Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2011 > Rechtsausschuss
Fast alle der geladenen Sachverständigen haben am Mittwoch, 26. Oktober 2011, während einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses unter Vorsitz von Siegfried Kauder (CDU/CSU) das Ziel gutgeheißen, Opfern von sexueller Gewalt mehrfache Vernehmungen zu ersparen. Der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg, Prof. Dr. Reinhard Böttcher, machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, eines der Hauptanliegen bei den Beratungen am "Runden Tisch" sei es gewesen, die Opfer sexuellen Missbrauchs von mehrfachen Vernehmungen möglichst zu verschonen. Gegenstand der Anhörung waren der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs
(17/6261) sowie entsprechende Gesetzentwürfe SPD-Fraktion (17/3646) und von Bündnis90/Die Grünen (17/5774).
Die vorgeschlagene Regelung unternehme es in behutsamer Weise, in einschlägigen Verfahren den Anwendungsbereich der Videovernehmung zu erweitern, sagte Böttcher. Dabei würden die schutzwürdigen Interessen der Zeugen, die als Kinder und Jugendliche Opfer geworden seien, einbezogen.
Prof. Dr. Henning Radtke von der Universität Hannover war ebenfalls der Meinung, das zentrale Anliegen des Entwurfs gelte es umzusetzen. Danach gelte es, Mehrfachvernehmungen solcher Zeugen, von denen anzunehmen ist, dass sie als Kinder oder Jugendliche Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung geworden sind, zu vermeiden. Der Sachverständige warnte aber, die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme - auch im Hinblick auf die Rechte des Beschuldigten - dürfe nicht überschätzt werden.
Sibylle Dworazik, Präsidentin des Landgerichts Ingolstadt, meinte, der vom Gesetzentwurf der Bundesregierung erhoffte Erfolg, Mehrfachvernehmungen im Laufe eines Ermittlungs- und Strafverfahrens zu vermeiden, werde grundsätzlich begrüßt. Die Ausgestaltung könne aber aus der richterlichen Praxis heraus nicht in allen Punkten Zustimmung finden.
Die Sachverständigen teilten mehrheitlich das Anliegen der Bundesregierung, die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche, die auf einer vorsätzlichen Verletzung beispielsweise des Lebens und der sexuellen Selbstbestimmung beruhten, auf 30 Jahre zu erhöhen.
Anja Farries, Richterin am Amtsgericht Lübeck, sagte, dies sei durch die besonderen Umstände bei sexuellem Missbrauch von Kindern und minderjährigen Schutzbefohlenen gerechtfertigt. Warum die Verjährungsfrist allerdings auch für Schadensersatzansprüche bei jeder vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit und Freiheit im Allgemeinen verlängert werden soll, werde nicht besonders begründet und sei auch nicht nachvollziehbar, meinte die Sachverständige. (bob)