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Einen klaren Appell für Innovationen und Modernisierung hat Wirtschaftminister Dr. Philipp Rösler (FDP) abgegeben: Man dürfe nicht immer nur an die Gefahren, sondern müsse an die Chancen der Technik denken, sagte Rösler am Freitag, 30. März 2012, in einer Debatte über die „digitale Welt“. Der Bundestag stimmte einem Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP (17/9159) zu, in dem gefordert wird, die Wachstumspotenziale der digitalen Wirtschaft weiter auszuschöpfen und den Innovationsstandort Deutschland zu stärken. Wegen der zunächst unklar wirkenden Mehrheitsverhältnisse musste ein „Hammelsprung“ durchgeführt werden, der eine deutliche Mehrheit von 198 zu 136 Stimmen für die Koalition ergab.
Rösler nannte drei Bereiche, in denen verstärkte Anstrengungen unternommen werden müssten: So müsse es einen weiteren Ausbau der Breitbandinfrastruktur gebe, und die Regulierung der digitalen Welt müsse richtig erfolgen. Gebraucht werde eine andere Grundeinstellung, wie man mit Technologien umgehe.
Rösler warnte davor, Fehler aus anderen Branchen in der digitalen Welt zu wiederholen. Es gebe Technikverweigerer, die eine ganze Branche zunichte gemacht hätten, sagte er mit Blick auf die Biotechnologie. „Diesen Fehler dürfen wir nicht noch einmal machen, schon gar nicht in der digitalen Welt.“ Allerdings deute sich in der Nanotechnologie eine Wiederholung des Fehlers an. Man müsse technologieoffen an die neuen Kommunikationsformen herangehen.
Planungssicherheit vermisste Garrelt Duin (SPD-Fraktion) in dem Antrag der Koalitionsfraktionen. Es gebe viele Chancen, aber die Menschen wollten auch Sicherheit. „Aber es setzt sich fort, was wir in vielen Politikbereichen erlebt haben: Sie kündigen an, aber konkrete Schritte lassen sie vermissen“, so Duin.
Das erste Ziel der Bundesregierung, bis 2010 eine flächendeckende Breitbandversorgung mit einer Geschwindigkeit von einem Megabit pro Sekunde zu erreichen, sie verfehlt worden. Jetzt werde das nächste Ziel formuliert, und auch das werde angesichts der zu spürenden Investitionssschwäche wieder verfehlt werden. Wachstumsprobleme würden dadurch verschärft. „Das Wort Investitionen taucht in Ihrem Forderungsteil kein einziges Mal auf“, kritisierte Duin.
Auf die Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologiebranche wies Nadine Schön (CDU/CSU) hin. Die Branche mache einen Umsatz von 75 Milliarden Euro, was drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspreche. Es gebe 800.000 Arbeitsplätze. Das jährliche Wachstum betrage acht Prozent. Aber auch in den klassischen Branchen wie Maschinenbau und Automobilindustrie gebe es große Wachstumspotenziale durch die Digitalisierung. Dafür werde aber ein Ausbau der Breitbandversorgung gebraucht. 50 Megabit pro Sekunde würden bald notwendig sein.
Es würden zudem Fachkräfte gebraucht. 30.000 Arbeitsplätze seien nicht besetzt. Schön beklagte ein „mangelndes Interesse an Technik gerade bei jungen Leuten“. Dabei sei „Medien- und Technikkompetenz heute mindestens so wichtig wie Fremdsprachen. Schön verwies auch auf die hohen Abbrecherquoten bei Informatikstudiengängen und den geringen Anteil von Frauen in diesen Studiengängen.
„Das Internet ist nicht nur Motor für Wachstum und Beschäftigung, sondern vor allem ein Kulturraum für die Freiheit von Wissen und Information, ein Kulturraum für freie Kommunikation“, stellte Halina Wawzyniak (Die Linke) fest. Das Internet müsse daher ein Kulturraum für Menschen sein und kein Spielplatz für Konzerne.
Wawzyniak forderte Zugang zum Internet für alle Menschen, unabhängig von Alter, Einkommen oder Bildungsgrad. Davon enthalte der Koalitionsantrag kein Wort. Sie forderte Gelder für die Kommunen, damit der Netzausbau beschleunigt werden könne. Auch an Netzneutralität führe kein Weg vorbei: „Alle Datenpakete müssen mit gleicher Qualität im Internet fließen können.“
Nichts Innovatives und nichts Neues erkannte Kerstin Andreae (Bündnis 90/Die Grünen) in dem Antrag. Es gebe von der Koalition kein klares Bekenntnis zur Netzneutralität, keine klare Ansage zum Glasfasernetz und auch keine klare Ansage zum Datenschutz.
„Das ist reine Prosa“, kritisierte sie den Antrag. Auch zum Problem Fachkräftemangel habe die Koalition keine überzeugenden Antworten. Es gebe „keine Willkommenskultur“.
Mit der Haltung der Grünen zur Technik setzte sich Manuel Höferlin (FDP-Fraktion) auseinander. Sie würden sich als Innovationstreiber der Nation aufspielen, „aber 1987 waren sie gegen Videotext, gegen ISDN, gegen Breitbandverkabelung, gegen Kabel- und Satellitenfernsehen“.
Es sei besser, in Sachen Innovation nicht auf die Grünen zu hören.
In dem vom Bundestag beschlossenen Antrag fordern die Koalitionsfraktionen, die Breitbandstrategie für Hochgeschwindigkeitsnetze weiterzuentwickeln sowie den Auf- und Ausbau intelligenter Netze in den Bereichen Energie, Gesundheit, Verkehr, Bildung und Verwaltung durch digitale Technologien voranzutreiben.
Die Bundesregierung soll sich für die Datensicherheit in intelligenten Infrastrukturen und Netzen einsetzen. Außerdem sollen die Regelungen zum Datenschutz und zum Urheberrecht an die Bedingungen des Internets und der Digitalisierung fortlaufend angepasst werden: „Die hohen datenschutzrechtlichen Standards in Deutschland sollen dabei als Maßstab dienen.“
Zum Netzausbau heißt es in dem Antrag der Koalitionsfraktionen, die Breitbandstrategie solle auf das Ziel fokussiert werden, bis 2014 bereits für 75 Prozent der Haushalte Bandbreiten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung zu haben. Der rasche Ausbau der Netze könne am besten über einen technologie- und wettbewerbsoffenen Ansatz realisiert werden. Dazu sollen unter anderem Kabel- und Glasfasernetze sowie Funktechniken gehören.
Zu den Betreibern der schnelleren Netze schreiben die Fraktionen: „Wo kurz- bis mittelfristig keine Aktivitäten des Marktes zu erwarten sind, gilt es im Rahmen der bestehenden rechtlichen, insbesondere der verfassungsrechtlichen Vorgaben die Rahmenbedingungen für kommunale Breitbandprojekte zu überprüfen.“
Deutschland brauche auch im Bereich der digitalen Medien offene und wachstumsfördernde Rahmenbedingungen, schreiben die beiden Fraktionen und stellen fest: „Unter Wahrung des Datenschutzes müssen Maßnahmen getroffen werden, um Urheberrechtsverletzungen im Internet besser und wirksamer zu bekämpfen. Rechtsverletzungen dürfen auch in der digitalen Welt nicht akzeptiert werden, wobei nicht allein auf Repression gesetzt werden kann.“
Vielmehr solle gemeinsam mit Rechteinhabern und Diensteanbietern an Lösungen gearbeitet werden, „die den rechtsstaatlichen und wirksamen Schutz geistigen Eigentums verbessern und dessen Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen“. (hle)