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Die Pannenserie beim Berliner Großflughafen hat erneut zu heftigem Streit im Parlament geführt. Im Anschluss an die Fragestunde, in der Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer (CSU) zu diesem Thema Rede und Antwort gestanden hatte, debattierte der Bundestag am Mittwoch, 16. Januar 2013, in einer Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über Ursachen und Verantwortlichkeiten für die Krise um den künftigen Hauptstadtflughafen, dessen Inbetriebnahme kürzlich bereits zum vierten Mal verschoben worden war.
Neben der Debatte um die Rolle des Bundesverkehrsministers zählten zu den Auslösern der Aktuellen Stunde insbesondere die jüngsten Personalentscheidungen des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft.
Dabei war der bisherige Chef der Betreibergesellschaft, Prof. Dr. Rainer Schwarz, entlassen und der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden als Nachfolger des Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ernannt worden.
Gleich zu Beginn der Debatte übte Dr. Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) scharfe Kritik am Krisenmanagement der beteiligten Flughafengesellschafter, bestehend aus den Ländern Berlin und Brandenburg sowie dem Bund: "Jetzt schieben sich die Beteiligten die Schuld zu, nachdem sie zuvor alles einvernehmlich entschieden haben", sagte Hofreiter. Diese fragten sich nicht, wie sie das Problem lösen könnten, so der grüne Verkehrsexperte weiter, sondern wie sich am besten politisches Kapital hieraus schlagen lasse.
Als einen der Hauptfehler nannte Hofreiter die Kündigung des Vertrags der Planungsgemeinschaft Berlin-Brandenburg International im vergangenen Mai. "Das gesamte Wissen über die Baustelle wurde damit vernichtet und hat aus dem Flughafen eine Bauruine gemacht."
Auch Stefan Liebich von der Linksfraktion appellierte an die Verantwortlichen des Airport-Projekts, sich nicht gegenseitig die Schuld zuzuschieben. "Es geht nicht um die Frage, wer mehr oder weniger Schuld hat", betonte Liebich: "Vielmehr muss es um die Leidtragenden des Desasters gehen." Dabei hob er insbesondere Unternehmer und Unternehmerinnen hervor, "die auf die politischen Entscheidungen vertraut haben". Die dabei verlorenen Arbeitsplätze bezeichnete er als "Skandal" und erinnerte an die Belastung der Steuerzahler. "Sie tragen die Kosten", rief Liebich.
Gleichzeitig zeichneten sich tiefe Gräben zwischen den Fraktionen von SPD sowie der Union ab. Dabei gerieten insbesondere Bundesverkehrsminister Ramsauer einerseits sowie Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck andererseits in die Kritik.
So wetterte Peter Wichtel (CDU/CSU) gegen den Wechsel an der Spitze im Aufsichtsrat der Betreibergesellschaft, die er als "Rochade" sowie als "Ablenkungsmanöver der SPD" bezeichnete. Dabei kritisierte Wichtel vor allem die Rolle Klaus Wowereits.
Der Regierende Bürgermeister und vormalige Aufsichtsratschef habe "kein Wort des Bedauerns" geäußert. Wowereits Nachfolger Platzeck bezeichnete Wichtel als "Fehlbesetzung" und forderte mehr Sachkompetenz und ein realistisches Zeitbudget.
Noch deutlicher wurde Dr. Martin Lindner (FDP). "Der Aufsichtsratsvorsitzende hat jämmerlich versagt", schimpfte Lindner in Richtung Wowereits und forderte außerdem dessen Rücktritt als Regierender Bürgermeister. Wowereit habe zuerst "Hochglanzeinladungen" verschickt und erst anschließend zum Endspurt geblasen.
"Sie können es nicht, Herr Wowereit", rief Lindner, der außerdem das Prozedere vieler Großprojekte kritisierte. "Kosten werden heruntergerechnet, um die beteiligten Gremien und die Öffentlichkeit zu überzeugen", so Lindner.
Demgegenüber verteidigte Sören Bartol von der SPD-Fraktion Wowereit und Platzeck und betonte, aus "diesem Desaster" müssten fraktionsübergreifend Lehren gezogen werden.
"Dies haben Klaus Wowereit und Matthias Platzeck gemacht", sagte Bartol und attackierte gleichzeitig Bundesverkehrsminister Ramsauer, der in dieser Krise lediglich auf die Rolle der Bundesregierung als Minderheitsgesellschafter verweise. Der Minister solle das ständige "Über-Bande-spielen" lassen und sich seiner Verantwortung stellen. (jmb/16.01.2013)