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In einer zweieinhalbstündigen und über weite Strecken hitzigen Debatte hat sich der Bundestag am Donnerstag, 26. November 2009, mit der Verlängerung des ISAF-Mandats in Afghanistan befasst. Dieses soll, dafür plädiert die Bundesregierung mit einem Antrag, für ein weiteres Jahr verlängert und finanziell aufgestockt werden. Während die SPD in der Debatte ankündigte, den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch grundsätzlich weiterhin mitzutragen, lehnten Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke den Antrag (17/39) ab.
Scharfe Kritik aller Oppositionsfraktionen erntete der früheren Bundesverteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU). Dieser soll Medienberichten zufolge Informationen über zivile Opfer bei einem Luftangriff der Bundeswehr in Afghanistan zurückgehalten haben.
Vorwürfe gegen Ex-Verteidigungsminister Jung
Redner von Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen legten dem jetzigen Bundesarbeitsminister den Rücktritt nahe, sofern sich die Vorwürfe bestätigten. Die SPD drohte mit einem Untersuchungsausschuss und forderte Jung auf, vor dem Parlament Stellung zu nehmen.
Ein Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung, über den der Bundestag zum Ende der Debatte per Hammelsprung abstimmte und mit dem Jung als Redner der Debatte zugelassen werden lassen sollte, scheiterte zwar. Der Arbeitsminister kündigte trotzdem an, sich im Anschluss an die Aussprache zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern.
„Offenheit und Ehrlichkeit“
Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP) war zuvor als erster Redner der Debatte zwar nicht direkt auf die insbesondere in der „Bild“-Zeitung erhobenen Vorwürfe gegen Jung eingegangen, kündigte aber „Offenheit und Ehrlichkeit“ der Bundesregierung in Bezug auf den Einsatz in Afghanistan an. Gleichzeitig machte sich der Liberale stark für eine weitere Verlängerung des Einsatzes: „Wir engagieren uns dort für die Menschen, aber auch aus unserem ureigenen Sicherheitsbedürfnis heraus.“
Afghanistan dürfe nicht wieder zu einem Rückzugsgebiet für Terroristen werden, mahnte Westerwelle. Einem baldigen Truppenabzug erteilte er deshalb auch eine klare Absage: „Ein kopfloses Ende wäre unverantwortlich.“ Es würde die gesamte Region destabilisieren. Niemand wolle zwar einen „Einsatz bis zum Sankt Nimmerleinstag“, doch Afghanistan müsse selbst für die Sicherheit im Land sorgen können. Dies sei die Voraussetzung für eine „Übergabe in Verantwortung“.
Westerwelle kündigte an, die Bundesregierung werde sich auf einer im Januar geplanten Afghanistan-Konferenz mit allen Partnern über neue Weichenstellungen beraten.
„Mission am Wendepunkt“
Johannes Pflug (SPD) erinnerte zunächst an die Ziele, mit denen die ISAF-Mission vor acht Jahren begonnen hatte: Terrornetzwerke sollten zerstört und die Region stabilisiert werden, den Afghanen sollte geholfen werden, einen Staat und eine „halbwegs funktionierende“ Demokratie aufzubauen. Manches sei seitdem erreicht worden, doch noch immer gebe es „gewaltige Probleme“.
Der Abgeordnete nannte insbesondere die Drogenpolitik und die Korruption. Außerdem gebe es auch Probleme mit den Bundeswehreinsätzen, sagte er und spielte damit auf den Luftangriff deutscher Soldaten im September an, bei dem nicht nur Taliban-Kämpfer, sondern auch Zivilisten gestorben waren. „Die Berichte darüber lassen uns ernsthaft zweifeln“, betonte Pflug.
Wenn dem Parlament gezielt Informationen darüber vorenthalten worden seien, dann werde Jung nicht um einen Untersuchungsausschuss „herumkommen“. Pflug mahnte, der Einsatz am Hindukusch stehe an einem „Wendepunkt“. Die Bundesregierung und ihre Partner müssten noch stärker als bisher gegen Korruption vorgehen und die afghanische Regierung in die Pflicht nehmen. Pflug kündigte an, seine Fraktion werde den Einsatz dennoch weiterhin mittragen.
„Einsatz auf eine neue Basis stellen“
Bundesverteidigungsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU/CSU) warb in seiner Rede für eine Verlängerung des ISAF-Mandats, sprach sich aber deutlich für eine „Neujustierung“ der Mission aus. Er selbst werde sich dafür einsetzen, dass ein klarer Rahmen definiert werde. Dieser müsse Ziele ebenso wie die Voraussetzungen für einen Abzug der Truppen mit einschließen, stellte der Minister heraus.
Eine Exit-Strategie mit einem Abzugsdatum lehnte der CSU-Politiker jedoch entschieden ab: „Das wäre eine Steilvorlage für alle, die eine Destabilisierung des Landes anstreben.“ Gerade um das zu vermeiden, sei das Setzen von Zielvorgaben so wichtig. Diskussionen über eine Erhöhung der Truppenstärke wollte Guttenberg nicht bestätigen. Das Kontingent solle vorerst so bleiben wie es ist.
Dagegen kündigte er an, eine Infanterieeinheit nach Kundus zu verlegen. Diese solle die dortigen Truppen verstärken. Im Hinblick auf die Vorwürfe gegen seinen Vorgänger im Amt, Franz Josef Jung, gab der Bundesverteidigungsminister erste Konsequenzen bekannt: Der ranghöchste deutsche Soldat, Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, und der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Peter Wichert seien bereits am Morgen auf eigenen Wunsch zurückgetreten.
„Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen“
Paul Schäfer (Die Linke) kritisierte den Bundeswehr-Einsatz grundsätzlich: Seit Jahren werde das Kontingent der Soldaten dort vergrößert, doch auch die Zahl der Gefechte und der Opfer nehme stetig zu. Die Situation in Afghanistan lasse daher nur einen Schluss zu: „Der militärisch gestützte Versuch, eine Demokratie nach westlichem Vorbild zu installieren, ist gescheitert.“ Mehr noch: Der Krieg sei nicht mehr zu gewinnen.
Dies aber wollten weder Bundesregierung noch die NATO begreifen, monierte Schäfer. Der Verteidigungsminister plane sogar weitere Truppenerhöhungen. Schäfer forderte stattdessen, „alle diplomatischen und politischen Anstrengungen“ sollten sich auf einen Waffenstillstand und „innergesellschaftliche Konsultationen“ konzentrieren. Die Truppen aber müssten sofort aus Afghanistan abgezogen werden. Einer Mandatsverlängerung, wie von der Bundesregierung gefordert, werde die Linksfraktion daher nicht zustimmen.
Kein Blankoscheck für ein weiteres Jahr
Dr. Frithjof Schmidt (Bündnis 90/ Die Grünen) kritisierte ebenfalls den Antrag der Bundesregierung. Dass diese mit einer neuen Offenheit über einen Kurswechsel in Bezug auf die ISAF-Mission spreche, sei zwar eine „Chance“, gab der Abgeordnete zu. Dennoch lasse der vorliegende Antrag „konkrete Vorschläge über einen Abzugsplan“ vermissen.
Einem ad-hoc-Abzug der Bundeswehr, wie von der Linksfraktion gefordert, erteilte Schmidt jedoch eine Absage: „Wenn die Truppen rausgehen, dann verlassen auch die zivilen Helfer das Land.“ Die konkrete Ausgestaltung der Mandatsverlängerung fand aber nicht seine Zustimmung: „Bis darauf, dass Sie mehr Geld wollen, bleibt darin alles unverändert – das ist schlecht!“
Schmidt monierte, es fehle eine „ehrliche Evaluation“. Weiterer Kritikpunkt des Grünen: die zivile Aufbauhilfe. Mehr Geld gebe es nur für das Militär, nicht für die zivile Hilfe. Schmidt forderte zudem, dem Parlament müsse „reiner Wein“ in Bezug auf Pläne für eine Truppenvergrößerung eingeschenkt werden. „Sie wollen einen Blanko-Scheck für ein weiteres Jahr - dem stimmen wir aber nicht zu.“