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Als seine "Jungfernrede“ in der Funktion des Wehrbeauftragten des Bundestags hat Hellmut Königshaus (FDP) seine Rede zum Jahresbericht des Wehrbeauftragten am Donnerstag, den 16. Dezember 2010, bezeichnet. Zurückhaltung übte er dennoch nicht: Es fehle innerhalb des Verteidigungsministeriums und des militärischen Apparates gelegentlich an einer "konstruktiven Fehlerkultur“; nach wie vor würden Ausrüstung und Ausbildung der Situation im Einsatz "nicht gerecht“ und seien "nicht in einem vernünftigen Zustand“.
Der Bericht war von Königshaus’ Vorgänger Reinhold Robbe erstellt worden. Ihm dankte der amtierende Wehrbeauftragte für seine Arbeit der vergangenen Jahre und lobte, Robbe habe ein Fundament hinterlassen, "auf dem ich aufbauen kann“.
Königshaus sagte, angesichts der Aussetzung der Wehrpflicht und der Verkleinerung der Streitkräfte stehe die Bundeswehr vor "historischen Umbrüchen“. Trotz vieler Anstrengungen sei bis heute die Situation im Sanitätsdienst zu beklagen; dort sei die Belastung sehr hoch und es fehle an Personal. Gleiches gelte für die Versorgung von Soldaten mit Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS).
Auch in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie liege noch vieles im Argen sowie bei der Möglichkeit der Soldaten, Kontakt in ihre Heimat zu halten. Außerdem gebe es noch immer nicht genügend "geeignete geschützte Fahrzeuge“.
Für die Union sagte die Verteidigungsexpertin Anita Schäfer, die Aussetzung der Wehrpflicht sei eine "einschneidende Veränderung“, bei der sich Probleme sicher nicht vermeiden ließen. Auch mit der Umstellung auf eine Freiwilligenarmee werde die Position des Wehrbeauftragten nicht überflüssig, sondern bleibe "wesentliches Kontrollorgan für den Zustand der Truppe“.
Die Soldaten seien nach wie vor "Staatsbürger in Uniform“. Das Konzept der "inneren Führung“ sei und bleibe Markenzeichen der Bundeswehr, die Streitkräfte dürften innerhalb der Gesellschaft kein Fremdkörper sein. Zu den Klagen über mangelnde Ausstattung mit Waffen und Munition sagte Schäfer, inzwischen hätten alle Soldaten im Einsatz eine "fest zugeordnete Handwaffe“; die Munitionsvorräte entsprächen den "operativen Vorgaben“.
Im Bereich der geschützten Fahrzeuge befinde man sich in einem „kontinuierlichen Verbesserungsprozess“. Zur viel kritisierten Reise des Verteidigungsministers und seiner Frau nach Afghanistan sagte Schäfer, wenn es damit gelungen wäre, bei Menschen, die sich sonst für die Belange der Soldaten nicht interessiert hätten, Interesse zu wecken, müsste man dem Minister ausdrücklich danken.
Die sicherheitspolitische Expertin der SPD, Karin Evers-Meyer, sagte, es sei gut, dass die Bundeswehr in diesen Tagen "so viel Aufmerksamkeit bekommt wie sonst nie“, da die Soldaten diese Aufmerksamkeit verdienten. Ob man zu Guttenbergs Wahl der Mittel gutheiße, sei "Geschmacksfrage“.
Evers-Meyer sagte, Königshaus Vorgänger Robbe habe in Sachen PTBS "seinen Job“ gemacht, von der Bundesregierung sei aber nicht mehr gekommen als "schöne Worte“. Zu Guttenberg müsse nun die großen Erwartungen erfüllen, die er mit seinem Politikstil geweckt habe – etwa beim Thema PTBS müsse man nun konkrete Maßnahmen ergreifen. Prävention, Nachsorge und Fürsorge müssten "sehr ernst“ genommen werden, damit betroffene Soldaten nicht zu Sozialfällen würden. Königshaus müsse hier "Akzente setzen“.
Der FDP-Verteidigungspolitiker Christoph Schnurr sagte, es gehe nicht darum, dass Königshaus in die Fußstapfen seines Vorgängers trete, er müsse vielmehr neue Akzente setzen. Es sei lobenswert, dass er seine Erkenntnisse nicht zuerst den Zeitungen vermittelt, sondern bereits zwei Zwischenberichte vorgelegt habe. Dass innerhalb der Bundeswehr 600 Ärzte fehlten, sei "nicht beruhigend“, allerdings seien hierbei "erste richtige Schritte“ erfolgt.
Viel zu wenig wurde nach Ansicht des verteidigungspolitischen Sprechers der Linksfraktion, Paul Schäfer, getan. Dem ritualisierten Dank, der den Soldaten ausgesprochen werde, stünden etwa "verweigertes Weihnachtsgeld“ und völlig unzulängliche Kommunikationsmöglichkeiten aus dem Auslandseinsatz gegenüber.
Agnes Malczak, abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, kritisierte den jüngsten Truppenbesuch des Verteidigungsministers. Dabei habe es sich um eine "unangemessene Inszenierung“ gehandelt; der Besuch mit Gattin und Talkmaster habe von "der schwierigen Situation in Afghanistan abgelenkt“. Malczak betonte, Kritik an der Strategie der Bundeswehr dürfe nicht mit mangelnder Solidarität mit den Soldaten gleichgesetzt werden. Für ihre Fraktion kündigte sie weitere kritische Fragen an. (suk)