn Frankreich nicht mitmacht?“, fragte er.
Die Linksfraktion lehnt sowohl den Fiskalpakt als auch den ESM entschieden ab und brachte entsprechende Anträge (17/9146, 17/9147, 17/9148) ein. Ihr Vorsitzender Dr. Gregor Gysi betonte, dass der Fiskalpakt außerhalb des EU-Rechts stehe und mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Es seien darin „deutliche Einschränkungen“ für das Budgetrecht des Bundestages enthalten. Außerdem sei der Vertrag unkündbar.
Nach seiner Meinung handelt es sich bei der derzeitigen Krise nicht um eine Staatsschuldenkrise, sondern um eine Bankenkrise. Nicht die Menschen hätten zu viel konsumiert, sondern die Banken hätten sich verzockt. Deshalb müssten die Banken kleiner gemacht und verstaatlicht werden. (mik)