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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 26. November 2012)
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Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, fordert eine schnelle Reduzierung der Neuverschuldung und Klarheit über die Kosten der Hilfspakete für Griechenland. Dies betonte er in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 26. November).
Schneider wirft Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, im Haushalt des kommenden Jahres strukturell „kaum“ einzusparen und keine Subventionen abzubauen. Außerdem sei der Etat sozial nicht ausgewogen. Deshalb schlägt er unter anderem einen höheren Spitzensteuersatz vor.
Es sei offensichtlich, dass die von Deutschland geprägte europäische Wirtschaftspolitik gegenüber Griechenland, die fast ausschließlich auf Einsparungen setzt, gescheitert ist, betont er weiter. An den Kosten der Hilfspakete für Griechenland müssten die Banken mit einer Finanztransaktionssteuer beteiligt werden.
Das Interview im Wortlaut:
Herr Schneider, der Bundestag hat in der vergangenen Woche Gesetzentwürfe der Regierung zum Haushalt 2013, zum Haushaltsbegleitgesetz 2013, zum Zweiten Nachtragsetat 2012, zur Umsetzung des Fiskalvertrages und zur Finanzmarktstabilisierung verabschiedet. Es geht dabei immer um hohe Milliardensummen. Können Sie nachvollziehen, dass die Bürgerinnen und Bürger langsam nicht mehr durchblicken?
Ja, natürlich. Erstens werden die Zahlen größer und zweitens muss man für einen Überblick zum Haftungsrisiko verfolgen, wie hoch die übernommenen Bürgschaften sind. Beispiel: Bankenrettung. Dazu wurde am Freitag das Finanzmarktstabilisierungsgesetz nochmal um zwei Jahre verlängert. Jetzt gehen viele davon aus, dass die 480 Milliarden Euro, die dazu im ersten Gesetz bereitgestellt wurden, schon ausgegeben wurden. Nach heutiger Einschätzung wird die Belastung am Ende voraussichtlich bei 20 bis 30 Milliarden Euro liegen. Da kann schon einiges durcheinander kommen. Wichtig ist, dass wir im Bundestag den Überblick behalten und alles so transparent ist, dass die Bürger, auf alle Informationen zugreifen können – wenn sie es wollen.
Jetzt konkret zum Haushalt 2013. Die Ausgaben betragen beinahe unverändert 302 Milliarden Euro, die Neuverschuldung beträgt nur 17,1 Milliarden Euro . Ist das kein Erfolg für die Regierungskoalition?
Es wäre ein Erfolg, wenn die Regierungskoalition die Neuverschuldung deutlich reduziert hätte. Wir haben als SPD Vorschläge gemacht, wie wir zu einer Halbierung der Neuverschuldung kommen können. Mein Vorwurf an Finanzminister Schäuble ist, dass er die Konsolidierung quasi im Schlafwagen mitgenommen hat. Er hat im Haushalt strukturell kaum eingespart und keine Subventionen abgebaut. Er hätte schon 2013 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können, wenn er die höheren Steuereinnahmen und die geringeren Ausgaben für den Arbeitsmarkt eins zu eins durchgereicht hätte. Das wäre seine Verpflichtung gewesen.
Bundesfinanzminister Schäuble hat angekündigt, er wolle bis 2014 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Halten Sie das für zu spät?
Das halte ich eindeutig für zu spät, weil es erstens verschoben ist in die nächste Legislatur. Das wird der nächste Bundestag, die nächste Regierung dann zu entscheiden haben. Zweitens kündigt er immer noch eine Neuverschuldung von rund neun Milliarden Euro an. Unter einer schwarzen Null stelle ich mir etwas anderes vor, nämlich gar keine Neuverschuldung. Schließlich hat er viele Risiken für 2014 noch nicht eingerechnet. Dazu zählen die Kredite für Griechenland und das Betreuungsgeld in Höhe von einer Milliarde Euro. Für beides gibt es keine Gegenfinanzierung.
Was halten Sie denn sonst noch an diesem Haushalt für falsch?
Er enthält zu wenig strukturelle Zukunftsvorsorge. Es werden Belastungen in die Zukunft verschoben und er hat eine Unwucht zu Lasten der sozial Schwachen.
Wie sieht ihr Programm aus, um dies auszugleichen?
Wir als SPD schlagen vor, Subventionen stärker abzubauen und mit einem höheren Spitzensteuersatz die Besserverdienenden an der Konsolidierung stärker zu beteiligen. Auf der anderen Seite wollen wir mehr ausgeben für Bildung und für Infrastruktur. Wir leben von der Substanz. Da muss eindeutig mehr Geld rein, sonst werden wir unsere exzellente Infrastruktur in Deutschland nicht erhalten können. Im Bildungsbereich wollen wir für sowohl für den Kindertagesstättenausbau als auch für die Bildung allgemein mehr Mittel zur Verfügung stellen, weil wir das zukünftig auch brauchen.
Nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Sehen Sie in diesem Haushalt auch von Seiten der Koalition irgendwelche Wahlgeschenke?
Ja. So ist im Koalitionsausschuss am Sonntag vor den abschließenden Beratungen zum Etat 2013 im Haushaltsausschuss zum Beispiel das unter anderem von der EU-Kommission abgelehnte Betreuungsgeld vereinbart worden. Die Kosten betragen mehr als eine Milliarde Euro. Aber es gibt auch kleinere Maßnahmen, die bei den Haushaltsberatungen von der Koalition durchgesetzt wurden. Dazu zähle ich zum Beispiel den Neubau eines Museums in München – ohne dass dafür ein Konzept vorlag. Das ist ganz klar ein Wahlgeschenk an die CSU, die nächstes Jahr eine Landtagswahl zu bestehen hat.
Sie haben eben die Griechenlandkredite erwähnt und dass es keine Risikovorsorge dafür gibt. Letzte Woche gab es Forderungen, dass man deshalb den Haushalt 2013 nicht hätte verabschieden sollen. Stimmen Sie dem zu?
Ja, absolut. Wir haben gegenüber Griechenland einen zweistelligen Milliardenbetrag im Feuer und es ist klar, dass Griechenland dieses Geld nicht vollständig zurückzahlen kann. Anders als geplant wird Griechenland auch 2015 deshalb auch am Kapitalmarkt kein Geld für neue Kredite bekommen. Deswegen muss man heute für das wahrscheinliche Risiko von Verlusten Vorsorge treffen. Das hat die Regierung nicht getan. Minister Schäuble geht nämlich davon aus, dass es bei den Griechenlandkrediten überhaupt keine Ausfallwahrscheinlichkeit gibt. Das ist so hanebüchen, dass wir als SPD verlangt haben, die Haushaltsverabschiedung zu verschieben, bis das Griechenlandprogramm tatsächlich auf ordentlichen Füßen steht. Die Koalition versucht dagegen, das Risiko zu verschleiern und die Belastung für den Haushalt hinter die Bundestagswahl zu schieben.
Sie haben bisher diese Griechenlandhilfspakete zumindest nicht abgelehnt. Finden Sie es richtig, dass offensichtlich jetzt immer mehr Geld nach Griechenland gepumpt werden muss?
Es gibt dazu zwei Kreditpakete. Das erste war im Mai 2010. Der deutsche Anteil beträgt dabei 15 Milliarden Euro. Dem haben wir als SPD nicht zugestimmt, weil wir gesagt haben, es muss auch eine Beteiligung der Banken geben. Dies hat nicht stattgefunden. Deshalb ist die öffentliche Hand jetzt auch so stark in Griechenland engagiert. Beim zweiten Programm haben wir zugestimmt, weil es dann eine private Gläubigerbeteiligung gab. Inzwischen ist nun aber offensichtlich, dass die von Deutschland geprägte europäische Wirtschaftspolitik gegenüber Griechenland, die fast ausschließlich auf Einsparungen setzt, gescheitert ist. Das Wirtschaftsleistung in Griechenland ist um 25 Prozent zurückgegangen. Damit ist wahrlich kein Staat zu machen. Wenn man will, dass Griechenland im Euro bleibt, muss man auch in den sauren Apfel beißen und sagen, dass es uns jetzt auch Geld kostet. Wir als SPD wollen nur, dass die Kosten auch durch die Beteiligung der Finanzmärkte erbracht werden, also durch die Finanztransaktionssteuer. Ich bin gespannt, was die Bundesregierung uns für einen Vorschlag vorlegen wird.
Griechenland verfolgt uns schon mindestens zwei Jahre. Sehen Sie ein Ende dieser Krise?
Da ist viel Unehrlichkeit im Spiel. Die Fakten zu Griechenland liegen auf dem Tisch. Man kann heute schon sagen, bis zum Jahr 2020 ist Griechenland nicht durch Privatkapital zu finanzieren. Minister Schäuble hat bei uns in der Fraktion gesagt, er will nur bis 2014 ein Programm stricken. Dieses Durchwursteln, das besonders durch die Bundesregierung in Europa betrieben wird, sorgt für permanente Verunsicherung. Solange wird es auch keine Klarheit geben, ob Griechenland im Euro bleibt. Und solange gibt es eben auch keine Investitionssicherheit. Solange wird es auch in Griechenland nicht vorwärts gehen. Das führt auch dazu, dass wir permanent Griechenland wieder auf dem Tisch haben werden. Ich verlange, dass die Regierung endlich eine dauerhafte Lösung vorlegt, sodass die nächtlichen Krisensitzungen in Brüssel mal ein Ende haben.
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