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Wie lässt sich der durch den Verbrauch von Ressourcen verursachte Schadstoffausstoß vermindern? In welchem Maße ist dazu eine Reduzierung des Rohstoffkonsums erforderlich? Sind Fortschritte in erster Linie durch internationale Vereinbarungen über die Senkung etwa der Kohlendioxidemissionen zu erreichen? Oder sollten Deutschland und die EU eine Vorreiterrolle übernehmen?
Diese und andere Aspekte der Ressourcenpolitik können Interessierte am Montag, 18. Februar 2013, nach der Sitzung der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" mit fünf Mitgliedern der Kommission bei einem Internet-Chat diskutieren. Auf diesem Weg soll die Öffentlichkeit besser in die Arbeit des Bundestagsgremiums einbezogen werden.
Zwischen 16 und 17 Uhr sind die Abgeordneten Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU), Waltraud Wolff (SPD), Judith Skudelny (FDP) und Dr. Hermann Ott (Bündnis 90/Die Grünen) sowie der von der Linksfraktion benannte Sachverständige Prof. Dr. Ulrich Brand unter www.bundestag.de/chat erreichbar.
Zuvor trifft sich die Enquete-Kommission unter Vorsitz von Daniela Kolbe (SPD) von 13.15 Uhr an im Saal E 700 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin, um über den Abschlussbericht der Projektgruppe 3 zu debattieren und abzustimmen, die sich unter Otts Leitung mit dem Verbrauch und der Reduzierung von Rohstoffen befasst.
Die Sitzung am 18. Februar wird ab 13.15 Uhr live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Aufgabe der 17 Parlamentarier und 17 Wissenschaftler ist es, das rein ökonomisch und quantitativ ausgerichtete Bruttoinlandsprodukt als Messgröße für Lebensqualität weiterzuentwickeln und etwa um ökologische, soziale und kulturelle Kriterien zu ergänzen. Letztlich soll die Arbeit des Gremiums in die Definition dessen münden, was als nachhaltiges Wirtschaften und qualitatives Wachstum gelten kann.
Dazu gehört als wesentliches Element eine Umkehr beim Ressourcenkonsum, der bislang parallel zur Erhöhung der Wirtschaftsleistung steigt, wenn auch dank besserer Effizienz beim Rohstoffeinsatz nicht mehr in dem Maße wie früher. Aus Sicht Otts ist die drastische Senkung des Ressourcenverbrauchs die "zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts".
Bereits im Herbst hat die Kommission jenen Teil des Abschlussberichts der Projektgruppe 3 im Konsens von Koalition und Opposition verabschiedet, in dem es um eine kritische Analyse der Folgen eines zu großen Rohstoffkonsums geht. Eine zentrale Aussage: In einigen Bereichen wie dem Klimawandel, der Artenvielfalt und der Stickstoffbelastung natürlicher Kreisläufe sind die "Grenzen der Umweltnutzung bereits überschritten" (Ott).
Otts Team stieß darauf, dass der "Rebound-Effekt" größer ist als vermutet. Dieser Fachbegriff beschreibt den Umstand, dass technische Effizienzsteigerungen zu einer Verminderung des Rohstoffkonsums führen, die so erzielten Einsparungen jedoch durch Mehrverbrauch wieder neutralisiert werden.
Ein Beispiel: Automotoren benötigen heute weitaus weniger Benzin als ehedem, doch wird dies durch mehr Fahrkilometer oder schnellere Fahrzeuge wettgemacht. Der "Rebound-Effekt" ist ein Hindernis beim Bemühen um eine Verminderung des Ressourcenverbrauchs.
Das ökologische Problem dieses Konsums wird sich im Übrigen, wie die Projektgruppe 3 herausfand, nicht von selbst infolge abnehmender Rohstoffvorkommen erledigen: Diese Vorräte gehen, vom Öl abgesehen, langsamer zur Neige als angenommen.
Umstritten ist trotz gemeinsamer Problemanalyse indes der Forderungskatalog, der sich als Konsequenz aus der alarmierenden Bestandsaufnahme in Form von "Handlungsempfehlungen" an die künftige Politik richten soll. Die Vorschläge der Oppositionsfraktionen zu diesem Kapitel 7 des Abschlussberichts gehen zum Teil weit über das hinaus, was Union und FDP vorschwebt. Im Vorfeld des 18. Februar zeichnet sich ab, dass SPD, Linke und Grüne einige Sondervoten präsentieren werden und dass einzelne Textpassagen konträr abgestimmt werden.
Soll es zur absoluten Senkung des Ressourcenverbrauchs kommen oder zielt man lediglich auf eine Entkoppelung des Rohstoffkonsums von der Steigerung der Wirtschaftsleistung, damit sich dieser weniger stark erhöht als das Wachstum? Wie soll eine Umkehr beim Ressourcenverbrauch erreicht werden?
In den Reihen der Opposition werden Ideen wie beispielsweise Abgaben auf bestimmte Baustoffe wie Sand und Kies oder ein Pfand auf Elektronik-Kleingeräte erörtert – wobei bei diesem Thema offenbar auch zwischen SPD, Linken und Grünen Differenzen auftreten.
Welche Strategie wird die Kommission zur Bekämpfung des "Rebound-Effekts" verabschieden? Kontrovers diskutiert werden etwa die Einführung von Verbrauchsgrenzen, die politisch verfügte Verteuerung des Energie- und Rohstoffkonsums parallel zur Steigerung der Ressourceneffizienz oder die Streichung von umweltschädlichen Subventionen.
Grundsätzlich umstritten ist die Frage, wie weit der Umbau der Wirtschaft reichen soll. Im Oppositionslager spricht man von einer tiefgehenden "sozialökologischen Transformation", wozu etwa eine "sozialökologische Finanzreform" gehören soll. Nach dem Verlauf der bisherigen Debatten dürfte sich bei Union und FDP gegen solche Konzepte Widerstand regen.
Kontrovers erörtert zwischen Koalition und Opposition wird auch, welches Gewicht man bei der Verminderung des Ressourcenverbrauchs auf nationale Anstrengungen oder auf eine international abgestimmte Strategie legen soll. Und soll der reiche Norden an die Schwellenländer und die Dritte Welt Geld überweisen, damit diese Staaten bei ihrer ökonomischen Aufholjagd freiwillig den Rohstoffkonsum reduzieren?
Am 18. Februar werde es "sehr spannend", erwartet Ott. (kos/11.02.2013)
Am 18. Februar zwischen 16 und 17 Uhr chatten die Abgeordneten Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU), Waltraud Wolff (SPD), Judith Skudelny (FDP) und Dr. Hermann Ott (Bündnis 90/Die Grünen) sowie der von der Linksfraktion benannte Sachverständige Prof. Dr. Ulrich Brand unter www.bundestag.de/chat. Chatten Sie mit!