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François Morellet ist einer der wichtigsten Vertreter der Konkreten Kunst der Gegenwart, dessen Neoninstallationen und kinetische Skulpturen weltweit Anerkennung finden. Er hat für bedeutende Gebäude Kunstwerke geschaffen und so u.a. die Fenster in einem der Treppenaufgänge des Louvre in Paris oder den Eingangsbereich der Französischen Botschaft in Berlin gestaltet. Auch in Deutschland erfreut er sich großer Wertschätzung und hat zahlreiche Skulpturen und Neoninstallationen realisiert, so in Berlin beispielsweise die Installation "Light Blue" aus blauen Argonröhren im Atrium des Debis-Gebäudes am Potsdamer Platz.
Für den Deutschen Bundestag hat er beim Neubau des Paul- Löbe-Hauses in den Jahren 1999 bis 2001 die Neoninstallation "Haute et basse tension" geschaffen. Nähert man sich dem Paul-Löbe-Haus vom Bundeskanzleramt her, erkennt man hinter der durchgehenden Glasfassade bereits von außen die farbigen Neonlichtbänder. Beginnend mit einem straff gespannten, rot leuchtenden Neonlichtband, leiten von der Decke durchhängende weitere Neonlichtbänder in den Farben Gelb, Grün und Blau von West nach Ost durch die Halle. Sie setzen der klaren und strengen Gliederung der Halle ihren eigenen fröhlich-bewegten Rhythmus entgegen. Diese Gestaltung setzt sich deutlich zurückhaltender im Marie-Elisabeth- Lüders-Haus fort mit einem einzelnen weißen Neonelement, das von einem schwarzen Band gehalten wird.
Mit diesem Lichtspiel hat Morellet eine eigenständige und eigenwillige Antwort auf das minimalistisch reduzierte Formkonzept des Architekten Stephan Braunfels gefunden. Der Münchner Architekt hat das Paul-Löbe-Haus auf dem strengen Rhythmus elementargeometrischer Formen wie dem Quadrat und dem Kreis aufgebaut: Im Innern des Hauses verleiht die Abfolge der acht Turmrotunden, in denen sich die Sitzungssäle der Ausschüsse befinden, der Halle eine klar geordnete geometrische Struktur. Die durchlaufende Galerie sowie das Raster der Decke setzen der Kreisform der Rotunden gerade und rechteckige Formen entgegen. Die Geschlossenheit und Gleichmäßigkeit dieser strengen geometrischen Ordnung wird durch die ausschließliche Verwendung von grauem Sichtbeton noch betont.
François Morellet verwendet ebenfalls nur wenige Gestaltungselemente, indem er sich auf vier Neonlichtbänder und die vier Farben Rot, Gelb, Grün und Blau beschränkt. Ihm gelingt es mit diesem subtilen, am Tage kaum sichtbaren Lichtspiel, das erst zum Abend hin immer stärker hervortritt und auch das gegenüberliegende Kanzleramt zu illuminieren scheint, die Geschlossenheit der Halle aufzulockern – sowohl ihre graue Monochromie als auch ihre symmetrische Strenge. Durch die Abfolge der Neonlichtbänder von West nach Ost, von straffer Spannung zu einer immer weiter durchhängenden Hyperbelform, geben diese der gleichförmigen Halle eine Richtung.
Zudem setzen sie als nach oben hin offene Hyperbeln den geschlossenen Grundformen von Kreis und Quadrat ihre jeweils unterschiedlichen Formen entgegen. Die Neonlichtbänder ziehen immateriell wirkende Linien als reine Lichterscheinungen durch den großen Hallenraum – gleichermaßen asketisch-vergeistigte Zeichen und schmückende Girlanden. In diesem Sinne verkörpert Morellets Beitrag zum Kunstprogramm im deutschen Parlament jene Klarheit und Eleganz, die in der täglichen politischen Auseinandersetzung zu geistig konzentrierter Arbeit anregt und die an Festtagen des Parlamentes, wie beim Besuch der Assemblée Nationale im Bundestag am 22. Januar 2013, zu heiterer Festlichkeit einlädt.
Text: Andreas Kaernbach, Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages